ZUSAMMENFASSUNG:
- Kurze Geschichte der Opposition gegen den Zins
-------DAS KANONISCHE ZINSVERBOT UND SEINE ÜBERWINDUNG
-------DIE REAKTIONÄRE ZINSGEGNERSCHAFT DER SOZIALISTEN
- Kurzgefaßter Einwand gegen die marxistische"Ausbeutungstheorie"
- Die logisch-ökonomische Rechtfertigung des Zinses
-------DIE WERTDIFFERENZ ZWISCHEN GEGENWARTS- UND ZUKUNFTSGÜTERN
-------DIE LOGISCH-Ã-KONOMISCHE NOTWENDIGKEIT DES ZINSES AUFGRUND DIESER DIFFERENZ
------------Darlehenszins
------------Der Zins bei der Vermietung von Nicht-Produktionsgütern
------------Der Kapitalzins in der unternehmerischen Produktion
- Schluß: Konsequenzen und eine Bemerkung zur Zinshöhe
Hallo
Der Zins ist, wie uns viele, viele Postings in den letzten Tagen gezeigt haben, nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ein Weltanschauungsproblem. Lange war das verzinsliche Darlehen im Christentum verpönt. Im Islam ist es das immer noch. Popeye hat mit bewundernswertem Akribie eine kleine Enzyklopädie des Zinsverbotes zusammengetragen. Der Grund für diese Zinsfeindlichkeit dürfte wohl darin liegen, daß es sich in früheren Zeiten hauptsächlich um Konsumtivkredite, um Notdarlehen, handelte, bei denen sehr häufig angesichts der Not des Schuldners die Erzwingung eines Aufgeldes als ungebührliche Härte erschien. Wo aber die Geldwirtschaft sich stärker zu regen begann und die produktive Verwertbarkeit von Geld sich in den Vordergrund schob, setzte sich trotz aller himmlischen und irdischen Strafen das Zinsnehmen in der Praxis immer wieder, teils unverhüllt, teils in mannigfachen Verkleidungen durch. Bereits zu einer Zeit, in der die kanonistische Doktrin noch auf dem Gipfel äußeren Ansehens stand, setzte die wirtschaftliche Praxis eine Reihe direkter und indirekter Ausnahmen vom Zinsverbot durch. Angesichts des immer mehr zunehmenden Widerstandes der Praxis erhoben sich für aufmerksame Beobachter der Menschen und Dinge immer mehr Zweifel, ob der Zins seinen Grund wirklich nur, wie die Kanonisten meinten, in der Bosheit und Herzenshärte der Menschen habe. Beginnend um die Mitte des 16. Jahrhunderts, schwillt die literarische Opposition gegen das Zinsverbot im Laufe des 17. Jahrhunderts rasch und mächtig an und erlangt bei dessen Ausgang so entschieden das Übergewicht, daß sie im Laufe des 18. nur mehr mit vereinzelten Nachzüglern der kanonistischen Lehre zu kämpfen hat.
Als Ferdinando Galiani etwa im Jahre 1751 sein Meisterwerk, „Über das Geld“ veröffentlichte und darin überaus vorsichtig eine zinsfreundliche Position einnahm, scheint er sich ernsthafte Sorgen über die Reaktion der Kirche im erzkonservativen Neapel gemacht zu haben; - und war dann baß erstaunt, als niemand ein Haar in der Suppe fand! In England hatte Heinrich VIII. schon 1545 das Verbot des Zinsnehmens aufgehoben. In Frankreich war es um dieselbe Zeit allmählich zum „toten Recht“ geworden, wurde formell allerdings erst am 12. Oktober 1789 aufgehoben. In Deutschland erkannten die Territorien, namentlich im protestantischen Norddeutschland, vielfach schon im 16. Jahrhundert, wenigstens teilweise die Berechtigung des Zinsnehmens an. Und selbst in der Kirche ist das Zinsverbot - obwohl formell nie aufgehoben - dennoch heimlich und leise verschwunden.
Doch die sich so progressiv gebenden Reaktionäre ruhten nicht: Ein neuerlicher Weltanschauungssturm erhob sich gegen das Zinsnehmen. Diesmal aus der marxistisch-sozialistischen Ecke. Diese Lehre geht davon aus, daß die Arbeit das Maß aller Dinge sei, und bekämpft sohin jedwedes nicht durch Arbeit vermittelte Einkommen, insbesondere also Einkommen, die durch Geld vermittelt werden; - eben Zinsen!. Mit dieser Opposition, die in der einen oder anderen Weise meint, Zinsen liefen immer irgendwie auf eine „Ausbeutung“ hinaus, haben wir es auch hier im Forum zu tun.
Der Kampf gegen das zinswerbende Geld, den die Philosophen des Altertums eröffneten und die Kantonisten mit Leidenschaft aufnahmen, ist indes auch im Sozialismus zusammen mit diesem gescheitert. Nur in der Schmollecke des Elliott-Wave-Forums wird weiter wehmütig an der zugehörigen „Theorie“ gesponnen.
Angelpunkt dieser „Theorie“, wie überhaupt eines Großteils des sozialistischen Denkgebäudes, ist die zwar theoretisch völlig unhaltbare, Pennäler-Gemütern aber dennoch einleuchtende Lehre, daß „der Wert“ aller Güter durch die Menge an Arbeit bestimmt werde, die in dem Gut enthalten sei. Es würde zu weit führen, hier die historischen Wurzeln dieser Auffassung vom Wert nachzuzeichnen. Es möge der Hinweis genügen, daß schon die alltägliche Lebenserfahrung dieser „Arbeitswerttheorie“ hohnspricht: Ein Glas Wasser hat einen ganz unterschiedlichen Wert, der jedenfalls nicht das geringste mit der Beschaffungsarbeit zu tun hat, je nachdem, ob es einem Verdurstenden oder einem Ertrinkenden gereicht wird.
Wenn aber nicht die Arbeit, sondern etwas anderes, der Grund des Wertes der Güter ist, dann verliert das sozialistische „Ausbeutungsargument“, nicht nur seine ökonomisch-logische, sondern auch seine moralische Stütze. Anders ausgedrückt: Der Versuch der Sozialisten, den Zins mit dem Argument des Wertes der zur Hervorbringung der Güter notwendigen Arbeit zu bekämpfen, ist aus den damit dargelegten unerschütterlichen theoretischen Gründen von vornherein untauglich!
Daß die Gegner des Kapitalzinses mit logisch stumpfen Waffen kämpfen, bedeutet indes noch nicht, daß sie Unrecht haben. Die Frage ist also, ob es irgendeine rechtfertigende Erklärung für den Zins gibt. Die Tatsache, daß er sich trotz aller Verbote über die Jahrhunderte hinweg durchgesetzt hat, ist dafür zweifellos ein positives Indiz. Am Anfang des 14. Jahrhunderts konnte Papst Clemens V. so weit gehen, daß er auf dem Konzil von Vienne (1311) weltliche Obrigkeiten, die es wagten, zinsfreundliche Gesetze zu erlassen (oder solche bereits erlassenen Gesetze nicht binnen drei Monaten aufzuheben), die Exkommunikation androhte. Und doch wurden, all dem zum Trotz, ununterbrochen und emsig Kapitalien gegen Zins verliehen.
Der Schlüssel für eine logisch-ökonomisch begründbare Notwendigkeit des Zinses liegt in der unterschiedlichen (psychologischen) Bewertung gegenwärtiger Gütersummen im Vergleich zu [/i]künftigen[/i] Gütersummen. XSurvivor hatte neulich dafür ein wunderhübsches Beispiel (das er freilich genau andersherum deuten wollte). „Was ist Dir lieber“, fragte er, „ein Million Euro in bar oder den Verkaufswert (netto natürlich, also inkl. Verkaufskosten!) von einer Million Euro in Kartoffeln?“ Keine Frage! Jeder zieht die gegenwärtige Barsumme vor! Denn eine Million jetzt ist uns lieber, als eine Million in 10 Wochen. So lange mag es dauern, bis die Kartoffeln verkauft sind! Ganz abgesehen vom Risiko, sie nicht oder nicht alle verkaufen zu können oder der Möglichkeit, daß der Käufer nicht bezahlt oder nicht rechtzeitig bezahlt u.s.w.
Infolge einer ganzen Reihe von Umständen stellt sich also zwischen gegenwärtigen und künftigen Gütern ein Schätzungs- und Austauschverhältnis heraus, das sich regelmäßig zugunsten der ersteren neigt. Aus dieser Grundtatsache gehen die verschiedenen Erscheinungsformen des Kapitalzinses hervor.
Beim Darlehenszins ist das ohne weiteres klar. Aber auch beim Mietzins für den zuletzt von dottore erwähnten, entliehenen Regenschirm von XSurvivor oder für sonstige nichtproduktive Dauergüter wie z.B. Wohnungen ergibt sich regelmäßig ein Überschuß über die Amortisationsquote, die einen Netto-Zins übrigläßt, der sich durch einige Zwischenglieder hindurch aus der entsprechend niedrigeren Schätzung der erst in späteren Jahren beziehbaren Nutzungen dieser dauerhaften Güter ergibt. Jeder Mittelschüler in der 10. Schulstufe kann die entsprechende Barwertberechnung durchführen, wenn er den Wert der gegenwärtigen Summe und den der zukünftigen Summen kennt.
Die Erklärung des ursprünglichen Kapitalzinses der Produktionsunternehmer schließlich knüpft daran an, daß die vom Unternehmer angekauften und seine Kosten darstellenden Produktionsgüter (Rohstoffe, Werkzeuge, Arbeit) ihrem wirtschaftlichen Charakter nach eigentlich „Zukunftsgüter“ sind, denn in ihrem gegenwärtigen Zustand sind sie für die Befriedigung der Bedürfnisse der Kunden unseres Unternehmers ja noch unbrauchbar. Erst nach ihrer Umwandlung zu fertigen Produkten im Produktionsprozeß reifen sie zu Gütern heran, die der Unternehmer verkaufen kann und die ein Bedürfnis eines Konsumenten befriedigen. Dieser Umstand beeinflußt ihren Wert und Preis in folgender Weise: Der Wert der Produktionsgüter richtet sich im allgemeinen nach dem Wert der Produkte, die man mit ihnen erzeugen kann. Demgemäß stellt man z.B. eine Summe von Produktionsmitteln, mit welchen man nach Ablauf z.B. einer einjährigen Produktionsperiode 105 Zentner Weizen herstellen kann, im Werte diesem ihrem voraussichtlichen Produkt, also 105 nächstjährigen Zentnern Weizen, gleich. Da nun aber - wegen der Wertdifferenz zwischen Gegenwarts- und Zukunftsgütern - diese nächstjährigen 105 Zentner im Wert nur 100 heutigen Zentnern entsprechen, reduziert sich natürlich auch der Tauschwert der eingesetzten Produktionsmittel auf den Wertbetrag von 100 gegenwärtigen Zentnern Weizen ausgedrückt als gegenwärtiger Kaufpreis. Damit bleibt für den Unternehmer beim Verkauf ein Wertgewinn entsprechend 5 Zentnern, der darauf zurückzuführen ist, daß die anfänglich nur als Zukunftsware geschätzten unreifen Produktionsgüter in der Hand des Unternehmers zum fertigen gegenwärtigen Genußgut herangereift und somit nun in den „Vollwert“ gegenwärtiger Güter hineingewachsen sind.
So läuft diese ganze theoretische Betrachtung denn auf die simple Feststellung hinaus, daß die Wirtschaft schlicht zum Stillstand kommen würde, wenn es keine Zinsen gäbe; weil niemand unter diesen Umständen Geld verleihen, Investitionen tätigen und Güter erzeugen würde. So wie ein Uhrwerk zum Stillstand käme, wenn man nur ein Zahnrad entfernt. Die konkrete Höhe des Kapitalzinses dagegen ist eine bloß praktische Frage. Sie richtet sich im wesentlichen nach dem Verhältnis von Angebot an und Nachfrage nach Kapitalien in einem Lande.
Grüße und gute N8
G.
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