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Da der ganze Text verdammt lang ist, habe ich hier als Auszug nur mal den angehängten Frageteil reingestellt.
Den kompletten Vortrag siehe Link unten.
<font size=5>Friedensaussichten im Mittleren Osten</font>
von Noam Chomsky
Vorgetragen auf dem ersten jährlichen Maryse Mikhail Vortrag
"Kein Frieden ohne Gerechtigkeit; keine Gerechtigkeit ohne Wahrheit"
Universität von Toledo, 4. März, 2001
Frageteil
Frage: Ich möchte Sie gerne bitten, bei der Beantwortung des Argumentes"Saddam Hussein hat diese Dinge mit unserer Hilfe getan" ein Schritt weitergehen. Was würden Sie antworten, wenn jemand sagen würde,"Oh, Sie haben recht, wir haben einen Fehler gemacht und wir versuchen ihn wieder korrigieren."
Antwort: Wie korrigieren wir ihn? Erstens mal, das ist eigentlich eine gute Antwort und sollte ehrlich gegeben werden. Also, wenn Bill Clinton, George Bush und so weiter sagen würden,"Ja, dieser Typ ist ein Monster. Wir müssen ihn loswerden, weil er mit unserer Unterstützung das ultimative Verbrechen verübt hat," wäre das ein Durchbruch. Dann könnten wir uns der Frage zumindest ehrlich stellen.
Und was wäre dann die logische Antwort? Nun, wenn er das Verbrechen mit unserer Hilfe verübt hat, wer wird bestraft? Nehmen wir an, er würde sagen,"Nun, es tut mir leid. Es war ein Fehler." Ist das genug? Nein, es ist nicht genug. Wenn jemand ein schweres Verbrechen begeht, dann hat er die Verantwortung dafür zu tragen. Clinton hat sich dem nicht widersetzt und George Bush wird seinem Vater nicht die Schuld geben.
Das ist die US-Politik. Das ist die Politik die ein Jahr nach dem anderen betrieben wird. Also könnte Saddam im Grunde sagen,"Ja, ich habe damals das Verbrechen begangen, aber jetzt bin ich ein besserer Mensch. Ich werde es nicht wieder tun." Das würden wir nicht akzeptieren. Wenn wir das Verbrechen verübt haben, sollten wir uns selbst fragen, wieso wir es getan haben. Und tragen wir dafür die Verantwortung? Und darüber hinaus sind wir wieder zurück bei der anderen Frage angelangt: besteht die angemessene Art damit umzugehen darin Saddams Macht zu stärken und die Bevölkerung zu verwüsten? Da dies niemand glaubt, schließen wir daraus, dass die Politik aus anderen Gründen betrieben wird, die wir herauszufinden versuchen sollten. Aber ich stimme Ihnen zu, dass dies ein großer Schritt nach vorne wäre, wenn jemand sagen würde,"Ja, er hat das Verbrechen mit unserer Hilfe begangen". Das wäre ein netter Schritt nach vorne.
Frage: Was ist mit der schwersten Frage, Jerusalem?
Antwort: Ich glaube nicht, dass Jerusalem die schwerste Frage ist. Ich denke das ist eine der leichteren Fragen. Ein sehr guter israelischer Soziologe, Baruch Kimmerling, schrieb während den Camp David-Verhandlungen einen Artikel in der Ha'Aretz, die so etwas ähnliches wie die New York Times ist. Er sagte, von allen Problemen die es gibt, sei dies das leichteste und könnte in wenigen Minuten gelöst werden. Vielleicht etwas länger. Aber ich denke, sein Gedanke war richtig. Das ist der eine Fall den man verfeinern kann. Und man kann es auf viele Arten verfeinern. Es gibt viele technische Wege mit der Jerusalem-Frage umzugehen.
Was man nicht verfeinern kann ist das was ich beschrieben kann: die Aufspaltung der besetzten Gebiete in getrennte Enklaven mit weiten Regionen, die in Israel integriert werden. Das kann man nicht verfeinern. Und deshalb will niemand darüber reden. Clinton und Israel wollen aus ersichtlichen Gründen nicht darüber reden. Wieso will Arafat nicht darüber reden? Nun, ich vermute, weil er in der Jerusalem-Frage die Unterstützung der arabischen Staaten erhalten kann. Ob die Palästinenser vernichtet werden oder nicht ist den arabischen Staaten egal. Sie wären froh die Palästinenser loszuwerden - sie sind nur ein Ärgernis, genau wie ihre eigenen Bevölkerungen ein Ärgernis sind. Also nehme ich an, dass Arafat sich aus taktischen Gründen auf Jerusalem konzentriert - das ist das Thema, bei dem er von der arabischen Fassade Unterstützung erhalten kann. Der Grund dafür ist, dass sie sich vor ihrer eigenen Bevölkerung fürchten. Wenn sie Jerusalem aufgeben, werden die Leute böse.
Frage: Vielleicht kümmert es die arabischen Staaten nicht ob die Palästinenser verschwinden, aber es ist klar, dass die Palästinenser nicht verschwinden. Zumindest noch nicht. Ich war Teil einer Gruppe der Nationalen Anwaltsgilde, die gesehen hat, dass es dort Apartheid gibt, dass sie asiatische Bevölkerung hereinbringen um die Arbeit zu machen, dass Oslo nun tot ist, dass es in Israel keine Linke mehr gibt. Es funktioniert nicht. Also, wenn Oslo tot ist und nicht funktioniert, was denken Sie, wie die Geschichte als nächstes weitergehen wird?
Antwort: Ich wünschte ich könnte Ihnen zustimmen. Aber das tue ich nicht. Ich denke wir neigen dazu, die Effektivität der Gewalt zu unterschätzen. Wenn Sie sich die Geschichte ansehen, ist Gewalt meistens erfolgreich. Und es gibt keinen Beweis dafür, dass Oslo nicht funktioniert. Oslo ist was Shlomo Ben-Ami beschrieben hat - eine Bemühung zur Schaffung einer ständigen neokolonialen Abhängigkeit in den besetzten Gebieten. Und ich denke das könnte gut funktionieren. Es stimmt, dass es einen Grad an Widerstand gibt, über den die US und Israel nicht glücklich sind, aber sie haben viele Gewaltmittel, die sie einsetzen können um ihn zu unterdrücken und es gibt eine Grenze für das was Fleisch und Blut ertragen können. Es gibt wirklich eine Grenze. Das haben Herrscher der gesamten Weltgeschichte verstanden. Und meistens funktioniert es. Wenn wir es zulassen - wir, Sie und ich, die Menschen in den Vereinigten Staaten - wenn wir erlauben, dass dies weitergeht, könnte es sehr wohl funktionieren.
Es gibt alle Arten Taktiken, wie das was gerade in Jericho getan wurde: das könnte in allen arabischen Städten geschehen. Jede arabische Stadt in der Westbank könnte von einem riesigen Graben umgeben werden, der Menschen daran hindern würde ein- und auszugehen. Die US können mehr Hubschrauber schicken um mehr Morde auszuführen und mehr zivile Konzentrationen anzugreifen und sich darauf verlassen, dass die US-Presse nichts davon erwähnt, genau wie sie es in den letzten sechs Monaten nicht erwähnt haben.
Das Ziel auf lange Sicht könnte ziemlich genau das sein, was Israel schon die ganze Zeit angenommen hat - noch mehr israelische Tauben wie Moshe Dayan, der von allen israelischen Führern den Palästinensern vielleicht noch die meisten Sympathien entgegenbringt. Seine Ansicht vor 30 Jahren - in internen Kabinettdiskussionen - war: geben wir ihnen nichts; wir sollten sie wie Hunde behandeln und die, die dazu in der Lage sind werden weggehen und danach werden wir sehen was passiert.
Das ist 15 Jahre lang bekannt gewesen. Es sollte gut begriffen worden sein - es ist in veröffentlichten Dokumenten festgehalten und ist hier drüben in dissidenten Veröffentlichungen zitiert worden. Und das ist die Politik. Zufällig ist es eine Politik, die mit der jüdischen Geschichte gut zusammenpasst, die nicht ignoriert werden sollte. Die Juden kennen ihre eigene Geschichte. Wie andere hier habe ich sie als Kind studiert und brachte sie später Kinder bei und besonders in Israel ist sie sehr gut bekannt. Denken Sie an das römische Exil - was hat es vor 2000 Jahren eigentlich verursacht? Haben sie die ganze Bevölkerung aus Palästina hinausgetrieben? Nein. Sie haben die Eliten hinausgeschafft. Die Bauern ließen sie übrig. Die Bauern bleiben immer. Sie bleiben, sie leiden, sie ertragen. Eroberer kommen, werden von anderen Eroberern ersetzt und sie passen sich an. Sie überleben irgendwie. Die Eliten sind weg - das bedeutet Exil. Wieso kann das nicht wieder geschehen?
Die unangenehme Wahrheit ist, dass Gewalt gewöhnlich funktioniert, es sei denn, sie wird von innen zurückgehalten. Es gibt keine Macht außerhalb der Vereinigten Staaten, die sie zurückhalten kann. Es gibt aber eine Macht innerhalb der Vereinigten Staaten, die sie zurückhalten kann. Wenn wir es nicht tun wird Oslo vermutlich funktionieren. Es wird nicht hübsch sein, aber ich sehe keinen Grund zu bezweifeln, dass es funktionieren wird.
Antwort des Fragestellers: Aber was ist mit Südafrika und dem Ende der Apartheid?
Antwort: Was in Südafrika passiert ist, ist eine großartige Sache. 80% der Bevölkerung konnten eine formelle Freiheit, durch ein Abkommen mit den weißen Herrschern erhalten, das diesen den größten Teil der wirtschaftlichen Kontrolle überließ, nun zusammen mit einer neuen schwarzen Elite. Das ist passiert und das ist ein Fortschritt. Meistens funktioniert Geschichte so nicht und sogar dieser Fall ist ein extrem beschränkter Sieg. Für die meisten Menschen Südafrikas ist es kein besonders großer Sieg, wenn überhaupt.
Sehen Sie sich die Städte außerhalb von Cape Town und den Slums von Johannesburg an. Die Menschen dort hatten keinen Sieg und das wissen sie. Da braut sich wahrscheinlich eine Explosion zusammen. Mandela hat aus diesem Grund erst vor wenigen Tagen eine strenge Verurteilung dessen was die ANC tut veröffentlicht.
Frage: Was wäre Ihrer Meinung nach eine realistische und gerechte Lösung für das israelisch-palästinensische Problem?
Antwort: Nun, es gibt einen internationalen Konsens, der äußerst breit ist und das könnte eine mögliche temporäre Lösung sein. Es ist das, was praktisch alle auf der Welt, außerhalb der Vereinigten Staaten, unterstützt haben: UN 242 unter Ergänzung der anderen UN-Resolutionen, die nach einem palästinensischen Staat rufen. Das würde irgendeine technische Einigung für Jerusalem erfordern und sie zu einer offenen Stadt machen, vielleicht die gemeinsame Hauptstadt zweier Staaten mit ungefähr den Grenzen von vor Juni 1967.
Persönlich habe ich das schon immer für eine miese Lösung gehalten. Es ist besser als das, was wir jetzt haben, aber ich glaube nicht, dass es auf lange Sicht eine wirklich lebensfähige Lösung ist. Es macht keinen Sinn. Das wäre als würde man eine willkürliche Grenze durch Ohio ziehen und sagen, dass wir zwei unabhängige Staaten gründen werden, wie die US und Mexiko. Die gehören einfach zusammen. Eigentlich sollten auch Jordanien und wahrscheinlich noch andere Gebiete zusammengehören. Ich denke, die Lösung auf lange Sicht - das werde ich erläutern - wäre so etwas wie das Ottomanische Imperium. Das Ottomanische Imperium war eine hässliche Sache, aber sie hatten die richtige Idee. Die Herrscher in der Türkei waren glücklicherweise so korrupt, dass sie die Leute weitgehend ziemlich in Ruhe gelassen haben - sie waren hauptsächlich daran interessiert sie auszurauben - und erlaubten ihnen sich um ihre eigenen Angelegenheiten und Regionen und Gemeinden selbst zu kümmern, mit viel lokaler Autonomie.
Nun, glücklicherweise werden wir nicht zum Ottomanischen Imperium zurückkehren, aber das allgemeine Bild ist nicht unrealistisch. Im Grunde könnte es das sein, worauf Europa sich zubewegt, indem es das Nationalstaatensystem aufbricht das bösartig und mörderisch war. Sehen wir uns nur die letzten 500 Jahre der europäischen Geschichte an seit dem dieses System begründet wurde. Es ist eine Horrorgeschichte. Und es bewegt sich allmählich auf eine Art Integration gepaart mit Regionalismus zu, was Sinn macht. Vielleicht gilt das auch im Levant. Von einer Zwei-Staaten-Einigung, die vielleicht hässlich ist aber lebensfähig, sind Schritte in Richtung eines Bundesabkommens vorstellbar, in dem es einen Grad an Interaktion und gemeinsamer Verantwortung gibt und dann weiter zu anderen Formen der Integration. Ich denke das könnte passieren. Es würde eine große Umstellung der US-Politik erfordern. Solange die US es nicht unterstützen wird es niemals passieren. Aber das könnte es. Und als ersten Schritt könnte es so etwas wie den internationalen Konsens geben.
Probleme können niemals in einem Schritt gelöst werden. Eine sofortige Lösung ist unwahrscheinlich. Das kann bei ernsten Problemen nie passieren. Aber was passieren kann, sind Schritte, die den Weg für andere Schritte erleichtern werden. Und mir scheint, wir können uns den Verlauf einer Entwicklung vorstellen, der hier konstruktiv sein könnte.
Frage: Glauben Sie, dass es eine gute Idee ist die Loslösung von Israel zu fordern, genau wie wir es im Fall des weißen Südafrikas getan haben?
Antwort: Ich betrachte die Vereinigten Staaten als die Hauptschuldigen hier für die letzten 30 Jahre. Und eine Loslösung von den Vereinigten Staaten zu fordern bringt uns gar nichts. Was wir fordern sollten, sind Veränderungen in der US-Politik. Es macht zum Beispiel viel Sinn keine Armeehubschrauber nach Israel mehr zu schicken zu fordern. Eigentlich würde es sehr viel Sinn machen, zu versuchen einige Zeitungen in den Vereinigten Staaten dazu zu bringen, zu berichten, dass das überhaupt geschieht. Das wäre ein Anfang. Und dann aufzuhören Waffen zu entsenden, die für Unterdrückung eingesetzt werden. Und solche Schritte können unternommen werden. Aber ich denke nicht, dass Loslösung von Israel viel Sinn machen würde, auch wenn eine solche Politik vorstellbar wäre (und das ist sie nicht).
Ich denke unsere erste Sorge sollte sein, eine Veränderung in der grundsätzlichen US-Politik herbeizuführen, die diese Sache Jahrzehnte lang angetrieben hat. Und das sollte in unserer Reichweite liegen. Das ist es, was wir in der Lage sein sollten, tun zu können: die US-Politik zu verändern.
Frage: Was ist mit dem palästinensischen Recht auf Rückkehr?
Antwort: Ich denke, dass es ein Recht auf Rückkehr gibt. Es gibt viele Rechte auf Rückkehr. Zum Beispiel denke ich, dass Menschen die von hier vertrieben wurden, jene die überlebt haben, das Recht haben zurückzukehren. Sie haben ein Recht auf Rückkehr. Es gibt alle möglichen Rechte auf der Welt und die Wahrheit ist, dass viele Rechte einfach nicht erfüllt werden können. Wenn Rechte miteinander in Konflikt stehen, wie sie es normalerweise tun, muss man versuchen eine humane Lösung zu finden.
In der nächsten Zukunft - und niemand sollte elende palästinensische Flüchtlinge darüber anlügen - wird es keine Macht auf der Welt geben, die Israel zwingen wird oder Israel auch nur drängen wird, geschweige denn zwingen, eine größere Anzahl Flüchtlinge aufzunehmen. Vielleicht einige, aber keine große Anzahl. Wenn sie unvorstellbarerweise gezwungen werden sollten, würden sie wahrscheinlich die Welt in die Luft jagen - und vergessen Sie nicht, dass sie das tun könnten. General Butler hatte recht. Und dann gäbe es gar keine Probleme mehr über die man sich Sorgen machen müsste.
Also in der nächsten Zukunft, ist das ein Recht das anerkannt werden sollte und mit dem auf einer humanen Art umgegangen werden sollte, aber ohne leidende Menschen fälschlich glauben zu machen, ihre Rechte würden vollständig erfüllt werden, denn das werden sie nicht sein. Wie geht es von hier weiter? Nun, man versucht Möglichkeiten zu finden um die Flüchtlinge unterzubringen. Viele von ihnen könnten hierher gebracht werden. Erinnern wir uns, UN 194 fordert Rückkehr oder Schadenersatz. Schadenersatz ist eine Möglichkeit. Angesichts unserer Verantwortung und unseres Reichtums könnten wir mit Leichtigkeit Schadenersatz leisten und sollten es auch. Und darin könnten Niederlassungen hier inbegriffen sein, was wie ich vermute, die meisten von ihnen sowieso vorziehen würden. Zumindest sollte man ihnen die Wahl geben. Was die Rückkehr nach Israel anbetrifft, sollte dies eine Option sein, aber sie wird beschränkt sein.
Pause
Frage: In Ihrem"Fateful Triangle", der Teil aus 1983, deuteten Sie an, dass den Vereinigten Staaten in Israel, durch die schlechte Behandlung der Palästinenser Gefahren erwachsen. Nun, da die Sowjetunion weg ist, drohen uns überhaupt noch irgendwelche Gefahren wegen unseres schlechten Benehmens? Gibt es irgendetwas, irgendwann, das zurückschlagen könnte?
Antwort: Nun, ich habe nie geglaubt, dass die Sowjetunion eine besonders große Abschreckung darstellte. Eigentlich stand die Sowjetunion dort immer gut im Hintergrund. Und erinnern Sie sich, dass die Sowjetunion bis zu ihrem Zusammenbruch in 1990, die Mainstream-Meinung darüber vertrat. Ihre Haltung zu einer diplomatischen Einigung unterschied sich kaum von der Europas.
Im Grunde hat die Bush-Regierung uns eine Kostprobe der sowjetischen Gefahr in einem extrem wichtigen Dokument gegeben, den zu lesen ich Ihnen nahe legen möchte und von dessen Wichtigkeit jeder wissen sollte. Jedes Jahr vor dem Frühling legt das Weiße Haus dem Kongress einen Plan für das Militärbudget vor. Das wollen wir haben. Meistens ist es lauwarm, jedes Jahr dieselbe Geschichte. Aber im März 1990 wurde es interessant. Wie würden sie im März 1990 vorgehen, nachdem der Vorwand für die letzten 50 Jahre verschwunden war? Die Berliner Mauer war gerade gefallen.
Alle die sich für die US-Außenpolitik oder für unser eigenes Land interessieren hätten das sofort beobachten müssen. Und es ist sehr interessant. Es bleibt alles ziemlich beim alten. Wir brauchen eine riesige militärische Einrichtung. Wir müssen die sogenannte"Basis der Verteidigungsindustrie" aufrechterhalten - was ein anderer Name für High-Tech-Industrie ist. Wir müssen riesige Interventionskräfte haben, die auf den Mittleren Osten abzielen, genau wie zuvor. Alles ist genau wie vorher. Das einzige das sich verändert hat ist der Vorwand. Also müssen wir dieses riesige Militärbudget haben, nicht wegen den Russen, sondern wegen der, ich zitiere"der technischen Entwicklung" der Dritte-Welt-Länder. Dafür brauchen wir ihn.
Was unsere Interventionskräfte betrifft sagt es, dass wir sie aufrechterhalten müssen, in erster Linie auf den Mittleren Osten gerichtet, wie zuvor. Dann kommt die folgende Phrase:"da wo die Gefährdung unserer Interessen nicht dem Kreml in die Schuhe geschoben werden konnte." In anderen Worten,"tut uns Leid, Leute, wir haben euch 50 Jahre lang angelogen, aber jetzt werden wir die Wahrheit sagen, weil es den Kreml nicht mehr gibt." Also konnte die Gefährdung unserer Interessen nicht dem Kreml in die Schuhe geschoben werden oder was das angeht, dem Irak, weil Irak zu der Zeit ja unser Verbündeter war. Die Gefahr ist dieselbe wie immer - endlich hat der Nebel sich verflüchtigt: unabhängiger Nationalismus. Schon vorher aus der internationalen Geschichte ziemlich klar ersichtlich, aber jetzt öffentlich. Ja, das war die Gefahr. Und die Gefahr mit den Palästinensern ist, dass sie den unabhängigen Nationalismus aufrütteln würden.
Nun, es ist vollkommen wahr, dass wenn es eine andere Supermacht gibt, die Dinge außer Kontrolle geraten könnten. Zum Beispiel 1967, gegen Ende des Krieges, als Israel die Golan-Höhen nach dem Waffenstillstand (und entgegen den Wünschen der Vereinigten Staaten) eroberte, gab es die Gefahr eines Atomkrieges. Die Russen waren wütend, es gab Gespräche über den Roten Draht. Es gab eine Konfrontation zwischen den Flotten im östlichen Mittelmeer. McNamara sagte später"wir waren verdammt nahe an einem Krieg."
Wenn man überall Atomwaffen hat, gibt es immer die Gefahr eines schrecklichen Krieges. Das bleibt. Eigentlich ist sie heute vielleicht größer als davor. Die Russen sind heute wahrscheinlich eine größere Gefahr als vor 15 Jahren - das heißt, eine größere nukleare Gefahr. Und wir helfen ihnen dabei eine noch größere Gefahr zu werden. Zum Beispiel drängte die Clinton-Regierung die Russen ihre Raketen in"Abschuss auf Alarm"-Zustand zu versetzen. Das heißt, die Raketen werden aufgrund von elektronischen Informationen abgefeuert, nicht nach persönlichem Ermessen eines bevorstehenden Angriffes. Die Clinton-Regierung tat das um sie dazu zu bringen die US-Schwächung des ABM-Abkommens durch die National Missile Defense zu akzeptieren. Die Idee war,"Macht euch darüber keine Sorgen - ihr könnt dafür den Abschussstatus eurer Raketen heraufsetzen."
Aber ihre Kommando- und Kontrollsysteme verfallen. Was mit dem Kursk-U-Boot passiert ist, geschieht überall. Und wir sagen ihnen, sie sollen diese verfallenden Systeme dazu benutzen um zu entscheiden, wann Nuklearraketen abgeschossen werden sollen. Das ist für alle extrem gefährlich. Und die Gefahr besteht nicht nur weiter, sie nimmt wahrscheinlich zu. Das Nuclear Missile Defense wird sie erhöhen, weil es für sie fast erforderlich ist, ihre Abschreckungskapazität zu steigern. Also hat es diese Probleme schon immer gegeben. Es gibt immer die Gefahr, dass etwas in die Luft gejagt wird und fertig. Das gilt für damals und das gilt für jetzt.
Aber die unmittelbare Gefahr der Politiker heute gegenüberstehen, ist die gleiche wie immer: dass die Bevölkerungen der Regionen, die ihnen auferzwungenen Arrangements vielleicht nicht akzeptieren, dass sie vielleicht ihre eigenen Regierungen stürzen, dass sie sich in Richtung des unabhängigen Nationalismus bewegen könnten. Und dann würden die Vereinigten Staaten mit Gewalt vorgehen müssen, wenn sie das können; das ist nicht so einfach.
Frage: Zwei Fragen: Weshalb die Passivität der amerikanischen Bevölkerung bei einer so hohen Bildungsrate und was können gewöhnliche US-Bürger tun, um beide Seiten dazu anzuhalten sich auf den Frieden zuzubewegen?
Antwort: Nun, seien wir konkret. Es stimmt, dass es eine ziemlich hohe Bildungsrate gibt - ich wünschte sie wäre höher, aber sie ist ziemlich hoch. Andererseits hilft einem eine hohe Bildungsrate irgendwie dabei zum Beispiel herauszufinden, dass man Armeehubschrauber nach Israel schickt um zivile Niederlassungen anzugreifen. Nein, es hilft einem gar nicht, weil man es nirgendwo lesen kann, außer in der Dissidentenliteratur, die praktisch marginalisiert ist. Es bringt nichts eine hohe Bildungsrate zu haben, wenn es nichts zu lesen gibt. Und das ist allgemein. Nehmen wir das Dokument, das ich gerade erwähnt habe, das Verwaltungsdokument der Bush-Regierung vom März 1990. Es wird sicher wichtig sein. Und es ist vorhanden, es ist veröffentlicht. Aber eine hohe Bildungsrate reicht nicht aus um ihn zu finden. Man kann ihn nicht im Mainstream finden; soviel ich weiß wurde es gar nicht erwähnt, außer in der Dissidentenliteratur. Und um anderswo zu suchen, muss man wissen, wonach man sucht.
Wenn man zum Beispiel Physiker werden will, reicht es nicht aus, dass es tonnenweise Informationen gibt. Man muss wissen wonach man sucht. Das erfordert einiges Verständnis dafür wie die Dinge funktionieren. Und um dieses Verständnis zu entwickeln, braucht es eine Erziehung, die einen darauf einstellt die Dinge herauszupicken die wichtig sind. Unser Ausbildungssystem tut das nicht. Eigentlich tut es genau das Gegenteil. Es versucht einen von solchen gefährlichen Gedanken sicher fernzuhalten. Und oft gelingt das. Deshalb schenken wir Dingen, wie der einfachsten Art Menschenrechtsverletzungen zu beenden auch keine Aufmerksamkeit. Die einfachste Art wäre sicher, aufzuhören sie zu begehen. Das sollte trivial sein. Also sollte es eine Hauptsorge für Menschenrechtsbefürworter sein zu fragen,"was tun wir um Menschenrechte zu verletzen?" Hören wir auf das zu tun.
So funktioniert das aber nicht. Weder die Schulen und das Kollege noch die Medien oder die allgemeine intellektuelle Kultur. Man könnte sogar ohne Übertreibung sagen, dass es deren Aufgabe ist zu vermeiden, dass man sich damit befasst. Genau deshalb gibt es diesen riesigen Fokus auf humanitäre Interventionen und die Dilemmas wenn jemand anderes irgendetwas Böses tut, aber praktisch nichts über die Beendigung der Beteiligung an Verbrechen, wenn wir es tun. Nun, das verallgemeinert. Das heißt also, was wir tun müssen, ist von der Bildung - die eine Voraussetzung ist - zum Verstehen überzugehen, was Organisation und Ausbildung erfordert und all die Dinge die jeder Aktivist weiß. Das ist in jeder Hinsicht wahr.
Was können wir für den Frieden im Mittleren Osten tun? Eine Menge. Eine Sache die wir zum Beispiel tun können, ist aufzuhören ihn zu verhindern. Das wäre ein guter Anfang. Nachdem wir aufgehört haben ihn zu verhindern und so weit gekommen sind, können wir über konstruktive Schritte nachdenken. Ich glaube da gibt es einige, zum Beispiel diejenige, die wir gerade besprochen haben.
Frage: Es scheint so als ob Ihr Vortrag besser heißen sollte:"Die Aussichten des Faschismus im Mittleren Osten". Das ist ein sehr finsteres Bild. Sehen Sie irgendwelche unabhängige Kräfte in der israelischen Gesellschaft - die Frauenbewegung, Intellektuelle, Arbeiter, die palästinensische Gesellschaft - die dieser globalen Politik irgendeinen Widerstand entgegensetzen könnten? Oder welchen Weg sehen Sie für die Bewegungen in den Vereinigten Staaten, die es zur Zeit überall gibt, die aber ziemlich unfokussiert scheinen, einschließlich darüber wie die US-Politik operiert und wie eine Opposition mobilisiert werden könnte?
Antwort: Nun, ich denke der letzte Teil der Frage ist der wichtigste. Sicher, alle möglichen guten Dinge passieren überall wo man hinsieht. Israel, Palästina, überall. Aber wir können nicht viel für sie tun. Wir können aber viel gegen das tun was hier passiert. Und ja, wir können eine Menge dagegen tun. Die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung hat immer etwas wie eine Zwei-Staaten-Einigung unterstützt. Der größte Teil der Bevölkerung ist gegen die Entsendung von Militärhilfe nach Israel und wären überwältigend dagegen, wenn sie wüssten was damit getan wird. Das sind Dinge, die in unserer Reichweite liegen.
Und was die"unfokussierten Bewegungen" angeht. Nun, darüber weiß ich nichts. Ich denke es gibt eine Menge Energie und Aktivismus in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern, die sich auf alle möglichen Dinge konzentrieren. Konzentriert sie sich auch darauf? Nein. Aber dagegen können wir etwas tun. In den frühen 60er Jahren hätten wir dasselbe über den Vietnamkrieg fragen können. Wie kommt es, dass sich niemand auf diese Situation konzentriert, wenn wir ein anderes Land bombardieren, riesige Menschenmassen in Konzentrationslager zusammentreiben, ihre Nahrungsvorräte zerstören um sie zu kontrollieren und eine lange Reihe anderer Gräueltaten? Na gut, tun wir etwas dagegen. Aber es gibt keine Geheimnisse. Wir wissen was getan werden muss. Es wird nicht durch bloßes Zusehen passieren.
Frage: Können Sie einige US Veröffentlichungen vorstellen, die über die Vorgänge im Mittleren Osten vergleichsweise wirklichkeitstreu berichten?
Antwort: Der Mittlere Osten-Bericht zum Beispiel, eine MERIP-Veröffentlichung. Im Grunde das Magazin aus dem ich diesen interessanten Artikel über die israelischen Industrialisten und Shlomo Ben-Ami zitiert habe, es ist auf Englisch. Es heißt Palestine-Israel Bulletin. Es wird in Israel herausgegeben, aber es ist auf Englisch. Und es gibt viel interessantes Material. Das Z Magazin hat eine Menge Sachen. Z Net hat eine Menge Sachen. Es gibt Material. [angehängte Frage: War das der Washington Bericht über den Mittleren Osten?] Nein. Der Mittlere Osten Bericht ist das MERIP Magazin. Ich glaube so nennen sie sich gerade. Sie haben erst kürzlich ihren Namen geändert.
Frage: Da die Vereinten Nationen die Machtstruktur der Nachkriegszeit reflektiert, haben Sie irgendeine Hoffnung, dass es eine wirkliche friedensstiftende Institution sein wird oder sind Sie nur zynisch?
Antwort: Es gibt viele Gründe über die Vereinten Nationen zynisch zu sein. Es gibt alle Arten von Korruption. Ich könnte Ihnen eine lange Geschichte aus eigener Erfahrung erzählen, die ziemlich bizarr ist. Aber das Hauptproblem mit den Vereinten Nationen ist, dass sie nur das tun können, was die großen Mächte ihnen erlauben. Und mit den"großen Mächten" sind hauptsächlich wir gemeint. Wenn also die Vereinigten Staaten eine Grenze setzen und sagen"ihr könnt das nicht tun", dann ist es zu Ende - die Vereinten Nationen können es nicht tun.
Also stehen wir wieder da wo wir immer stehen. Wir können nicht die Tatsache übersehen, dass wir das bei weitem mächtigste Land auf der Welt sind. Das einzige was wir wirklich zu tun hoffen können, ist die Politik innerhalb dieses Landes zu ändern, das zufällig das mächtigste auf der Welt ist, also ist das schrecklich wichtig. Und was es die Vereinten Nationen und alles andere angeht, setzen sie die Hauptlimitierungen durch. Es ist leicht die Vereinten Nationen zu beschuldigen das und anderes zu tun, wenn die US ihnen keine anderen Optionen übriglassen. Man kann vieles an den Vereinten Nationen kritisieren, aber das ist wenig verglichen mit der Kritik, dass sie nicht handeln können, weil sie von Großmächten zurückgehalten werden. Und das liegt wieder in unseren Händen. In dem Fall den wir diskutieren, können die Vereinten Nationen nichts tun, weil die US es ihnen nicht erlauben. Die UN wollte zum Beispiel eine Beobachtertruppe in den besetzten Gebieten einsetzen, was eine konkrete Möglichkeit gewesen wäre Gewalt zu vermindern. Israel widersetzte sich und die US legten ein Veto ein.
Frage: Welchen Einfluss haben die israelischen Friedensgruppen auf die Politik Israels? Sind die akademischen und religiösen Gemeinden zentrale Bestandteile dieses Prozesses?
Antwort:"Friedensgruppen" ist ein ziemlich weitreichender Begriff. Lassen Sie mich die Frage wieder zurückgeben. Es gibt Elemente in Israel, die nicht nur allem zustimmen würden was ich gesagt habe sondern darauf bestehen würden - es noch viel härter zu sagen. Andererseits gibt es"Friedensgruppen" die sehr von Baraks Angebot beeindruckt sind, das die Westbank in isolierte Enklaven aufteilt. Welches also sind die Friedensgruppen?
Aber - ich hasse es langweilig zu sein - aber lassen sie mich das wiederholen. Keine Gruppe in Israel - keine Gruppe - Friedensgruppe, Kriegsgruppe oder sonst irgendetwas, kann innerhalb dieser Gesellschaft, ohne eine starke Unterstützung aus den Vereinigten Staaten irgendeine Glaubwürdigkeit erlangen. Und das folgt einfach aus der Beziehung der Abhängigkeit. Wenn es also ein Element gibt das, aus ihrer oder meiner Sicht, eine"wirkliche Friedensgruppe" ist, kann sie dahingehend etwas Glaubwürdigkeit gewinnen, dass sie bedeutende Unterstützung in den Vereinigten Staaten vorweisen kann. Ansonsten wird sie keine Glaubwürdigkeit erlangen.
Wir können über die Verdienste der verschiedenen Gruppen debattieren, aber wenn wir das was sie tun beeinflussen wollen, müssen wir es hier tun. Wir sind wieder an dem Punkt angelangt an dem wir immer stehen. Es ist eine sehr große Versuchung Probleme zu externalisieren. Sehen wir uns die Probleme drüben an, die Dinge, die diese Leute da drüben tun oder nicht tun. Und da draußen gibt es viele Probleme. Aber die höchste Priorität besteht immer darin sie zu internalisieren. Was können wir gegen sie tun? Besonders für uns ist das extrem entscheidend, weil wir eine Menge tun können. Wir leben zufällig in einem ungewöhnlich freien Land, das bei weitem das mächtigste auf der Welt ist. Das gibt uns Reichweite an Optionen die äußerst wichtig ist. Und die große Frage ist: tun wir irgendetwas darüber? Machen wir von den gewaltigen Möglichkeiten und Privilegien die wir genießen Gebrauch? Nun, wenn wir uns selbst betrachten, können wir sehen, dass wir nicht viel dagegen tun, und das ist das Problem.
* * *
(übs. von Dana)
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