Das Gegenargument, wonach nach 998 (nicht 999, weil sonst keine 1000stel, sondern 1001stel!) gezogenen weissen Kugeln die Wahrscheinlichkeit minimalst sein muss, dass gerade jetzt die schwarze gezogen wĂŒrde, kann ich nur durch folgende Ăberlegung in Zweifel ziehen: Das hĂ€tte zum Ergebnis, dass die Chance, die schwarze Kugel zu ziehen, mit jeder gezogenen weissen KLEINER wird, nicht grösser!
Aber zum GrundsĂ€tzlichen: Ich meine in der Tat, erkannt zu haben, was der Grund fĂŒr die unĂŒberwindlichen GrĂ€ben in diesem mit dem Ziegenproblem letztlich identischen Sachverhalt verursacht: Die unterschiedliche Betrachtungsweise, einmal ex-post (Bayes, JĂŒKĂŒ und die groĂe Mehrheit), einmal ex-ante (dottore und seine kleine, feine Gruppe von Meinungsgenossen, mich eingeschlossen). Vielleicht liegt hier des Pudels Kern: Klassisches Beispiel von Aneinander-Vorbeireden?!
Ehrlich gesagt, kann ich mit"a posteriori Wahrscheinlichkeiten" nichts anfangen - bin also durchaus offen fĂŒr entsprechende Zurechtweisungen. Aber ich denke, dass es sowohl bei den Ziegen als auch den Weisskugeln im KONKRETEN Sachverhalt um EX-ANTE-Wahrscheinlichkeiten geht. In beiden FĂ€llen muss ich mich JETZT entscheiden, nicht ex-post.
Da es noch nicht so abgedroschen ist wie das Ziege-Auto-Dilemma, hier nochmals der Sachverhalt hinsichtlich der Kugeln:
In einem Sack befindet sich eine Kugel, die zu je 50% Wahrscheinlichkeit eine weisse oder schwarze ist. Danach legt man eine weisse dazu, vermischt die beiden, und zieht eine Kugel: Es steht fest, dass eine weisse gezogen wurde.
Die Fragestellung: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch die zweite, noch im Sack verbliebene Kugel weiss ist?
MEIN Lösungsweg dafĂŒr lautete immer: Nachdem die erste Kugel zu 50 % weiss ist, kann es nach Dazulegen der weissen Kugel NUR zwei Möglichkeiten hinsichtlich der Zusammensetzung der beiden Kugeln geben:
a) w und w
b) s und w,
wobei sowohl a) als auch b) jeweils 50%-ige Wahrscheinlichkeit haben.
Wenn nun FESTSTEHT, dass danach eine weisse gezogen wurde, so lautet das Ergebnis jeweils wie folgt:
fĂŒr a) die verbleibende Kugel MUSS weiss sein, weil ja zwei weisse drin waren, und
fĂŒr b) die verbleibende Kugel MUSS schwarz sein, weil die einzige weisse gezogen wurde.
Da auch diese Wahrscheinlichkeiten gleich hoch sind und aus dieser Betrachtungsweise kein weiteres Ergebnis möglich ist, lautet die Wahrscheinlichkeit, nach der bereits gezogenen weissen eine weitere weisse zu ziehen, 50 %.
Gut, so weit waren wir schon mal. Hirscherl, Yihi, d.o.c. usw. haben dies dahingehend widerlegt, dass dieser Lösungsansatz deshalb falsch sei, weil er nicht berĂŒcksichtige, dass in Wirklichkeit DREI Kugeln im Spiel seien: Erstens die (50%-!) weisse, die schon drin ist ("W1"), zweitens die mit Sicherheit weisse ("W2"), und die (50%-) schwarze Kugel. Es mache demnach einen Unterschied, ob die"100%-weisse" (W2) oder"50%-weisse" (W1) gezogen worden sei, und demnach bleibe immer noch eine zweite weisse im Spiel, weshalb die Chance auf eine zweite weisse nach der ersten auch doppelt so hoch sein mĂŒsse wie die Chance auf eine schwarze als"Zweitentnahme".
Somit haben wir zwei wohlbegrĂŒndete Ergebnisse, und nachdem unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten fĂŒr ein und dasselbe Ereignis in unserer Welt nicht möglich sind, kann die ErklĂ€rung fĂŒr die Diskrepanz nur darin liegen, dass jeweils von unterschiedlichen Ereignissen ausgegangen wird. Dies möchte ich damit untermauern, dass Hirscherl und Co. in Wirklichkeit nicht schlĂŒssig darlegen konnten, warum meine Sichtweise falsch sei - vielmehr sei die ihre die"richtigere". Leider tu ich mir ebenfalls noch ein wenig schwer, zu erlĂ€utern, warum die 2/3-Sichtweise unrichtig sei - meine Vermutung geht wie gesagt dahin, dass eine ex-post Sicht zugrunde gelegt wird, wo ich den Sachverhalt nur aus einer ex-ante-Sicht betrachten kann: Wie hoch ist die konkrete Wahrscheinlichkeit JETZT, wenn ich die zweite ebenfalls ziehe, dass sie weiss ist.
Zum Schluss möchte ich noch die Ergebnisse eines"real-life"-Experiments veröffentlichen, welches ich durchgefĂŒhrt habe. Dieses zu interpretieren, steht jedem frei; meine Interpretation soll aber auch nicht hintangehalten werden! ;-)
Ich nahm drei identische MĂŒnzen und einen Sack; eine der MĂŒnzen versah ich (wie von Hirscherl angeregt) mit einem schwarzen Punkt eines nicht-wasserlöslichen Stiftes (= die"schwarze"), die anderen beiden unmarkierten stellten die beiden weissen Kugeln dar. ---- Ich legte eine der unmarkierten K. zur Seite; sie sollte jene K. sein, die immer"dazugelegt" wird. Sodann nahm ich die beiden verliebenen (also je eine"schwarze" und eine"weisse") und gab sie in den Sack, schĂŒttelte ihn krĂ€ftig durch, und zog eine davon --> dies war die"50%-Wahrscheinlichkeit" hinsichtlich der ersten K. Diese"Kugel" behielt ich in der Hand, wĂ€hrend ich die andere aus dem Sack holte und weglegte (sie war hinsichtlich der 50%-Wahrscheinlichkeit, die immer am Beginn steht, quasi ausgeschieden), aber ich sah mir weder an, welche ich nun gezogen und vorlĂ€ufig behalten hatte, noch diejenige, die wie gesagt"ausgeschieden" war.
Die gezogene (nochmals: zu 50% weiss oder schwarz) legte ich danach wieder zurĂŒck in den Sack. Und die zweite"weisse" gleich hintennach. Wieder krĂ€ftig geschĂŒttelt, und dann zog ich die erste MĂŒnze (eigentlich: Kugel). Sie hatte (zufĂ€llig!) keinen Punkt, also unzweifelhaft"weiss". Die Aufgabenstellung wurde somit also bisher 100%ig erfĂŒllt. Und dann die Stunde der Wahrheit: Welche Farbe hatte nun die andere MĂŒnze? Nun, sie war (zufĂ€llig) schwarz.
So machte ich es insgesamt 42 mal. Wenn nach der anfĂ€nglichen 50%-Wahl (weiss oder schwarz fĂŒr die erste"Kugel") nun - entgegen dem eindeutigen Sachverhalt - eine schwarze gezogen wurde, so vermerkte ich dies, brach den Versuch ab, und begann wieder von vorn. In allen anderen FĂ€llen konnte ich klar notieren, was fĂŒr die jeweilige Stichprobe herauskam: weiss oder schwarz.
Das Ergebnis: Von den 42 Stichproben waren 19 weiss, 11 schwarz, und 12 waren"ausser Konkurrenz", weil entgegen der Aufgabenstellung die erste gezogene Kugel schwarz war.
Die gute Nachricht fĂŒr die 2/3-Fraktion: 19:11 nĂ€hert sich ganz klar dem von diesen vertretenen 2:1 VerhĂ€ltnis weiss:schwarz an. Daran gibts nichts zu rĂŒtteln.
ABER: SelbstverstĂ€ndlich war es (zunĂ€chst) ein Denkfehler meinerseits, die beschriebenen 12 FĂ€lle, wo aus den beiden Kugeln im Sack zuerst eine schwarze Kugel gezogen wurde, als"ungĂŒltig" oder"ausser Konkurrenz" zu betrachten. Denn sie sind LAUT SACHVERHALT in Wirklichkeit nicht geschehen, bzw. nicht"so"! Denn es wird ja IMMER zunĂ€chst eine weisse gezogen. Wenn aber AUCH in diesen FĂ€llen (die"Ausgangsposition" Ă€ndert sich ja nicht!) EBEN eine weisse gezogen worden wĂ€re, so ist völlig klar, dass danach AUSSCHLIESSLICH eine schwarze gezogen werden kann. Denn dass eine schwarze drinnen ist, ist ja gerade dadurch bewiesen, dass (zuerst) eine schwarze gezogen wurde!
Und dadurch wendet sich das Blatt dramatisch: Dann lautet das VerhĂ€ltnis nicht mehr 19:11 fĂŒr weiss, sondern 23:19 - FĂR SCHWARZ! Das lĂ€uft ganz klar auf die 1:1 (50:50) ParitĂ€t von weiss und schwarz hinsichtlich der zweiten Kugel hinaus.
Habe mich mit dem Ziegenproblem zwar nicht SO ausfĂŒhrlich wie mit den Kugeln beschĂ€ftigt, meine aber, dass das das gleiche in GrĂŒn ist: Die Chance auf das Auto ist immer gleich hoch wie auf die Ziege; der Moderator tut nichts anderes, als aus der zunĂ€chst dem Spieler erscheinenden 1/3 Chance eine 1:1 Chance zu machen, da eine Ziege eliminiert wird. Zumindest wenn man es"ex-ante" betrachtet, und der Spieler kann mE nur ex-ante entscheiden! Wozu also wechseln, wenn sich dadurch in punkto Wahrscheinlichkeit keine Verbesserung ergibt? Auch er hat hinsichtlich der ursprĂŒnglich getroffenen Wahl nur EINE Gewissheit: Entweder hat er das Auto schon, oder er hat eine Ziege. Rot oder schwarz? Gerade oder ungerade? Alles dasselbe: 1:1.
Gruss silvereagle, der jetzt ENDLICH auch seinen Senf zu dieser unlösbaren Debatte beitragen konnte! ;-)
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