Am groĂen Erdbeben in San Franzisco,
am Untergang der Titanic,
am Ausbruch des 1. und des 2. Weltkrieges,
an der Globalen ErwÀrmung,
am Staatsbankrott Indonesiens und Argentieniens,
am Zusammenbruch der Sowjetunion,
und demnaÀchst
auch am Staatsbankrott der USA.
GruĂ
ufi
>Al-Quaida soll fuer illegalen internationalen Diamentenhandel mitverantwortlich sein. Deshalb werden nun Diamanten ohne spezielles Zertifikat illegalisiert, Haendler dieser Diamanten sollen wie Drogenhaendler behandelt werden.
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>Die Spur der Edelsteine
>aus Antwerpen FRANĂOIS MISSER
>Mark Van Bockstael ist zuversichtlich. Der PrĂ€sident des technischen Komitees des Weltdiamantenrats in Antwerpen begrĂŒĂt die derzeit laufenden BemĂŒhungen, den kriegsfinanzierenden Diamantenschmuggel einzudĂ€mmen. WĂ€hrend die fĂŒhrende britische Kampagnengruppe Global Witness das im vergangenen November erarbeitete System eines internationalen Herkunftszertifikats fĂŒr alle Diamanten"einen guten Wachhund, aber ohne ZĂ€hne" nennt, hĂ€lt der Belgier das System prinzipiell fĂŒr richtig. Kein Wunder: Van Bockstael ist der Erfinder des Zertifikats, mit dem Diamanten aus Angola und Sierra Leone identifizierbar gemacht werden sollen und damit der Schmuggel von Diamanten aus diesen LĂ€ndern durch Rebellen verhindert werden soll.
>Im so genannten"Kimberley-Prozess" - das ist ein Selbstregulierungsforum der im Weltdiamantenrat zusammengeschlossenen Diamantenindustrie zusammen mit Regierungen und unabhÀngigen Organisationen - einigten sich die Beteiligten bei einem Treffen in Botswana Ende November 2001, dieses System weltweit auszudehnen. Jeder Diamant im internationalen Handel soll demnach ein beglaubigtes Zertifikat tragen, auf dem seine Herkunft ausgewiesen ist. Das Dokument trÀgt eine Nummer, die identisch sein muss mit der auf dem Kaufvertrag des Importeurs. Ende 2002 soll die Regelung in Kraft treten. Die nötigen Bestimmungen dazu wurden der UN-Vollversammlung vorgelegt, die sie am vergangenen Mittwoch bestÀtigte.
>WĂ€hrend Global Witness und andere Nichtregierungsorganisationen nun einen sofortigen internationalen Mechanismus mit Gesetzeskraft fordern, weist Van Bockstael darauf hin, dass noch viel zu tun ist. Betroffen sind 45 LĂ€nder, sagt er:"BloĂ weil ein AuĂenminister sich mit seinen Kollegen in anderen LĂ€ndern geeinigt hat, wissen die Finanzminister und Zolldienste noch lange nicht, wie sie damit umgehen sollen. Das System muss in jedem Land in nationale Gesetze umgesetzt werden." AuĂerdem ist ein System, das bestimmte Arten von Handel mit Sanktionen belegt, nicht automatisch mit den Handelsbestimmungen der WTO vereinbar.
>Das Inkrafttreten des Zertifizierungssystems könne letztendlich nur vom UN-Sicherheitsrat entschieden werden. Aber im Sicherheitsrat herrscht darĂŒber keine Einigkeit. Manche LĂ€nder finden, der Rat sei fĂŒr so etwas gar nicht zustĂ€ndig, andere sagen, ein Zertifizierungssystem fĂŒr Diamanten solle nur Diamanten aus Konfliktregionen betreffen. HauptbefĂŒrworter eines UN-Beschlusses sind die USA, vor allem seit die US-Presse zahlreiche Verbindungen zwischen al-Qaida und dem illegalen Diamantenhandel aufgedeckt hat.
>Der Schmuggel von Diamanten aus Angola und Sierra Leone ist mit den Zertifikaten nicht vollstĂ€ndig ausradiert worden. Nach Meinung von Van Bockstael ist der Grund dafĂŒr vor allem, dass das System bislang auf diese beiden LĂ€nder beschrĂ€nkt ist. Das Problem liegt seiner Meinung nach auch nicht, wie oft vermutet, in den Zertifikaten selbst - sie zu fĂ€lschen, sei gar nicht so einfach. Das Problem liegt in den Diamanten selbst.
>Es ist technisch nicht möglich, die Herkunft eines Diamanten einwandfrei zu bestimmen. So sind Diamanten aus Kono in Sierra Leone denen aus Ekati in Kanada oder Lamir in Russland bis in mikroskopische Details hinein erstaunlich Ă€hnlich, sagt Van Bockstael, der frĂŒher das Diamanteninstituts in Antwerpen leitete. Wenn DiamantenhĂ€ndler in Angola sagen, sie könnten auf einen Blick in einem Haufen von 100 Steinen erkennen, welcher aus dem Flussbett des Luo kommt, ist das zwar möglich - aber nur, wenn alle geprĂŒften Diamanten aus Angola stammen."Aber wenn ich den Stein aus Luo in eine Probe aus Brasilien lege, werden die brasilianischen PrĂŒfer ihn fĂŒr brasilianisch halten. Gewisse Diamanten aus Venezuela haben einen GrĂŒnstich, der von schwacher RadioaktivitĂ€t im Wasser kommt. Aber ein Sierra-Leoner wird versichern, ein solcher Diamant stamme aus einer ganz bestimmten Mine in seinem Land." Es wĂ€re also schwer, die Herkunft eines Diamanten so zweifelsfrei festzustellen, dass das im Streitfall vor Gericht Bestand haben könnte. Ein weiteres Problem: Es reicht nicht, dass eine Regierung den Export von Diamanten reguliert. Sie muss auch den Ankauf der Steine innerhalb des Landes ĂŒberblicken. Die staatliche Diamantenbörse der Zentralafrikanischen Republik zum Beispiel schickt ihre Vertreter direkt in die DiamantenförderstĂ€dte wie Berberati, Bria oder Nola und erwirbt die Steine vor Ort, statt sich auf dubiose ZwischenhĂ€ndler zu verlassen.
>In Angola oder Sierra Leone geht das nicht. Da die Regierungen ihr Staatsgebiet nicht vollstĂ€ndig beherrschen, können Rebellen ihre Diamanten problemlos in die legalen KreislĂ€ufe einspeisen. Belgiens Regierung hat nach Informationen der taz vor kurzem das UN-Komitee zur Ăberwachung der Sanktionen gegen Sierra Leones Rebellen zur, so wörtlich,"AufklĂ€rung einer geringen Anzahl nicht notwendigerweise illegaler Transaktionen" sierra-leonischer Diamanten in Antwerpen aufgefordert. Manche Diamanten seien zwar zum Export angemeldet worden, aber nie am Zielort angekommen. Sie sind also irgendwo anders gelandet und könnten aus einem anderen Land legal exportiert werden, obwohl sie nicht aus diesem Land stammen - genau der Schmuggel, den die Zertifizierung eigentlich verhindern soll.
>Die belgischen Behörden betonen, dass das nicht die IneffektivitĂ€t des Zertifizierungssystems beweise - vielmehr habe erst dieses System die UnregelmĂ€Ăigkeiten aufgedeckt. Aber aus HĂ€ndlerkreisen wird eine ganz andere Version kolportiert: Die international anerkannte Regierung und die international verfemten Rebellen in Sierra Leone arbeiten Hand in Hand beim Diamantenhandel, sodass die Diamantenproduktion der Rebellen in den BestĂ€nden der staatlichen Mineralienbehörde GGDO (Government Gold and Diamond Office) lande. Pakistanische UN-Soldaten spielten dabei die ZwischenhĂ€ndler.
>Abgesehen von solchen VorfĂ€llen hat das Zertifikat fĂŒr Diamanten nur dann einen Sinn, wenn es alle Diamanten der Welt umfasst. Sonst können die Rebellen von Angola und Sierra Leone ihre Steine einfach ĂŒber LĂ€nder ohne Zertifikat verkaufen. Mehrere LĂ€nder haben bereits den belgschen Diamantenrat gebeten, ihnen beim Aufbau eines Zertifizierungssystems zu helfen; Guinea, die Zentralafrikanische Republik und die Demokratische Republik Kongo haben das bereits abgeschlossen. Aber diese nationalen Zertifikate sind in Ermangelung eines verpflichtenden internationalen Rahmenabkommens international nicht anerkannt. Seit dem Beschluss von November lehnt der Rat daher solche Anfragen ab - sie kamen von SĂŒdafrika, Namibia und Botswana. Bevor auf UN-Ebene eine Entscheidung getroffen ist, wird der Prozess der Diamantenhandelsregulierung nicht weitergehen.
>Wenn aber eine Entscheidung im UN-Sicherheitsrats einmal gefallen ist, stellt sich immer noch die Frage nach den Auswirkungen eines weltweiten Zertifizierungssystems. Das System hat klare Grenzen. Es kann nicht verhindern, dass mit Einnahmen aus dem Diamantenhandel Kriege finanziert werden.
>Das ist auch die Hauptkritik von unabhĂ€ngigen Organisationen am Zertifizierungsprozess. Christian Dietrich vom International Peace Information Service in Antwerpen weist darauf hin, dass Regierungsstellen und Rebellen in Angola ihre Diamanten von den gleichen SchĂŒrfern beziehen. Die einen seien nun legal, die anderen nicht. Am Förderort mache diese Unterscheidung keinen Sinn. AuĂerdem weigere sich SĂŒdafrikas Regierung, die Liste der zugelassenen DiamantenhĂ€ndler des Landes publik zu machen, und Rebellendiamanten aus Angola könnten problemlos in SĂŒdafrika bearbeitet und dann weiterverkauft werden, sagt Dietrich, der vier Jahre lang in SĂŒdafrika lebte. Die Unterscheidung zwischen legal und illegal sei also rein"politisch".
>Van Bockstael sagt dazu, das System solle lediglich verhindern, illegal gehandelte Diamanten in den legalen Handel einzuspeisen."Nehmen wir den Fall Gambia", sagt er."Gambia produziert keine Diamanten und fĂŒhrt offiziell keine ein, aber es exportiert sie. Mit dem neuen System geht das nicht mehr, auĂer wenn Gambia sich dem Prozess anschlieĂt und seine Diamanten offiziell importiert, also mit Herkunftszertifikaten, und sich zur Handelsnation erklĂ€rt wie Israel oder Belgien. Aber wenn Gambia behauptet, es betreibe weder Import noch Export von Diamanten, kann ein HĂ€ndler in Gambia immer noch Diamanten ohne Zertifikat kaufen. Solchen Schmuggel kann das System nicht verhindern. Man kann sich ĂŒberall Diamanten in die Tasche stecken. Aber man wird dann zum Verbrecher, wie ein KokainhĂ€ndler. Auch die Gesetze gegen den Drogenhandel verhindern den Drogenhandel nicht."
>Die BefĂŒrworter des Zertifizierungssystems setzen darauf, dass die HĂ€ndler nicht nur GefĂ€ngnis riskieren, sondern auch ihren Ruf. Wer einmal als Diamantenschmuggler identifiziert wird, verliert nĂ€mlich den Zugang zu dem sehr geschlossenen Kreis der"sightholder", die das alleinige Recht haben, vom sĂŒdafrikanischen DiamantenmarktfĂŒhrer De Beers Diamanten zu erwerben.
>Letztendlich stĂ€rkt das System die Rolle von GroĂproduzenten wie De Beers, BHP Minerals, Rio Tinto und die anderen multinationalen Firmen, die anders als die vielen Kleinproduzenten der Welt an den neuen Regeln mitgeschrieben haben. In der Zentralafrikanischen Republik oder der Demokratischen Republik Kongo fördern Kleinproduzenten ĂŒber drei Viertel der Diamanten, aber sie blieben von den Diskussionen im Kimberley-Prozess ausgeschaltet, ebenso wie die Gewerkschaften groĂer Staatsfirmen wie Miba im Kongo und Endiama in Angola, die einiges an praktischer Erfahrung ĂŒber staatlich organisierten Schmuggel hĂ€tten beisteuern können.
>Sie alle riskieren nun, kriminalisiert zu werden. Die DiamantenhĂ€ndler von Antwerpen haben ihrerseits ein Interesse, gewisse Kreise auszuschalten. Peter Meeus, Generaldirektor des belgischen Diamantenrats, sagte kĂŒrzlich vor einer Anhörung des belgischen Senats, der Handelsort Antwerpen sei geschwĂ€cht worden, und diesen Trend gelte es umzukehren. So hĂ€tte Angola sein Exportmonopol fĂŒr Diamanten an die vom Israeli Lev Leviev gefĂŒhrte Firma Ascorp vergeben und die Regierung des Kongo das ihre an die israelische Idi Diamonds, womit die Diamantenbörse von Tel Aviv einen Aufschwung genommen habe. Andere Importeure auf dem aufsteigenden Ast seien SĂŒdafrika, dessen Diamantenimporte sich zwischen 1996 und 2001 auf 300 Millionen Dollar verdreifachten, und Dubai, wo der Wert der Diamanteneinfuhren 1999 noch bei unter zehn Millionen Dollar lag, 2001 aber bei ĂŒber 180 Millionen. Belgiens DiamantenverkĂ€ufe an die USA hĂ€tten sich zugleich von 140 Millionen Dollar im Jahr 2002 auf 100 Millionen Dollar 2001 verringert. Antwerpen, so die Kritik des Diamantenrates, blute fĂŒr seinen Einsatz gegen die Blutdiamanten.
>taz Nr. 6704 vom 19.3.2002, Seite 4, 320 Zeilen (TAZ-Bericht), FRANĂOIS MISSER
>http://www.taz.de/pt/2002/03/19/a0113.nf/text
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