Hallo nereus,
zunächst mal Danke dafür, dass Du bei diesem emotionalen Thema so cool bleibst und mit Fakten argumentierst.
> Ach so war das!
Die Mietskasernen, die Kinderarbeit und die 60 Stundenwoche ist nur Propaganda von Marx und Engels gewesen.
Die Streiks und Aufstände fanden nur im Fieberwahn der kommunistischen Vordenker statt.
Dies sind Fakten. Es wundert mich auch gar nicht, dass es AUCH so war. Aber beileibe nicht für alle. Selbstverständlich wurden die vielen Fortschritte für die Arbeitenden entweder unter den Teppich gekehrt oder zu Nachteilen pervertiert. Als Beispiel diene die Bemerkung, wie"entwürdigend" es für die Arbeiter sei, Wäsche aus Baumwolle zu tragen. Dass diese - angeblich -"minderwertige" Wäsche natürlich qualitativ besser und vor allem viel billiger war als das"Althergebrachte", davon können wir uns wenigstens heute ein klares Bild machen. ;-)
Engels hat ja seine - natürlich sehr eingängigen -"Bilder" a la"Oliver Twist" auch nicht aus eigenen Erlebnissen zu Papier gebracht, sondern sich ausschliesslich auf eine einzige Quelle verlassen (!!): Und dies war ein hoher britischer Geistlicher.
Preisfrage: Was wird die Motivation dieses Mannes gewesen sein, ein Ergebnis freier gesellschaftlicher Entwicklung so negativ und ausschliesslich negativ darzustellen? Na klar, durch die industrielle Revolution verlor die Kirche massiv an Bedeutung (kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor?). Die Leute verliessen auf einmal ihre"Scholle", wo man sie jahrhundertelang so schön mit dem Kreuz unter Kontrolle halten konnte. Und sie interessierten sich auf einmal viel mehr für das Diesseits als für das Jenseits; ein Faktum, was den damals Mächtigen gar nicht gefallen konnte. In die gleiche Richtung kannst Du Dir auch die Motivation der Verfasser Deiner zitierten"erzkonservativen Schriften" von damals ausmalen. Das ancien regime war durch die im Kern FREIHEITLICHE Entwicklung von damals in großer Gefahr.
Ich hab das alles jetzt ebensowenig im Kopf wie Du, aber wenn Du mir zustimmen kannst, dass man mit einseitiger Geschichtsrezeption ein großes Risiko eingeht, dann such doch mal im Internet unter"Lord Acton". Der hat damals schon die Lage wesentlich differenzierter dargestellt.
> Du willst mich doch wohl nicht auf den Arm nehmen?
Nein, aber Dir eröffnen, dass Du ein Opfer von Geschichtsfälschung sein könntest, genauso wie ich letztes Jahr erkennen musste, ein solches lange Zeit gewesen zu sein.
Wenn ich auf Deine folgenden Aussagen aus Platz- und Zeitgründen nicht konkret eingehe, so hat dies auch folgenden Grund:
Ich glaube nicht daran, dass IRGENDEIN Zwang gegen einen Menschen, der diesem Zwang ausgesetzt ist, diesem Menschen zum Vorteil gereicht. Er bedeutet zumindest immer einen Nachteil - und zwar immer den Vorteil der Untergeordnetheit, der Entmündigung. Zwang bedeutet, dass ihn auch jemand ausübt. Und dass Widerstand bestraft wird. Mit den Mitteln des Gezwungenen.
Wer immer anderen einredet, es bringe Vorteile, sich einem Zwang zu unterwerfen, verfolgt damit ausschliesslich eigene Ziele: Er meint, es bringe IHM selbst einen Vorteil. Ob als Zwangausübender oder selbst -unterworfener, ist von untergeordneter Bedeutung. Es bleibt immer eine eigennützige Aussage.
Der Silberadler ist also immer höchst misstrauisch, wenn ihm ein Zwang, dem er sich ja doch niemals entziehen kann (ausser durch Flucht - aber wohin?), als angeblicher Vorteil verkauft wird. De facto war dieses Misstrauen noch jedesmal goldrichtig. ;-)
Ich will Dir Deinen Glauben an das"Gemeinwohl", die"allgemeinen Interessen" usw. nicht nehmen. Ich halte sie jedoch für eine Illusion. Die obendrein immer wieder aufs Massivste zu Lasten derer ausgenutzt wurde, die daran glauben gemacht wurden.
Das Plädoyer für gleiche Rechte für alle muss man freilich nicht mögen. Wir haben ja gesehen, dass es vielen nicht gefallen hat, die dabei um ihre Privilegien bangen mussten. Aber eines kann man dieser Sicht nicht vorwerfen: Sie entwurzle die Menschen aus ihrer sozialen Gemeinschaft und Verantwortung. Das Gegenteil ist der Fall!
Denn erst, wenn auch wirkliche Koalitionsfreiheit gegeben ist, besteht überhaupt so etwas wie"Auswahlmöglichkeit". Kein System ist für alle das"Beste". Die gegenwärtige Ordnung (die immer noch das alte ancien regime ist, nur besser getarnt als damals) lässt diese Auswahlmöglichkeit aber konsequenterweise nicht zu. Denn diese wäre ihr Ende. Von heute auf morgen.
Somit sollte auch klar sein, was ich hier immer von"innerer Kündigung" schreibe...
Gruß, silvereagle
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