"Streichkonzert" bei Lebensversicherern
Kaum einer braucht wirklich eine, dennoch hat fast jeder eine - eine Kapital-Lebensversicherung. Solide und steuerfrei standen sie bei deutschen Anlegern bislang hoch im Kurs. Doch nun droht den „Biedermännern der Geldanlage“ die Mittelmäßigkeit. Reihenweise senken sie in diesen Tagen die Gewinnbeteiligung für ihre Versicherten. Denn auch die Anlageprofis hat die Börsenflaute kalt erwischt. Und so weht derzeit durch die Lebensversicherungsbranche ein eisiger Wind. 2001 war ein schwarzes Jahr für das Geschäft mit den todsicheren Anlagen, das nun in blaue Briefe für die Versicherten mündet:
Rendite gefährdet!! Denn an die Überschussbeteiligung der Lebensversicherung wird der Rotstift angesetzt. Streichwertung also bei jenem Teil der Kapitallebensversicherung, die den Vermögensaufbau erwirtschaften soll. Wie wichtig die Überschussbeteiligung dabei ist, weiß Michael Wortmann von der Verbraucherzentrale Rheinland- Pfalz:
„Für die Kapitallebensversicherungen sind die Überschussbeteiligungen sehr wichtig, denn wenn man Laufzeiten von 25 Jahren ins Auge nimmt, machen die Überschussbeteiligungen in der Regel 50% der Auszahlungen aus.“
Kapital-Lebensversicherungen sind nüchtern betrachtet ein verwaltungsintensiver Zwitter. Denn sie sollen im Versicherungsteil den Todesfall absichern und gleichzeitig im Kapitalteil satte Renditen erwirtschaften. Dafür fließen 65% jeder Monatsrate in den Sparstrumpf der Versicherung. Diese Gelder versuchen die Versicherungskonzerne dann möglichst gewinnbringend zu investieren: in Immobilien, Aktien und Fonds und - weil vermeintlich sicher - in festverzinsliche Wertpapiere.
Versicherer in der Börsenfalle
Doch in den letzen Jahren sind die Versicherer in eine Zwickmühle geraten: nicht nur die Zinsen bei den Festverzinslichen brachen weg, die Versicherer konnten dies auch mit Gewinnen am Aktienmarkt nicht ausgleichen. Denn bei Dax & Co. stürzten die Kurse ab. Doppelte Verluste für die Versicherer. Die Konsequenz sind nun die Kürzungen bei den Gewinnausschüttungen. Ganz leer geht aber dennoch kein Versicherter aus. 3,25% Rendite sind gesetzlich garantiert. Allerdings bloß ein schwacher Trost, denn im Durchschnitt lagen die Renditen deutlich höher, um die 7%. Für 2001 gibt es rückwirkend vielfach ein Prozent weniger. Ein Prozent klingt vielleicht wenig, macht bei der klassischen Laufzeit einer Kapitallebensversicherung von 30 Jahren und durchschnittlich 75 € Beitrag im Monat unterm Strich aber Tausende aus.
Ein Rechenbeispiel: Wird der Sparanteil der Versicherung über 30 Jahre hinweg mit 7% verzinst, kommen am Ende der Laufzeit 80.330 € heraus. Sinkt die Rendite aber nach einer Laufzeit von 10 Jahren nur um 1 Prozentpunkt, also auf 6%, sind am Ende nur rund 67.600 € auf dem Konto, fast 13.000 € weniger. Realistisch scheint vielen Kapitalmarktexperten jedoch, dass das aktuelle Zinstief in 5 Jahren überwunden sein wird. Für die Auszahlung am Ende der Laufzeit stehen dann 78.100 € zur Verfügung - 2,8% weniger als ohne Renditerutsch. Deshalb die Empfehlung von Verbraucherschützer Michael Wortmann an alle, denen eine Kürzung der Überschussbeteiligung ins Haus flattert: auf keinen Fall nur aufgrund der gekürzten Überschussbeteiligung die Lebensversicherung jetzt voreilig kündigen. Kapitallebensversicherungen seien Langfristprodukte, auf kurzfristige Schwankungen solle man nicht eingehen.
Wer zückt den Rotstift?
Von Kürzungen sind derzeit nahezu alle Versicherer betroffen, denn die mageren Bedingungen am Kapitalmarkt sind für alle gleich. Es trifft Kleine wie Große, im Schnitt liegt die Senkung bei einem Prozentpunkt, teilweise höher, wie die Grafik zeigt:
Kürzungen der Überschussbeteiligungen
- Auswahl Lebensversicherer
Anbieter Überschuss-
bet. 2000 Überschuss-
bet. 2001 Senkung
Hannoversche LV 6,75 % 5 % 1,75 %
Lebensversicherung v.1871 6,70 % 5,45 % 1,25 %
Mannheimer 6,60 % 5,50 % 1,10 %
Allianz 7,50 % 6,80 % 0,70 %
Continentale 7,35 % 6,60 % 0,75 %
Wer sich gerade mit dem Gedanken trägt, eine Kapital-Lebensversicherung abzuschließen, sollte seinen Anbieter aber nicht nur nach den gerade veröffentlichten Überschussbeteiligungen beurteilen, rät Versicherungsexpertin Ingrid Herden von der Zeitschrift „Capital“.
Neben der Überschussbeteiligung sollte man zur Beurteilung der einzelnen Anbieter auch ein Auge auf die stillen Reserven, also das finanzielle Polster einer Versicherung werfen. Denn einige Versicherungskonzerne haben in der laufenden Überschussrunde nur moderat gesenkt, weil sie die Überschüsse mit den eigenen Reserven sozusagen „subventioniert“ haben. Bleibt die Ertragssituation weiter schlecht, könnte manche dieser scheinbar gut wirtschaftenden Gesellschaften im nächsten Jahr gezwungen sein, die Überschussbeteiligung noch mal und dann vielleicht sehr kräftig zu senken.
(Eine Entscheidungshilfe bietet Capital mit einem kostenpflichtigen Faxabruf unter der Rufnummer 0190 / 5 88 85 81 50 (0,62 €/min), in dem die Finanzkraft von 73 Lebensversicherer nachzulesen ist, oder einer Computeraktion. Weitere Informationen dazu im Internet unter www.capital.de.)
Wie groß ist meine Finanzlücke?
Wer bereits eine Kapital-Lebensversicherung besitzt und damit vielleicht seine Immobilie finanziert, sollte sich über eine mögliche Finanzlücke bei seinem Kapitalaufbau informieren. Die Versicherungsgesellschaften weisen nicht automatisch im Versicherungsverlauf auf diese Lücke hin. Wenden Sie sich also an Ihre Gesellschaft und verlangen Sie Informationen über die aktuelle Überschussbeteiligung! Lassen Sie sich auch ausrechnen, welchen Einfluss die aktuelle Entwicklung auf die Auszahlung am Laufzeitende hat! Nur wenn Sie wissen, wie groß die Lücke ist, können Sie überlegen, wie Sie sie stopfen.
Aussitzen, aussteigen, ausbauen?
Die schlechteste aller Problemlösungen ist die vorzeitige Kündigung der Lebensversicherung, weil nahezu immer ein Verlustgeschäft. Für Versicherungsnehmer mit kurzer Restlaufzeit kann es sich lohnen, die Versicherung ruhen zu lassen. Dafür muss der Versicherte dann aber Abschläge in Kauf nehmen und erhält am Vertragsende eine geringere Auszahlung. Um diese auszugleichen, müssen die eingesparten Versicherungsbeiträge so angelegt werden, dass sie eine höhere Rendite erzielen als mit der Kapital-Lebensversicherung.
Wer die erwartete Ablaufleistung der Versicherung in voller Höhe benötigt, beispielsweise um eine Immobilienfinanzierung zu bedienen, muss seinen Vermögensaufbau auf eine zusätzliche Säule stellen. Ergänzend zur laufenden Kapital-Lebensversicherung muss dann in eine weitere Anlage investiert werden. Egal welche und mit welcher Rendite, eine bestimmte Summe sicher zu erhalten wird nach der aktuellen Senkungsrunde bei den Überschussbeteiligung auf jeden Fall teurer.
3satBörse online, Capital
<center>
<HR>
</center>
|