Warum Kamerun uns heute besiegt...
Pro Kamerun
Von Sven Beckedahl
Für die einen war es nur ein blöder Ausgleichstreffer, für mich war es der Anfang vom Ende der Fußballweltmeisterschaft. Zumindest aus deutscher Sicht. Als Robbie Keane vergangenen Mittwoch in der Nachspielzeit zum 1:1 für Irland traf, dämmerte die schreckliche Gewissheit: Wir werden das deutsche Team nur noch einmal sehen bei dieser WM - im letzten Gruppenspiel heute gegen Kamerun. Die Niederlage, so scheint es, ist unausweichlich.
Die alerten Afrikaner haben unseren Nationalspielern Entscheidendes voraus: den Mut zur Lockerheit. Während die deutschen Berufsspieler häufig den Eindruck vermitteln, Fußballspielen sei ähnlich lausig, wie an einem Hochofen zu schuften, scheint es den Kameruner Kollegen tatsächlich Spaß zu machen."Die Jungs", da ist Nationaltrainer Winfried Schäfer ganz sicher,"würden auch lachen, wenn ich sie um vier Uhr morgens auf den Platz scheuchen würde."
Vor der schicksalhaften Begegnung mit der DFB-Elf schickte sie Schäfer vorerst nur auf den Rummelplatz. In der höchsten Achterbahn der Welt rasten sie mit bis zu 172 Stundekilometern durch die Gegend, schleckten Eis, fotografierten sich gegenseitig - und im Hintergrund schien der Fudschijama milde zu lächeln. Wenn die Kameruner, genannt Löwen, dann doch mal trainieren, weht Ferienklubatmosphäre über den Rasen. Sie tanzen, singen, klatschen, ab und zu spielen sie sogar Fußball. Humor ist, wenn man trotzdem siegt.
Zugegeben, die bisherigen Darbietungen der Kameruner gegen Irland (1:1) und Saudi-Arabien (1:0) waren schon ein ziemlich freudloses Gegurke. Doch im Match heute sind die Vorzeichen andere. Mittelfeldspieler Geremi Njitap Fotso wies zu Recht darauf hin:"Deutschland ist unser leichtester Gegner, weil wir kein Favorit sind. Wir haben noch gar nicht gezeigt, was in uns steckt."
Sein Trainer widerspricht da gar nicht. Neuerdings leitet Winfried Schäfer seine Sätze gern mit der ersten Person Plural ("Wir Afrikaner") ein. Das Mitgefühl für uns Deutsche geht ihm heute folglich ab."Ich kann keine Rücksicht nehmen, nur weil ich Deutscher bin", dröhnt der Karlsruher,"ich bin ein Löwe, will mit meinen Jungs nach Korea zum Achtelfinale fliegen und vor allem für das kamerunische Volk siegen." Und was ist mit uns? Vor dem Schäfer-Stündchen in Shizuoka bestätigen die Mitglieder der DFB-Reisegruppe leider meine ärgsten Befürchtungen und präsentieren sich miesepetrig. Teamchef Rudi Völler war schon beim Kofferpacken genervt. Hemden und Hosen zusammenlegen. Puh, ist das anstrengend."Vor allem", so Völler,"wenn die Ehefrau nicht dabei ist, die das sonst immer macht." Schlimm, und da gibt es doch tatsächlich Leute, die geraten über Nitrofen-Skandal oder Arbeitslosenquoten in Wallung. Oder über eine Niederlage gegen Kamerun, wie ich zum Beispiel. Denn hätte Robbie Keane nicht getroffen, könnte uns die Angelegenheit so herrlich egal sein. Dann wären wir schon seit einer Woche im Achtelfinale.
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