Gold... und keiner redet davon
Christoph Fehr, 25.05.01 00:10h
Das Gold hat in den letzten Tagen eine formidablen Kurssprung vollzogen. Davon will man jedoch nicht in der Welt des Investment-Bankings keine allzu grosse Notiz nehmen und auch die Medien schweigen sich über Gold aus. Wie geht es beim Gold nun technisch weiter und womit ist dieses Schweigen zu erklären?
I Die Technik im Gold
Die Gründe für den Anstieg sind nicht klar auszumachen. Sie reichen von Überlegungen, dass Gold beim Bau von Katalysatoren Verwendung finden könnten über Inflationsängste, bis zu Spekulationen, dass da noch ein paar"ungedeckte Checks" in derivaten Positionen offen sind.
QUELLE: ak.research
Grundsätzlich sieht die technische Konstellation im Gold bullisch aus. Wenn ich"grundsätzlich" schreibe, dann will ich mich damit nicht um eine klare Meinung drücken, sondern zum Ausdruck bringen, dass es nun ganz entscheidenden ist, an welchen Typ von Anleger man sich wendet. Wer auf den schnellen Gewinn aus ist, der muss sich noch gedulden. Wer jedoch Zeit hat und nicht jeden Tag auf seine Position schielen muss, weil er sich vielleicht gegenüber einem ungeduldigen Kunden rechtfertigen muss, der kann jetzt schon sukzessive Positionen aufbauen.
Nach dem letzten starken Kurssprung auf knapp USD 300 ist nun eine Konsolidierung angesagt. Dabei zeichnet sich erst in vagen Konturen ab, in welcher Form das geschieht. Wenn man sich die grosse, dem Kurssprung vorausgegangene Formation vor Augen hält, dann sieht es sehr danach aus, als ob es sich bei dieser (sie zieht sich vom Krisenherbst 1999 bis Februar/März 2001 hin) um einen fallenden Keil handelt. Diese Formationen haben die Eigenschaft, dass ihnen zwar impulsive Ausbrüche folgen, aber bevor bei diesen dann wirklich die"Post abgeht", oft noch ein Rücktest erfolgt. Das entsprechende Niveau läge im Falle des Goldes um ca. USD 260. Und hier liegt das Problem für die kurzfristig ausgerichteten Anleger, die sich z.B. mit derivaten Instrumenten im Gold engagieren. Können Sie, falls sie zu diesem Anlegertyp gehören folgende Berg- und Talfahrt mit machen?
Kurzfristige Konsolidierung und dann noch einmal eine rasche, impulsive Bewegung auf USD 300/310.
Von da aus vermutlich ein ebenso zügiger Abriss, der Gold noch einmal in den o.e. Bereich um 260/270 drückt.
Konsolidierung um diese Niveaus herum bevor dann die Reise nach oben mit deutlich mehr"Benzin im Tank" losgeht.
Diese Konsolidierung kann ihre Zeit dauern. Weshalb? Ein Leser hat mich auf die technischer Interpretation des Goldpreises von Herr Dr. Clive Roffey aufmerksam gemacht. Dieser sieht den Ausbau einer rieseigen Kopf-Schulter-Formation, die sich zeitlich von Beginn 1998 bis in die Gegenwart erstreckt. Die letzte Bewegung im Gold wäre dann Bestandteil der rechten Schulter. Die Nackenlinie läge um USD 300/310. Das würde zum oben skizzierten Szenario passen, dass man sich als kurzfristig orientierter Anleger über sehr gute Nerven ausweisen muss. Wer hingegen Zeit hat, der soll und kann sich engagieren, denn die mögliche Talfahrt auf USD 260/270 nimmt sich gegenüber dem technisch errechenbaren Zielbereich von USD 420-450 als ein bescheidenes Übel aus.
II Das Schweigen über Gold
Derselbe Leser, der den o.e. Techniker zitiert hat, hat folgende Fragen gestellt:
"Ich beobachte intensiv ntv. Was mir auffällt ist, dass es den Redakteuren sichtbar weh tut positiv über Gold zu sprechen,
den ähnliche Eindruck bekomme ich beim Lesen der NZZ, Finanz und Wirtschaft etc. und auch invest.ch hat die außerordentlichen Gewinnchancen im Goldminenbereich 'kümmerlich' kommentiert (glaube zweimal darauf eingegangen)
was ist der grund dafür? Gibt es ungeschriebene Gesetzte (bei den Profis)? Hat man Angst eine Lawine loszutreten die nicht gewollt ist? Was sind die Hintergründe? Oder sind aller irgendwo in einer Abhängigkeit die der Normalbürger nicht kennt?"
Was die Aussage betrifft, dass wir uns an dieser Stelle zu wenig um Goldminenaktien gekümmert hätten, muss dem Leser bis zu einem gewissen Grade recht gegeben werden. Man kann die Augen nicht immer überall haben. Aber Gold war immer ein Thema und zwar nicht einfach im Sinne als Anlageobjekt, sondern auch in seiner tieferen systemischen Bedeutung. Und damit komme ich auch schon zu den anderen Fragen, nämlich die, wenn man es kurz zusammenfassen will"Tabuisierung" der Goldfrage.
Es sind sehr vielfältige Gründe welche zu dieser"Tabuisierung" respektive Vernachlässigung der Goldfrage führen. Es ist durchaus ein Thema für eine tiefgründigere Analyse, die ich, falls gewünscht, gerne nachliefern werden. Hier können nur einige Punkte angetippt werden:
1. Gold ist nur ein Rohstoff
Ja das ist es auch. Und als solches hat es"natürlich" für die Wertschriftenindustrie, die sich vornehmlich mit Aktien, Obligationen und derivaten Instrumenten auseinandersetzt kaum eine Bedeutung. Rohstoffe als Anlagealternative? Das wird oft als Teufelszeug angesehen. Welcher Anlageberater zieht ernsthaft Engagements in Weizen, Aluminium oder Zucker in betracht. Gefährlich, unseriös. Bestenfalls wird mal etwas in Minenaktien gemacht. Aber auch dies, so will es mir scheinen, nicht mit allzu viel Enthusiasmus.
2. Unwissen und Ignoranz
Wie gesagt: Gold ist in der Tat ein Rohstoff, jedoch insofern ein spezieller, als er in den freien Märkten zum wohl historisch gesehen wichtigsten Tauschmedium erkürt worden ist. Gold ist praktisch zum Synonym für Geld geworden, was zu einer teilweise übertriebenen Mystifizierung geführt haben mag. Nun ist vielen Anlageberatern Gold in dieser Funktion nicht allzu bekannt. Ja man weiß, es gab einmal so einen Goldstandard. Aber wie hat der angehimmelt Keynes mit einem seiner eloquent vorgetragenen und sich leicht zu merkende, jedoch äußerst dümmlichen Zitaten gesagt: Gold ist ein barbarisches Relikt. Und wenn das eine Ikone der Ã-konomie der zudem noch geadelt worden ist sagt, dann muss es wohl stimmen. Der Vorteil solch süffiger Zitate: sie sind leicht zu merken und man kann sich mit Berufung auf den Oberzampas der Ã-konomie die Auseinandersetzung mit Gold, Goldstandard etc. sparen. Nun wäre es unfair, diesen Beratern allein die schuld in die Schuhe zu schieben, denn woher sollen sie denn um die tieferen Implikationen von Gold im Währungs- und Wirtschaftssystem wissen? Wo wird denn das noch in extenso gelehrt? Wer kennt denn überhaupt z.B. die Werke von Ludwig von Mises oder Murray Rothbard?
3. Gold als freies Geld und Alternative zur Papier- und Zettelwirtschaft
Darin liegt der wesentliche Grund, weshalb die Goldfrage tabuisiert wird. Gold ist jenes Metall, das sich in freien (!!!!!) Märkten als Tauschmedium durchgesetzt hat. Es war somit nicht Geld von Regierungs- oder Zentralbank-Gnaden. Natürlich haben die Fürsten und Könige immer wieder versucht auch das Gold zu manipulieren. Z.B. durch Münzverschlechterung. Dieser Betrug war jedoch nicht immer sehr ergiebig und zudem auch für nicht Finanzspezialisten zu durchschauen. Im späteren Verlauf hat sich denn auch der Trend durchgesetzt, dass die Regierungen Gold immer mehr ausmanövriert haben und zum Papiergeld übergegangen sind. Eine sehr gute Zusammenfassung und theoretische Einführung zu diesen Prozessen hat Murray Rothbard in seinem Buch"The Mystery of Banking" gegeben. Das Buch ist in elektronischer Form auf der Website des Ludwig von Mises Instituts www.mises.org verfügbar. Meines Erachten ist es ein Muss für einen jeden, der sich für freie Wirtschaftssystem und Wirtschaftsgeschichte interessiert, jedoch keine Lust hat riesige Folianten zu lesen.
Murray Rothbard propagiert in seinen Schriften, die immer phantastisch zum Lesen sind, vereinfacht geasgt, einen hundertprozentigen Goldstandard und eine 100%-Reserve Banking. Letzteres heisst, dass eine Bank pro Franken der als Ersparnis eingelegt wird oder den sie am Kapitalmarkt entweder in Form von Aktien- oder Obligationenemissionen aufnimmt nur einen Franken als Kredit weitergeben kann.
Nun braucht es nicht mehr viel Phantasie sich vorzustellen, in welche Bredouille unsere Regierungen kämen, wenn man ein reines auf Gold basierendes Währungssystem aufbauen würde:
Zentralbanken wären völlig überflüssig. Damit entfielen alle Möglichkeiten der Manipulation von Kredit und Währungen. Wirtschaftszyklen verschwänden und damit könnte man auch die Wirtschaftspolitik beerdigen (inklusive aller Ämter die in besserwisserischer Manier am Wirtschaftssystem herumfiedeln.)
Defizite des Staates könnten nicht mehr monetarisiert werden. Kostenwahrheit würde herrschen, d.h. man müsste die neuen Ausgaben mittels Steuererhöhung durchsetzen und Kreditaufnahmen würde schwieriger.
Ein weltweiter Goldstandard würde auch die Wechselkurspolitik und Handelspolitik überflüssig machen, denn wenn überall Gold akzeptiert wird, dann sind Wechselkurse im Kern nur noch Austauschrelationen zwischen unterschiedlichen Gewichten der in verschiedenen Ländern verwendeten Goldmünzen. Diese umfassende Währungsstabilität basierend auf einer freien Währung, die vom Markt erkürt wird, wäre eine entscheidende Basis für die Prosperität der Menschheit.
Gewinnmöglichkeiten der Banken kämen unter Druck: Rothbard interpretiert ja das Fed als Zentrum eines Bankenkartells. Auch wenn man sich dieser radikalen Sichtweise nicht anschließen will, ist doch klar, dass ein fractional reserve Bankensystem, so wie es heutzutage existiert ohne Zentralbank nicht denkbar wäre. Schon gar nicht in einem freien auf Gold basierenden Währungssystem. Denn wer mehr Zettel emittiert als er an Reserven hat, ist eigentlich dann immer schon halb tot, denn über kurz oder lang werden ihm die Zettel präsentiert. Und wehe es hat pro Zettel nicht die entsprechenden Reserven in der Kasse: Game over tilt!
Das sind nur einige Punkte die anzusprechen sind. Sie sind jedoch in all ihren Implikationen, die hier nur angedeutet werden konnten schon genügende gute Gründe warum all jene die auf ein System mit staatlich sanktionierten und von Staatsschulden gedeckten Zettel setzen, das Gold wie der"Teufel das Weihwasser" fürchten. Darum das Stillschweigen über Goldpreishaussen: sie sind immer auch ein Misstrauensvotum in eine gegebene Finanzordnung. Es sei hier nur an die Implosion des Bretton-Woods-Systems in den Jahren 1968-1973 erinnert.
Vielleicht noch dies zum Schluss: Es fällt doch auf, dass die Zentralbanken noch immer die größten Goldhorter der Welt sind. aber warum trennen sie sich denn nicht vollständig von dieser Beständen an barbarischem Metall? Weshalb legen sie es nicht ganz in toll rentierende sichere Staatsanleihen der USA, Deutschlands etc. an?
Die Begründung hat der geniale Ã-konom Ludwig von Mises geliefert: Es ist das Regressions-Theorem. Es besagt, kurz und bündig, dass ein Geld nie ex-nihilo vom Staat den Bürgern aufgezwungen werden kann, sondern dass es letztlich immer eine Verbindung zu einem von den freien Märkten ursprünglich akzeptierten Geld haben muss. Dabei kann es sich durchaus um einen sehr dünnen, wenn man will seidenen Faden handeln. Wenn nun die Zentralbanken ihrer Logik folgend alles Gold auf den Markt werfen würden, gingen sie nicht nur der Möglichkeit verlustig, den Goldpreis weiter zu steuern, sondern der seidenen Faden zu wahren, freien Geld (= Gold) würde zerrissen. Jedem Bürger wäre dann auch klar, dass er nur Papier in der Hande hält, wenn er eine Banknote hat, dass diese nur auf vagen Zahlungsversprechen von Staaten beruhen und die Unterschriften der Zentralbankpräsidenten auf den Noten niemanden zu irgendwas verpflichten.
Konklusion
Darum: Ich erwarte noch einmal eine ganz hässliche Schlacht zwischen Gold und Papiergeld. Zu dieser Schlacht gehört auch totschweigen, verharmlosen.
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