Der ehemalige ZDF-Journalist und Nahostexperte Ulrich Kienzle über einen drohenden Angriff auf Saddam Hussein
Einen Angriff auf Irak hält der Nahost-Kenner Ulrich Kienzle militärisch zwar für möglich, wegen seiner Konsequenzen jedoch nicht für umsetzbar. Im Gespräch mit heute.online beschreibt der langjährige ZDF-Journalist orientalische Bündnispolitik, amerikanische Kriegswut und atomare Risiken.
heute.online: Die Amerikaner planen einen Angriff auf den Irak. Offiziell geht es um den Kampf gegen Terror, inoffiziell geht es um Ã-l. Was würde ein solcher Angriff für die Region bedeuten?
Ulrich Kienzle: Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass der Irak auseinanderfällt. Dann fürchtet die Türkei, dass ein Kurdenstaat entstehen könnte. Die Kurden wollen seit 2000 Jahren einen eigenen Staat. Diese Angst haben auch Syrien und Iran. Große Angst hat ebenfalls Saudi-Arabien, weil dann ein schiitisches Regime entstehen könnte, also neben dem Iran ein zweiter Gottesstaat.
heute-online: Die Diktatur Irak stabilisiert also die Region?
Ulrich Kienzle: Was die Diktatur angeht, da ist man dort großzügig. Saudi-Arabien ist selbst kein Muster an Demokratie. Deshalb ist die Angst nicht so groß vor Saddam, weil ein geschwächter Saddam zumindest die Garantie dafür ist, dass das Regime nicht kollabiert. Wenn das Land kollabiert weil die Amerikaner einrücken, dann entsteht ein Pulverfass im Nahen Osten. Verglichen damit ist der libanesische Konflikt ein Witz gewesen, auch Afghanistan.
heute-online: Die Diktatur Irak stabilisiert also die Region?
Ulrich Kienzle: Was die Diktatur angeht, da ist man dort großzügig. Saudi-Arabien ist selbst kein Muster an Demokratie. Deshalb ist die Angst nicht so groß vor Saddam, weil ein geschwächter Saddam zumindest die Garantie dafür ist, dass das Regime nicht kollabiert. Wenn das Land kollabiert weil die Amerikaner einrücken, dann entsteht ein Pulverfass im Nahen Osten. Verglichen damit ist der libanesische Konflikt ein Witz gewesen, auch Afghanistan.
Ich sage nicht, dass man Saddam nicht vertreiben kann, das ist militärisch durchaus möglich, aber was danach politisch folgt, das ist die große Frage. Denn den Irak gibt es nicht.
Der Irak besteht aus mindestens drei großen Teilen. Da sind die Schiiten im Süden, das ist die Mehrheit der Bevölkerung, dann ist da der kurdische Norden und in Bagdad die sunitische Minderheit, die seit Jahrhunderten regiert. Wenn dieses komplizierte Gleichgewicht zerstört wird, dann besteht große Gefahr. Deshalb sind die Saudis durchaus interessiert daran, das Regime Saddam zu halten. Die Region ist also ziemlich kompliziert, viel komplizierter, als es die Amerikaner begreifen wollen.
heute.online: Sehen die Amerikaner die Risiken nicht?
Ulrich Kienzle: Das ist schwer zu beurteilen, ob die USA das sehen. Die Amerikaner sind durch den Erfolg in Afghanistan etwas locker geworden im Umgang mit Kriegen. Ich halte die Leute hinter Bush für relativ rational, aber es gibt im Augenblick eine Fraktion, die gemerkt hat, dass man mit Krieg Politik machen kann. In Afghanistan konnte man mit einem Luft- und ein bisschen Bodenkrieg ein Regime aus dem Sattel werfen. Das hat dazu geführt, dass es in Washington Leute gibt, die jetzt vermehrt auf die militärische Karte setzen. Damit steht ein rationaler, technischer Krieg gegen orientalische Schläue. Das ist kompliziert.
heute.online: Angenommen es kommt zu Kampfhandlungen auch am Boden. Können Sie sich vorstellen, dass es eine Art zweite Nordallianz gibt, also einheimische Truppen, die die USA unterstützen?
Ulrich Kienzle: Das hat es ja schon mal gegeben. 1996 machte die CIA den Versuch, gemeinsam mit den Kurden Saddam zu stürzen. Das ist damals misslungen. Auch der Versuch der Schiiten ging schief, damals haben die USA die Opposition im Stich gelassen. Jetzt gibt es keine einheitliche Opposition mehr und keine Figur, die Saddam ersetzen könnte. Das ist die Schwäche. Aber ich glaube nicht, dass es zu einem Einmarsch kommt.
heute.online: Wieso nicht?
Ulrich Kienzle: Die Gefahr für einen tatsächlichen Einsatz und die Beteiligung der Deutschen sehe ich nicht, die Gefahr ist gering. Saddam hat sich bisher relativ rational verhalten. Er hat zwar Raketen nach Israel geschossen und hat auch gedroht, aber er hat kein Giftgas verwendet, obwohl er es hatte. Die Amerikaner hatten ihm in diesem Fall mit Atombomben gedroht. Und das ist jetzt wieder so. Ich nehme an, dass er nicht zu seinen Raketen greifen wird, weil der Gegenschlag ein atomarer ist.
heute.online: Was glauben Sie, wie Saddam sich verhalten wird?
Ulrich Kienzle: Ich denke, dass Saddam so clever ist, die UN-Waffeninspektoren wieder reinzulassen. Ob die etwas sehen und was sie zu sehen bekommen, ist eine andere Frage. Auf diese Weise entkräftet er das Hauptargument der USA. Die CIA sagt selbst, Irak hat mit dem 11. September nichts zu tun. Also, hier geht es nicht um Terrorismus, hier geht es um geostrategische Dinge wie Ã-l. Saddam hat einen sehr guten Geheimdienst. Die Kontrolle über das Land ist nahezu vollkommen. Solange niemand aus dem Geheimdienst, jemand aus dem innersten Kern Saddam putscht, wird es sehr, sehr schwierig, ihn zu beseitigen.
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