Die website der Grünen in NRW war einige Zeit nicht zugänglich. Hier der Wortlaut des Briefes der Parteisprecherin zum Partei-Austritt von Herrn Karsli.
Die Frage, die sich mir stellte war: Was geschah bei den Grünen zwischen dem 15. März 2002, dem Tag an dem Karsli seine Presseinformation zu den angeblich Nazi-Methoden der israelischen Armee veröffentlichte und dem Tag seines Parteiübertritts ("ohne jede Vorwarnung"), dem 23. April 2002? Hat irgend jemand in diesen fünf Wochen öffentlichen Protest bei den Grünen vernommen?
Popeye
Parteiübertritt Jamal Karsli zur FDP
An die Kreisverbände von Bündnis 90/Die Grünen NRW
Sonderverteiler
Düsseldorf, 23.04.2002
Liebe Freundinnen und Freunde,
der Landtagsabgeordnete Jamal Karsli hat uns heute überraschend
und ohne jede Vorwarnung mitgeteilt, dass er aus den Grünen
austritt. Jamal Karsli will sein Landtagsmandat behalten und zur
Fraktion der FDP übertreten. Er hat dies bereits mit dem
Fraktionsvorsitzenden der FDP, Jürgen Möllemann, abgesprochen und
wird am morgigen Mittwoch mit Möllemann gemeinsam in Düsseldorf
vor die Presse treten. Jamal begründet seine Entscheidung mit der
aus seiner Sicht"nicht mehr zu ertragenden einseitigen Politik der
Grünen zugunsten Israels" im aktuellen Nahost-Konflikt.
Um es klar zu sagen: Wir haben für Jamals Schritt und die
Vorgehensweise keinerlei Verständnis. Wir haben ihn aufgefordert,
sein über die grüne Landesliste gewonnenes Mandat zurückzugeben,
wozu er sich nicht bereit zeigte. Sein Übertritt zur FDP ist aus unserer
Sicht ein kalkuliertes Manöver, dass Möllemann und seiner
populistischen Haltung zum Nahost-Konflikt in die Hände spielt.
Schon seit mehreren Monat gab es einen schwelenden Konflikt
zwischen Jamal Karsli einerseits und Partei- und Fraktionsspitze, aber
auch mehreren Initiativen und NGO´s andererseits über seine
Stellungnahmen zum Nahost-Konflikt und auch zum Umgang mit
dem Irak. Anfang Juni 2001 reiste Jamal Karsli auf Einladung der
irakischen Regierung in den Irak und nahm dort an einem
Propaganda-Programm des Regimes von Saddam Hussein teil.
Angelika Beer und das Auswärtige Amt hatten Jamal zuvor dringend
von der Teilnahme an dieser Reise abgeraten. Nach dieser Reise
verfasste Karsli einen Bericht, den er sowohl öffentlich machte als
auch an den Bundeskanzler, den Bundespräsidenten und andere
sandte. In diesem Bericht forderte Jamal, die Sanktionen gegen das
irakische Regime aufzuheben, sprach von einer"vernünftigen
Behandlung der irakischen Bevölkerung durch die Regierung Saddam
Husseins" und von westlicher Propaganda gegen das Regime.
Daraufhin haben sowohl wir als auch die Fraktionsspitze Jamal
aufgefordert, den Bericht zurückzuziehen.
Als Reaktion auf die Irak-Reise und Jamals Bericht forderte die
"Gesellschaft für bedrohte Völker" Jamal zum sofortigen Rücktritt als
migrationspolitischer Sprecher unserer Fraktion und als Mitglied des
Petitionsausschusses auf. Der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch
schrieb unter anderem an Jamal:"Sie verharmlosen das
verbrecherische Regime im Irak. Verlassen Sie den
Petitionsausschuß. Sie dürfen nicht weiter über das Schicksal von
Angehörigen der kurdischen Volksgruppe, der assyrisch-aramäischen
Christen oder anderer Minderheiten aus dem Irak entscheiden
können. Sie dürfen Ihre Position in der grünen Partei nicht benutzen,
um für eine extrem chauvinistische arabische Ideologie zu werben."
Der"Internationale Verein für Menschenrechte der Kurden","Wadi
e.V." und"Medico e.V." wandten sich in gleicher Angelegenheit an
Landes- und Bundesvorstands mit der Bitte"geeignete Maßnahmen
zu ergreifen, dass weder Herr Karsli noch irgendjemand anders
politische Kontakte zur Diplomatie des Genozids eröffnen".
Wir haben daraufhin ein weiteres langes Gespräch mit Jamal geführt,
in dem er seine inhaltliche Position verteidigt, sich aber verpflichtet
hat, diese in angemessenerer Weise kundzutun. Wir haben deshalb
Jamal zunächst gegen die Rücktrittsforderungen der Initiativen in
Schutz genommen.
Am 15. März dieses Jahres veröffentlichte Jamal Karsli eine weitere
Presseinformation unter dem Titel"Israelische Armee wendet
Nazi-Methoden an". Daraufhin führten wir ein weiteres Gespräch mit
ihm, in dem wir ihn aufforderten, bei allem Verständnis für
berechtigte Kritik am Vorgehen Israels, diesen unsäglichen Vergleich
zu unterlassen. Auch hierzu verpflichtete sich Jamal.
Heute nun war Jamal das erste mal seit der Osterpause wieder in
einer Sitzung der Landtagsfraktion und hat seinen Entschluss
mitgeteilt. Wir haben daraufhin umgehend das Gespräch mit ihm
gesucht. Er teilte uns mit, dass er gerade von einem Gespräch mit
Möllemann käme und weder in der Frage des Parteiaustritts noch in
der Frage der Mandatsrückgabe noch umzustimmen sei. Für diesen
Entschluss gab es vorher keinerlei Anzeichen, vielmehr hatte Jamal
mit Möllemann bereits seinen Übertritt vereinbart, bevor er uns
informierte.
Die von uns geschilderte Vorgeschichte ist in mehreren Briefen der
Initiativen und von uns dokumentiert. Bei Interesse stellen wir Euch
auch diese Dokumente zur Verfügung.
Mit grünen Grüßen
Britta Haßelmann
Landesvorstandssprecherin
Dr. Frithjof Schmidt
Landesvorstandssprecher
<ul> ~ http://www.gruene-nrw.de/Brief_Jamal.628.0.html</ul>
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