Die Banker... Was sollen sie auch machen? Solange die <Manie weitergeht, alles gut, wenn nicht mehr, ach, dann lassen wir uns was neues einfallen. Also alles tun, damit frisches Geld zur Börse fließt. Diese halbwissenden und vollglaubenden"Berater" müssen Umsatz machen.....
Interview mit dem Vorstand der Deutschen Bank
5.2. Aktien - Treibsatz der Ã-konomie
"WAS SCHIEF GEHEN KANN..."
Wie sicher sind die Aktienmärkte? Könnte ein Kursverfall noch einmal in eine weltweite Wirtschaftskrise münden? Wie riskant ist Wertpapiersparen für die Altersvorsorge? THOMAS FISCHER, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, über die Crash-Gefahr und das Rentensystem der Zukunft
SPIEGEL: Herr Fischer, Sie sind verantwortlich für das Anlagerisiko des größten Finanzkonzerns der Welt. Bereitet Ihnen die Furcht vor einem globalen Crash manchmal schlaflose Nächte?
Fischer: Das nicht, aber Sorgen mach ich mir schon. Es ist schließlich meine Aufgabe, Alpträume zum Programm zu machen und durchzuspielen, was im schlimmsten Fall passieren könnte. Und die Antwort lautet: Ein Crash, also ein nachhaltiger Kursverfall bei Wertpapieren auf breiter Front, ist nie völlig auszuschließen. Aber auch so etwas muss sich nicht zur wirtschaftlichen Katastrophe ausweiten.
SPIEGEL: Nach dem Asien-Crash 1998 waren wir aber nahe dran. Wie kam es dazu, dass damals selbst führende Köpfe der Finanzwelt die Lage völlig falsch einschätzten?
Fischer: Nehmen wir den spektakulärsten Fall, das war der Investmentfonds LTCM, der im Herbst 1998 plötzlich seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte. Eine gefährliche Konsequenz hätte sein können, dass LTCM Wertpapiere in Milliardenhöhe verkauft, um sich flüssiges Geld zu beschaffen, und damit das gesamte Preisgefüge an den Kapitalmärkten zum Einsturz bringt. Da waren ja sogar zwei Nobelpreisträger an der Konstruktion des Anlage-Portfolios beteiligt...
SPIEGEL:... und die Deutsche Bank als Geschäftspartner.
Fischer: Nur in geringem Umfang, aber auch bei uns gab es Fehleinschätzungen. Jedenfalls hatten die Beteiligten durchaus die einzelnen Risiken auf ihren Radarschirmen: Sie wussten, Brasiliens Wechselkurs ist unrealistisch, Russland ist als Schuldner unzuverlässig und so weiter. Was aber alle nicht verstanden, waren die Teufelskreise, die sich daraus ergaben.
SPIEGEL: Sind die Finanzmärkte überkomplex und überfordern selbst die klügsten Manager?
Fischer: Im Herbst 1998 war das der Fall, einen wirklichen Crash haben wir allerdings noch verhindern können. Und wir haben dazugelernt. Wir beurteilen jetzt stets alle verschiedenen Risiken im Zusammenhang. Wir werden auch eine"Melt-Down-Gruppe" einsetzen, die sich systematisch mit allen denkbaren Krisen-Szenarien auseinander setzt. Die Lektion dieser Krise lautet: Murphys Gesetz gilt, was schief gehen kann, wird auch schief gehen. Darum sind wir demütiger geworden, wir machen nicht jedes Geschäft, das wir machen könnten. Und wir verstehen den gemeinsamen Nenner hinter den Risiken besser: globale Liquidität, also die Verfügbarkeit flüssiger Gelder.
SPIEGEL: Und Sie glauben, das System ist jetzt sicherer? Die Experten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich haben gerade erst vor der instabilen Lage in den USA gewarnt, die ihren Boom nur noch mit Kapitalimport aus dem Ausland finanzieren. Was passiert, wenn der Kapitalfluss sich zu Lasten der Amerikaner umdreht?
Fischer: Das kommt auf den Zeitraum an, in dem es geschieht. Problematisch wäre es nur, wenn es innerhalb von wenigen Tagen geschehen würde. Es darf nicht so schnell gehen, und daran arbeiten wir.
SPIEGEL: Wer ist wir?
Fischer: Alle Beteiligten. Diese dramatischen Änderungen will keiner. Sie müssen sehen: Ein Großteil der Globalisierung findet innerhalb der großen Konzerne und Banken statt. Also sehr viel von dem, was hier gefährlich sein könnte, wird in den Vorständen globalisierter Unternehmen und in den supranationalen Gremien besprochen.
SPIEGEL: Könnte sich denn aus einem Aktien- und Dollar-Crash noch einmal eine weltweite Depression entwickeln wie in den dreißiger Jahren?
Fischer: Das glaube ich nicht. Denn die beiden Kardinalfehler von damals würden heute gewiss nicht wiederholt. Zum einen verknappten die Notenbanken seinerzeit das Geld. Gefangen im damaligen Währungssystem, dem Gold-Devisen-Standard, setzten sie die Zinsen für frische Notenbankkredite an die Banken sehr hoch und trockneten die Kapitalmärkte so noch weiter aus. Außerdem gab es keine internationale Kooperation. Beides zusammen hat dazu geführt, die Krise zu verschärfen, anstatt sie zu mildern. Als sich dagegen im Herbst 1998 die Lage in den USA zuspitzte, konnte man sehen, dass es anders geht: Die US-Notenbank hat den Geldmarkt nicht unnötig angespannt, und das Risiko LTCM wurde durch eine privat finanzierte Rettungsaktion entschärft.
SPIEGEL: Wenn aber niemand wirklich weiß, wie stabil das Finanzmarktsystem ist, wie seriös ist da die weltweite Werbung der Finanzindustrie für Wertpapiersparen als Altersvorsorge?
Fischer: Die ist so seriös wie die Langzeitberechnungen, nach denen bestimmte Formen der Anlage in Wertpapieren alle anderen Vorsorgeformen geschlagen haben.
SPIEGEL: Nur dass die individuellen Biografien der Sparer nicht immer in den richtigen statistischen Zeitraum fallen. Wer zwischen 1965 und 1990 auf die Aktien des Dow Jones Index gespart hat, der hatte eine Null-Rendite, denn deren Wert war 1990 real genauso hoch wie 1965.
Fischer: So etwas geschieht ja auch nur dem, der nicht auf ordentliche Beratung baut. Kein Mensch sagt: nur Aktiensparen und schon gar nicht nur in US-Werten. Alles, was wir sagen, ist: Stärkt diese Säule der Altersversorgung, vergesst die betriebliche Rente nicht und reduziert das Umlagesystem auf eine Art Grundsicherung. Die durch private Vorsorge herbeigeführte Teilnahme am Wachstum des Realkapitals, verbürgt durch Börsen und unter Maßgabe der Risikostreuung, ist etwas, was langfristig dazu führt, dass das Versorgungsniveau wesentlich höher ist als allein mit der umlagefinanzierten Rente.
SPIEGEL: Das System, das Sie skizziert haben, wurde in Großbritannien seit 1980 eingeführt. Heute lebt dort ein Drittel der Rentner mit Einkommen an der Armutsgrenze. Ist das auch unsere Zukunft?
Fischer: Nein, nach allem was mir bekannt ist, wurde das dort schlecht verwaltet. Die Rücklagen gingen eben nicht in gut durchmischte Fonds, sondern die Anlage-Vorschriften waren eng und bürokratisch und hielten mit den Kapitalmärkten nicht mit. Wenn das Fondsmanagement frei ist, sind die Erfolge besser. Darum wäre auch die Beschränkung der jetzt geplanten privaten Vorsorge auf Lebensversicherungen falsch.
SPIEGEL: Weil die Banken ihren Anteil am Geschäft wollen?
Fischer: Nein, weil es ein einseitiges Konzept ist. Wenn die Finanzmärkte kriseln, schrumpfen auch die Renditen der Lebensversicherer. Darum müssen die Altersvorsorgegelder so flexibel und offen wie möglich verwaltet werden, wobei ich nicht bestreite, dass es parallel dazu einer flexiblen staatlichen Aufsicht bedarf.
SPIEGEL: Die Umstellung der Vorsorge auf Kapitaldeckung statt Umlage wird meist mit der kommenden Überalterung der Gesellschaft begründet, weil bei steigender Lebenserwartung zugleich weniger Kinder geboren werden. Wird dieses demografische Problem die Kapitalsparer nicht genauso treffen wie die Umlagerentner?
Fischer: Wer die Diskussion redlich führt, der kann nicht bestreiten: Kein Alterssicherungssystem ist immun gegen die demografische Entwicklung, auch das der Kapitaldeckung nicht. Nur: Beim Umlageverfahren schlägt das Problem voll durch, hier muss man nach Köpfen im Lande zählen  wie viele Einzahler kommen auf wie viele Rentenempfänger. Beim Kapitalverfahren können wir international anlegen und wieder verkaufen.
SPIEGEL: Das Überalterungsproblem haben alle Wohlstandsnationen. Wer soll die Aktien und Fondsanteile kaufen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen?
Fischer: In Frankreich, Großbritannien und den USA sieht es viel besser aus als bei uns, vor allem wegen der liberaleren Einwanderungspolitik, dort schreitet die Alterung langsamer voran. Zum anderen richtet sich der Ertrag der Kapitalanlage ja nicht nach Kopfzahl, sondern nach der Kaufkraft auf einem globalen Markt. Es kann schon sein, dass es dereinst für das Volumen der Papiere, das verkauft werden soll, im Inland nicht genügend Käufer und Nachfrage gibt. Aber wer sagt uns denn, dass an deutschen Wertpapieren nur Deutsche Interesse haben? Mir ist es jedenfalls lieber, wenn wir uns bei der Rente auch auf einen globalen Kapitalmarkt stützen können anstatt nur auf inländische Beitragszahler.
SPIEGEL: Auch die Bundesbank warnte, dass bei der Auflösung des angesparten Vorsorgekapitals die mangelnde Nachfrage in der alternden Gesellschaft zu"sinkenden Vermögenspreisen" führen könnte. Droht uns dann ein Rentner-Crash?
Fischer: Dieses Modell unterstellt, dass die Baby-Boomer im Rentenalter sofort ihre gesamten Anlagen zu Geld machen wollen. Aber so läuft das nicht. Die angesparten Mittel werden über einen längeren Zeitraum in flüssige Mittel überführt, so dass die Ruheständler es peu à peu ausgezahlt bekommen. Das ist leicht darstellbar.
SPIEGEL: Also kein Crash, aber jahrzehntelang sinkende Kurse? Für die Rentner der geburtenstarken Jahrgänge wäre auch das ein ziemlicher Reinfall.
Fischer: Aber wir sind doch erst bei einem bescheidenen Einstieg in die Kapitaldeckung! Bis 2008 sollen es etwa 60 Milliarden Mark sein, die wir umschichten. Das ist  gemessen am Gesamtumsatz des Umlageverfahrens  eine kleine Summe. Wir wollen doch keine Revolution, sondern nur, dass auch über den Faktor Kapital die Altersversorgung finanziert wird und nicht nur über den Faktor Arbeit. Das geschieht nicht über Nacht, wird also auch nicht zu Verwerfungen an den Märkten führen, wie Sie befürchten.
SPIEGEL: Aber Notenbanker in aller Welt sprechen bereits von einer"Inflation der Vermögenspreise", ausgelöst unter anderem durch die Aktienanlage fürs Alter.
Fischer: Ja, ich weiß, Alan Greenspan deutet immer wieder so etwas an. Für Ihre private Vorsorge können Sie aber auf Nummer Sicher gehen und es einem Anlageberater überlassen, Ihre regelmäßigen Sparbeiträge in Zeiten niedriger Kurse anzulegen. Im Schnitt nehmen Sie alle Marktbewegungen mit und sollten automatisch, fast formelhaft, ein Optimum erreichen.
SPIEGEL: Das Umlagesystem wurde nach dem Krieg eingeführt, weil die kapitalgedeckten Vorkriegskassen nach der Katastrophe nichts mehr wert waren und Millionen Alte ohne ausreichende Rente dastanden. Warum sollten wir uns diesmal viel sicherer sein?
Fischer: Also gut, nehmen wir an, der Alptraum wird trotz allem noch einmal wahr, und das Realkapital ist vernichtet. Wissen Sie, was wir dann machen werden? Wir kehren sofort zum Umlagesystem zurück. Denn das können wir immer.
SPIEGEL: Herr Fischer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
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