Wenn die Dollarblase platzt
JOACHIM FELS, Morgan Stanley
Die sieben fetten Jahre für den Dollar dürften sich allmählich dem Ende zuneigen. Zuletzt hat er gegenüber den Hauptkonkurrenten Yen und Euro noch einmal zulegen können. Aber die Leitwährung der Welt ist mittlerweile so stark überbewertet wie seit Mitte der achtziger Jahre nicht mehr. Und ebenso wie am Aktienmarkt müssen Kursblasen auch am Devisenmarkt letztlich platzen.
Wann die Dollarblase platzt, vermag niemand zu sagen. Ein potentieller Auslöser könnten weitere Firmenpleiten à la Enron sein. Sie würden den bisher großen Appetit der internationalen Anleger auf amerikanische Aktien und Unternehmensanleihen untergraben und damit den riesigen Kapitalzustrom nach Amerika versiegen lassen.
Ein weiterer potentieller Auslöser wäre ein erneuter Einbruch der amerikanischen Konjunktur, die sich derzeit auf dem Erholungspfad befindet. Ein solcher"double dip" würde das Vertrauen in die Allmacht Alan Greenspans schmälern und die Regierung in Washington auf den Plan rufen, von ihrer Politik des starken Dollar abzurücken, um die Exporte zu stimulieren.
Wenn die Dollarblase platzt, gibt es eigentlich nur einen Kandidaten, der den Investoren in aller Welt einen sicheren Hafen mit einer breiten Auswahl an interessanten Anlagemöglichkeiten bieten kann - den Euro. Japan wird sich auf absehbare Zeit mit Händen und Füßen gegen eine deutliche Aufwertung des Yen wehren. In Europa dagegen wäre ein stärkerer Euro willkommen - die Inflationsraten würden endlich merklich fallen, und die Europäische Zentralbank könnte die Zinsen weiter senken.
Für eine deutliche Aufwertung des Euro in den nächsten Jahren spricht einiges. Erstens ist der Euro gegenüber dem Dollar nach dem Bewertungsmodell von Morgan Stanley derzeit um etwa 10 Prozent unterbewertet - dies ist die größte Abweichung des Euro von seinem fairen Wert seit Beginn der Währungsunion.
Zweitens sind die Aussichten für ein dauerhaft höheres Wachstumstempo in der Wirtschaft des Euro-Raums allen Unkenrufen zum Trotz ausgezeichnet. Die Deregulierung vieler Gütermärkte der letzten Jahre sowie der Wettlauf der Regierungen bei der Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuersätze erhöhen die Handlungsmöglichkeiten und die Leistungsanreize für die Bürger und die Unternehmen. Auch sind Europas Arbeitsmärkte dank des Vormarsches von befristeten Beschäftigungsverhältnissen und Teilzeitjobs weit weniger sklerotisch als in der Vergangenheit. Jeder Prozentpunkt zusätzlichen Wirtschaftswachstums schafft daher mehr Stellen als früher. In fünf Jahren könnte die Arbeitslosigkeit im Euro-Gebiet auf das derzeitige amerikanische Niveau von 5,5 Prozent sinken.
Drittens wird der Euro davon profitieren, daß sich das Vereinigte Königreich und Schweden allmählich mit dem Gedanken an den Beitritt zur Währungsunion anfreunden dürften. Das Vereinigte Königreich ist attraktiv für ausländische Direktinvestitionen, die dann dem Euro helfen würden. Außerdem verschärft der Beitritt zweier wirtschaftlich gesunder Länder den Wettbewerb um mobiles Kapital innerhalb der größeren Währungsunion. Damit würde sich der Reformdruck weiter erhöhen.
Viertens haben sich die großen Abflüsse von Portfolioinvestitionen der Jahre 1999 und 2000 im Verlauf des vergangenen Jahres in einen (noch mageren) Zustrom verwandelt. Dies ist vorerst ausschließlich einem hohen Nettozufluß in europäische Aktien zu verdanken, der die Nettoabflüsse im Rentenbereich mehr als ausgeglichen hat. Einiges spricht dafür, daß sich der positive Saldo der Portfolioinvestitionen im Euro-Raum im laufenden Jahr weiter erhöht.
Und fünftens dürfte eine Trendwende des Euro auch die Notenbanken der Welt auf den Plan rufen. In den letzten zehn Jahren haben sie einen immer größeren Anteil ihrer Devisenreserven in Dollar angelegt. Mit einem Anteil von knapp 70 Prozent der Weltdevisenreserven (gegenüber gut 50 Prozent 1991) hat der Dollar einen riesigen Vorsprung vor dem Euro, der als zweitgrößte Reservewährung der Welt gerade einmal auf knapp 13 Prozent kommt. Wenn die Dollarblase platzt, werden auch die Notenbanken Reserven in den Euro umschichten wollen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.02.2002, Nr. 41 / Seite 33
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