Steiniger Weg zum Ã-kobetrieb
Gegen den Widerstand örtlicher Bauern versucht ein Nichtlandwirt im Main-Kinzig-Kreis Boden zu gewinnen
Von Ulrich Gehring
Hessenweit geben jährlich 1500 Bauernhöfe auf. Christoph Neizert in Hammersbach (Main-Kinzig-Kreis) hingegen gründete im Herbst einen Naturland-Ã-kobetrieb. Die örtlichen Landwirte trauen dem Unternehmensberater keine ernsthaften Absichten zu. Sie versuchten, ihm die Pläne zu vermasseln - mit behördlicher Unterstützung.
HAMMERSBACH. Kartoffeln für die Direktvermarktung, Weizen und Roggen als Back- und Futtergetreide, dazu artgerechte Freiland-Haltung von bis zu 100 Schweinen und Naturschutz mit bis zu einem Kilometer neue Hecken und einem Grabentaschen-Biotop am vorbeifließenden Hirzbach. Diese Ziele hat sich Christoph Neizert gesetzt. Im September stellte er den studierten niedersächsischen Landwirt Robert Hübner ein. Mit ihm als Betriebsleiter und der Substanz des aus Gesundheitsgründen aufgegebenen einzigen Hammersbacher Biohofs als Grundstock machte er seinen Traum vom eigenen Landwirtschafts-Betrieb wahr.
Sein Geld verdient Betriebswirt Neizert, Mehrheitseigner der Höchster Porzellanmanufaktur, als geschäftsführender Gesellschafter in einem amerikanischen Venture-Capital-Fonds. Daneben betreibt er das Seminarhaus Kapellenhof im Hammersbacher Weiler Hirzbach, wo er seit 13 Jahren lebt. Anfangs blickte die Gemeinde mit Wohlgefallen auf den Idealisten, der mit seinem künstlerisch tätigen Bruder das jahrhundertealte, verfallene Anwesen rettete. Dazu gehört auch der namensgebende, zuletzt als Traktor-Garage missbrauchte Sakralbau. Mit öffentlichem Geld hergerichtet, ist er nun wieder Ort kultureller und kirchlicher Ereignisse. Das"alternative Tagungshaus" mit einfacher Unterbringung und Vollwertkost ist von Seminaren mit Gruppen belegt. Meist geht es um Wege der Selbsterfahrung.
Die Renovierungen sind abgeschlossen, das Tagungszentrum ein Selbstläufer. So hat Neizert den Kopf wieder frei für anderes:"Seit ich Hirzbach kenne, sind Flora und Fauna verarmt. Anfangs hatten wir noch regelmäßig 20 Rebhühner, dazu Kiebitze. Das ist alles weg." Für ihn"ein Resultat der brutalen Art von Landwirtschaft", die Sträucher und Bäume beseitige,"bis zum Erbrechen" dünge und Wege unterpflüge. Jetzt will er mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen? Biogemüse für das Tagungshaus anbauen und gleichzeitig was für die Natur tun.
Als der 46-Jährige mit einem Nachbarn über den Kauf von drei Hektar Acker handelseinig war, machte ihm das Amtsgericht Hanau einen Strich durch die Rechnung. Es sprach dem Nichtlandwirt das Recht zum Erwerb des Felds ab. Geklagt hatte nicht die örtliche Bauernschaft, die sich von Neizert in ihrer langjährigen Praxis abgesprochener Landaufteilung gestört fühlte. Als Klägerin trat vielmehr die Hessische Landgesellschaft (HLG) auf, ein gemeinnütziges Unternehmen im Besitz des Landes und des Bauernverbands. Die Hauptabteilung Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz beim Main-Kinzig-Kreis hatte den Fall vorher geprüft, wie jeden Ackerverkauf von mehr als 50 Ar an Nichtlandwirte. Die HLG übt auf Grundlage des Grundstücksverkehrs-Gesetzes von 1961 und des Reichssiedlungsgesetzes von 1919 ein Vorkaufsrecht aus, um es für Haupterwerbslandwirte zu sichern und Spekulation zu unterbinden. Erst seit zehn Jahren, so Hauptabteilungsmitarbeiter Berno Zimmer, haben auch Nichtlandwirte Chancen.
Neizert siegte erst in zweiter Instanz am Oberlandesgericht Frankfurt."Mit einem besseren Anwalt hätte die HLG gewonnen", sagt Walter Scheuerle. Der Ortslandwirt, Pächter der fast 300 Hektar großen Staatsdomäne Baiersröderhof, hatte selbst Interesse an den drei Hektar gezeigt - im Auftrag seiner örtlichen Kollegen, sagt er. In einem zweiten Fall war er ebenfalls als Mitbewerber Neizerts aufgetreten, was nach dessen Darstellung den Preis in die Höhe trieb.
Es gab ein Gespräch aller Bauern mit SPD-Bürgermeisterin Helga Meininger und Neizert, in dem man dem Eindringling bedeutete, er solle seinem"Hobby" doch im Vogelsberg nachgehen. Den fruchtbaren, knappen Boden in der Rhein-Main-Region bräuchten die Haupterwerbler zum Überleben. Im Ort streute derweil jemand das Gerücht, Neizert sei Scientologe. Als sich dann herumsprach, dass er noch eine benachbarte Scheune erwerben will, versuchte Scheuerle höchstpersönlich den Verkaufswilligen von dem Geschäft abzuhalten. Man habe es dem Neuen etwas schwerer machen wollen, bestätigt er unumwunden.
Mit der Ã-ko-Ausrichtung dieser"HobbyLandwirtschaft" habe dies nichts zu tun, so Scheuerle. Gleichwohl sei sie ihm suspekt. Er hat mittlerweile akzeptiert, dass Neizert durch den Gerichtsentscheid zum Nebenerwerbler avanciert ist und gegen eine Erweiterung seiner 20 Hektar juristisch nichts mehr auszurichten ist. Nach Kräften blockiert man sich weiter gegenseitig - verweigert sich auf benachbarten Flurstücken etwa einen Landtausch, der beiden Seiten nutzen könnte.
Wenn sich der Konflikt nicht bald entschärft, muss Neizert fürchten, dass ihm die Gemeinde demnächst bei seinen Biotopvorhaben Probleme macht. Und es ist sogar denkbar, dass sie ihm bei nächster Gelegenheit gemeindliches Pachtland entzieht. Damit aber würde biologisch in konventionell bestelltes Land zurückverwandelt - Agrarwende mal andersrum.
Frankfurter Rundschau vom 13.3.2002
<center>
<HR>
</center> |