>http://f10.parsimony.net/forum14061/messages/32998.htm
>Geschrieben von THC am 02. September 2000 11:19:12:
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>"Ich hab mehr Einfluss als die Präsidenten" > Al Gore will der mächtigste Mann der Welt werden."Ach, der kleine Al", sagt sein Cousin Gore Vidal, > Bestsellerautor und schwarzes Schaf einer der einflussreichsten Familien Amerikas. Er schrieb Reden für > Präsidenten, war am Hof von John F. Kennedy:"Das hat mir die Augen geöffnet." Seitdem weiß Vidal, was > der Job im Weißen Haus aus Männern macht: gefährliche Angsthasen,"die Bomben werfen, um Spuren zu > hinterlassen" > Mr. Vidal, Ihr Cousin Al Gore, der jetzt amerikanischer Präsident werden möchte, scheint mächtig Angst vor > Ihnen zu haben. > *Wieso? Wie kommen Sie denn da drauf? > Immerhin hat er aus dem fernen Washington einen Emissär hierher zu Ihnen nach Süditalien geschickt, damit > Sie vor den Wahlen nichts Abfälliges über ihn sagen. > *Es war ein Herr aus Washington hier bei mir in Ravello, das stimmt, er saß da, wo Sie nun sitzen, seinen > Namen habe ich schon wieder vergessen, und es war mit ihm, wie es bei Politikern eben ist: Er hat viel geredet, > aber nichts gesagt. > Aber die Botschaft war klar: Sie sollen... > *... ich soll gar nichts, und ich muss nichts. Ich werde jetzt nichts über Al sagen. Es ist einfach so, dass ich > weiß, wie die Menschen ticken, die die Macht haben. Ich war einer von ihnen, ich komme aus der > herrschenden Schicht. Die Gores kontrollierten mal fünf Südstaaten. Mein Großvater hat - aus einer Laune > heraus - den Staat Oklahoma erfunden, ich war auf den richtigen Schulen, die die Führer für"Corporate > America" erziehen. > Sie sollten Präsident werden, so sah es der Familienplan vor. Doch Sie haben versagt. > *Jetzt erfüllt halt Al die Bestimmung der Familie. Na und? Ich stand mal an der Weggabelung: Literatur oder > Politik? Ich habe mich fürs Schreiben entschieden. Doch mir geht es wie Perikles, der zu Sophokles sagte:"Für > wen Politik kein Thema ist, der hat gar keines." Ich habe mich deswegen mit meinen Büchern in die Politik > eingemischt, auch wenn sie versucht haben, mich totzuschweigen. > Sie meinen, Sie wurden boykottiert? > *Ja, sie wollten mich ausradieren. Die"New York Times" hat von mir keine Bücher besprochen, und wenn ich > vor Tausenden aufgetreten bin - kein Wort gab es darüber. So ging das zehn Jahre,"Time" und"Newsweek" > haben ebenfalls mitgemacht. Ich habe das überlebt. Später war ich dann doch noch auf dem Cover von"Time" > - wie mein Großvater und mein Vater vor mir. Jetzt bin ich alt, aber ich hatte und habe mehr Einfluss auf die > Gesellschaft als die Präsidenten, mit Ausnahme unserer Kriegsprä sidenten. > Kann es sein, dass Sie sich da ein wenig überschätzen? Ihre Präsidenten sind... > *... ja, was denn? Was ist denn ein Präsident? Er ist das Sprachrohr der Konzerne - und sonst gar nichts. > Richard Nixon hat mal gesagt, für die Innenpolitik brauche man gar keinen Präsidenten, die Konzerne würden > schon alles richten. Deswegen interessieren sich alle Präsidenten für die Außenpolitik, da können sie Spuren > hinterlassen: Bomben auf eine Aspirinfabrik im Sudan werfen, einen kleinen Krieg hier, einen größeren Krieg > da anzetteln - das ist ihr Job. Seit Dezember 1941 haben wir keinen Krieg mehr erklärt, doch seither über 150 > geführt. Immer in schlechter Absicht, aus Eigennutz heraus. Wir sind keine Demokratie mehr. Wir haben > unsere Verfassung schon längst aufgegeben. > Sie sind frustriert und zynisch. > *Nein. Das Militär befiehlt dem Präsidenten: Wir brauchen mehr Geld, und der Präsident gehorcht. Unsere > Polizei ist außer Kontrolle. Millionen werden abgehört. Zwei Millionen sitzen in den Gefängnissen. Wir bereiten > uns auf einen neuen Hitler vor. Wir leben in einem faschistischen Staat. > Das ist doch Unsinn. > *Meinen Sie? Ihr Europäer habt doch keine Ahnung von Amerika! Aber Deutschland war ja schon immer > unsere loyalste Provinz. Schröder, Fischer? Treue Untertanen. Ihr seht unsere Filme und denkt, das ist die > Realität. Wir beherrschen die Werbung, wir wissen, wie man Images schafft. Die moderne Diktatur kommt > nicht mit braunen oder schwarzen Uniformen daher. Wir machen das mit Unterhaltung, mit Fernsehen, mit > Spaß, Spaß. Und einer Erziehung, die verdummt. > Wie? Die Amerikaner sind doof? > *Ich mag Verallgemeinerungen nicht, aber wir sind das ignoranteste Volk der westlichen Welt. Neulich sollten > College-Studenten Amerika auf einer Weltkarte bestimmen - 80 Prozent fanden unser Land nicht. Und nicht > wenige votierten für Panama, weil es so schnuckelig daliegt in der Landenge zwischen Nord- und Südamerika. > Und ganz nebenbei haben sich in den letzten 15 Jahren allein in Kalifornien mehr als 10 000 Jugendliche > gegenseitig abgeschossen. > Der Rapper Ice Cube freut sich in einem Song über den Tag, an dem niemand starb, den er kannte:"Nobody I > know got killed today, in South Central L.A., it was a good day." > *Ein sehr romantisches Lied. > Die Schauspielerin Joanne Woodward sagte unlängst, Sie hätten sich aus dem Mainstream der Gesellschaft > entfernt: Sie würden immer noch rumteufeln wie die Radikalen der 60er und 70er Jahre. > *Die 60er interessieren mich nicht. Wenn sich jemand aus dem Leben zurückgezogen hat, dann sind das > Woodward und ihr Mann Paul Newman. Vielleicht passe ich auch nicht in das Bild, das sich Joanne vom Leben > macht: dass man heiratet und Kinder hat. Ich mische mich ins Leben ein, mache im Wahlkampf mit. In Los > Angeles stand bei einer Versammlung mal eine Frau auf und sagte:"Mr. Vidal, ich habe zwei Fragen. Erstens: > Was kann ich als amerikanische Hausfrau tun, um den Kommunismus zu bekämpfen? Zweitens: Was ist > Kommunismus?" Das fragt sie gut gelaunt, und dann geht sie ab in den nächsten Film. Viel Spaß, gute > Unterhaltung. > Sie selbst haben Filme für Hollywood geschrieben. Ihr"Ben Hur" ist auch nicht gerade ein Werk, das die > Massen aufklärt. > *Es ist ein schlechter Film, lustig ist allenfalls, dass Charlton Heston nicht mal gemerkt hat, dass ich ihm > schwule Szenen reingeschrieben habe. Er ist ein Depp, aber gefährlich, er ist Chef der Waffenlobby. Tja, > Schauspieler! Hätte ich damals Ronald Reagan eine Rolle in meinem Film"The Best Man" gegeben, er wäre > nie Präsident geworden. Er wäre in Hollywood geblieben. > Aber Sie selbst drängten ins Weiße Haus. Sie waren doch stolz, im Beraterstab von John F. Kennedy zu sein? > *Stolz? Ich würde eher sagen: Es hat mir die Augen geöffnet, an seinem Hof zu sein. Im August 1961, > während der Berlin-Krise, stand die Welt am Rande des Atomkriegs. Diese Tage verbrachte ich mit Jack, wie > er bei uns hieß. Jede Nacht schrieb ich mit, was ich bei ihm erlebte. Dort drüben sind die Blätter. Ich hatte ja > erwartet, Kennedy würde diese Tage im Weißen Haus verbringen, aber er war mit Jackie
>... Ihrer Stiefschwester... > *auf seinem Landsitz"Hyannisport". Damals lief es mir kalt über den Rücken, dass unser Leben in den Händen > von Jack und Bobby lag. Jack wollte nicht bloß Kalten Krieg spielen, er wollte Kriege gewinnen, egal wo, > irgendwo. Er dachte immer an seinen Ruf. Deshalb Kuba, das Abenteuer Schweinebucht, die unzähligen > Versuche, Fidel Castro zu töten. Er war mit dem ganzen Kalter-Krieg-Dreck aufgezogen worden, er war > römisch-katholisch, aus irischer Familie, und das heißt: Er war rechts. Er wollte einen sicheren Krieg, bei dem > nicht die ganze Welt auseinander fliegt. Er wollte Ruhm. Deshalb Vietnam. Tausend Tage war er an der > Macht, und in dieser kurzen Zeit stieg der Rüstungshaushalt um sieben Milliarden Dollar. Nochmals tausend > Kennedy-Tage, und wir wären alle tot gewesen. > Sie mögen die Kennedys nicht. > *Ach, sie mögen mich nicht, weil ich ihren Plan aufgedeckt habe, dass sie eine Dynastie errichten wollten: Jack, > Bobby, Teddy und so weiter. Jack war immerhin ein bisschen zivilisiert, hatte ein paar Bücher gelesen, aber > Bobby - mein Gott, er war ein Barkeeper, er wollte Leute zusammenschlagen, er war ein ungehobelter Wilder. > Als Bobby 1968 niedergeschossen wurde und im Sterben lag, hat eine seiner Schwestern bei der Mutter Rose > angerufen. Und was sagte die liebe Mutter?"Jetzt muss Teddy ran!" > In Ihrer Autobiografie schreiben Sie wirklich Unfreundliches über John F. Kennedy, zum Beispiel so etwas:
>"Ich weiß noch, dass er es gern in heißem Badewasser machte, mit der Frau oben wegen seiner > Rückenverletzung. Einmal hatte er eine Schauspielerin, die ich kenne, plötzlich zurückgestoßen, bis ihr Kopf > unter Wasser war, was ihr einen Scheidenkrampf und ihm einen Orgasmus bescherte." > *Was ist daran unfreundlich? Ich habe es geschrieben, weil es über den Menschen Kennedy etwas aussagt. > Und über die Macht. Außerdem habe ich auch über mich geschrieben, dass wir damals - und dazu gehörten > auch Marlon Brando, Tennessee Williams und noch einige andere - nichts anderes wollten als möglichst viele > Orgasmen mit möglichst vielen Partnern. > Angeblich hatten Sie ja schon mit 25 über tausend Beziehungen - mit Männern und Frauen, mit Anais Nin und > Jack Kerouac... > *Es war Sport, ein Spiel, nicht Liebe. Kennedy war schwer krank, er bekam ständig Cortison, und sein Arzt, ein > rechter Quacksalber war das, hat ihm auch noch Speed verschrieben. Er war manchmal gar nicht richtig bei > sich - aber Cortison stimuliert wohl. Seymour Hersh, der über die Kennedys schrieb, hat mir eine Geschichte > erzählt, die ihm unglaublich vorkam. Er hatte sie von einem Sicherheitsbeamten. Dessen Job war es, für Jack > Prostituierte zu besorgen. Dann waren sie in der Wanne, sie lag auf dem Präsidenten, und der Agent musste, > wenn Jack so weit war, von hinten den Kopf der Frau unters Wasser drücken. > Solche Geschichten erwartet man von römischen Kaisern. > *Unsere Präsidenten sind Imperatoren. > Und die denken so: Ich bin der mächtigste Mann der Welt, ich kann tun, was ich will. Denken sie so? > *Nein, so denken sie nicht. Normalerweise haben sie einfach eine große Paranoia. Sie denken:"Die da > draußen, die wollen mich kriegen!" Die da. Es sind immer"die da". Sie werden ständig beobachtet, sie fühlen > sich stets gefährdet. Es sind die gleichen Ängste, wie sie die Cäsaren früher in Rom hatten. Der römische > Kaiser Domitian wurde belächelt, weil er sich von seiner Sicherheitsgarde so heftig beschützen ließ, sich kaum > aus seiner Villa oben auf dem Berg raustraute. Und er sagte:"Die meisten meiner Vorgänger sind ermordet > worden, und deshalb ist es doch klar, dass ich ständig an Attentat, Mord und Totschlag denke." Er wurde dann > ja auch ermordet. Das beschreibt genau den Seelenzustand unserer Präsidenten. > Und doch wollen Gore oder Bush ganz verzweifelt genau das werden: Präsident. > *Ja, es ist wie mit den Spielern in Las Vegas: Sie sind süchtig. Du weißt genau: Du kannst Geld verlieren, dein > Leben - aber du kannst das Spiel nicht sein lassen. Und dazu kommt noch: Das Weiße Haus ist etwas > Besonderes. Es verändert jeden, es holt den Macho aus einem raus: Man kann Herr über Leben und Tod sein. > Der amerikanische Präsident ist ein Imperator. Er ist der Oberbefehlshaber der mächtigsten Armee der Welt. > Wenn er auftritt, entfaltet sich mit großem Pomp eine riesige Zeremonie. Das beeindruckt. > Und für diese Show nimmt man in Kauf, unter ständiger Belagerung zu leben. > *Ja. Vor einiger Zeit war ich bei Hillary Clinton im Weißen Haus. Zwei Tage vorher hatte ein Verrückter mit > einem Maschinengewehr die ganze Front des Hauses mit Kugeln aufgeschossen, Maler waren gerade dabei, > Farbe über die Löcher zu pinseln. Ich wollte Hillary zum Essen einladen. Sie war völlig verdutzt, schüttelte den > Kopf und sagte, sie habe erst neulich mit einem Sicherheitsbeamten gesprochen, das sei unmöglich, spontan so > etwas zu tun. Den Sicherheitsleuten wäre es am liebsten, meinte sie, sie würde nur im Panzer durch die Stadt > fahren und im Bunker wohnen. > Sie gehen am 7. November zur Wahl? > *Ja. Es macht mir Spaß zu beobachten, wie die Menschen gegen ihre eigene Interessen stimmen. Wie sie die > Flaggen hochhalten, um blind und treu wie christliche Soldaten gemeinsam übers Kliff zu gehen. Ich mag das, > das ist schwarzer Humor. Ihr Deutschen habt dafür ein schönes Wort: Schadenfreude. Vielleicht stimme ich > dem Clan zuliebe ja für Al, ich weiß es nicht. > Mit ihm wird alles besser? > *Wieso denn? Das ist doch keine Wahl. Die Menschen wissen, dass sie betrogen werden. Wie viele wählen > denn noch? Das System ist tot. Die zwei Kandidaten sind Vertreter einer Partei mit zwei rechten Flügeln. > Beide sind Südstaatler, beide aus alten Dynastien, beide werden dem Militär noch mehr Geld geben. Bush ist > unerträglich: Sein Staat ist Weltmeister bei Exekutionen, amerikanischer Meister in der Umweltverschmutzung. > Und Al Gore? > *Ach, der kleine Al? Little Al. Ich weiß nicht, was er will. Er ist ehrgeizig. Seinen Namen hat Albert verkürzt, > damit er volkstümlicher klingt. Wir Gores sind immer witzig und charmant, wir können Frauen und Männer > betören. Al hat offenbar hart daran gearbeitet, dass man von all dem nichts bei ihm merkt. Er hat ein Buch über > die Umweltkrise geschrieben: Langweiliger Stil, und er kriegt das heraus, was jeder herauskriegt, der über das > Thema nachdenkt. Er war für Reagans Angriffe auf Grenada, Libyen, er war mit einer Hand voll > demokratischer Abgeordneter für Bushs irrsinnigen Irak-Krieg. Er hat die richtige Frau geheiratet, er hat die > richtigen Kinder - und sie sehen besser aus als im Gore-Clan üblich. Das steht fest: Er wird sich im Oval Office > nie an jemand ranmachen. Und das Gute ist: Niemand wird sich an ihn ranmachen. Politisch wird er nichts > bewirken. > Der spanische Schriftsteller Jorge Sempron klagt über eine beklemmende Ausweglosigkeit: Einerseits seien die > Gesellschaften"unüberwindlich", andererseits aber"unerträglich". Dennoch müsse man das Unmögliche > versuchen: sie"überwinden". > *Er hat Recht. Ich schreibe, obwohl ich weiß, dass immer weniger Menschen lesen, dass kaum noch jemand > nachdenkt. Ich bin ein Gegengeschichtsschreiber, und ich will die Wahrheit über dieses Land aufschreiben, der > Wahrheit zumindest nahe kommen. Ohne Hoffnung hoffe ich. Es gibt keinen Winterpalast, den man angreifen > kann. Und dass ich weitermache, hat wohl mit meiner DNS zu tun. Ich muss es auf Deutsch sagen: Ich kann > nicht anders. > Mr. Vidal, Sie sind wahrscheinlich einer der wenigen, die jemals nackt im US-Kongress rumgerannt sind. > *Ach, das ist lange her, eine völlig andere Zeit, damals fuhr der Präsident noch selber im Auto durch die > Gegend. Washington war einfach eine kleine Südstaatenstadt, verschlafen. Es gab damals noch keine > Klimaanlagen. Es war fürchterlich heiß, ich war zehn und bei meinem Großvater, er war blind, ich habe ihm > immer die Akten vorgelesen, und dann sind wir in den Senat marschiert. Auf dem Flur kam uns der > Vizepräsident John Garner entgegen, und der meinte:"Senator, der Kleine ist ja nackt!" Aber das stimmte gar > nicht, ich hatte noch eine Badehose an. > Warum haben Sie eigentlich mit Ihrer Klasse gebrochen? > *Mein Großvater wollte, dass ich in die Politik gehe. Ich sollte in den Senat. Alles war abgesprochen, mit den > wichtigen Gouverneuren, der ganzen politischen Maschinerie. Aber ich bin zum Schreiber geboren, ich konnte > dagegen nichts machen. Ich bin also nach Mexiko und habe das Buch"Geschlossener Kreis" geschrieben. > Damit bin ich ausgestiegen, seitdem bin ich dazu verurteilt, Außenseiter zu sein, das schwarze Schaf meiner > Familie. > Mit dem Roman"Geschlossener Kreis" lösten Sie einen Skandal aus, für die damalige Zeit schrieben Sie sehr > offen über Homosexualität und... > *... und es hatte Wirkung, damals wurde ja noch gelesen. Es hat Thomas Mann dazu gebracht, seinen"Felix > Krull" zu Ende zu schreiben. Ich habe das erst vor ein paar Jahren erfahren, aber das freut mich sehr. > In seinen Tagebüchern lobt er ganz"ergriffen" Ihr Werk"als ein wichtiges, menschliches Dokument, von > ausgezeichneter und belehrender Wahrhaftigkeit". > *Er war 75, als er das geschrieben hat, ich 25, und es bewegt mich sehr, weil ich von Thomas Mann beeinflusst > bin, ich habe fast alles von ihm gelesen. Ohne ihn hätte ich nie historische Novellen geschrieben. Und Hans > Castorp, der Held aus dem"Zauberberg", war Vorbild für viele meine literarischen Helden. > Aber Mann kritisierte Sie auch, ihn störte"das Sexuelle, die Affairen mit den diversen Herren". Die seien ihm
>"eben doch unbegreiflich. Wie kann man mit Herren schlafen?" > *Dass er das Wort"Herr" benutzt, ist doch interessant. Es zeigt seine Unsicherheit, aber ich denke, dass er > Herren, wahrscheinlich eher Jungen, schon zugetan war und es mit ihnen wohl auch getan hat. > Sex zwischen Männern, meint der deutsche Filmemacher Rosa von Praunheim, sei wie eine Droge, eine Art > Kampf:"Die Brust des Mannes ist wie ein Panzer, etwas Ebenbürtiges, dem ich mich dann entgegensetze." > *Ja? Ich sehe das eher von der technischen Seite. Ein Bekannter von mir meinte, der wirkliche Unterschied sei > der: Männer haben mehr Haare auf den Beinen. > Sie klingen unromantisch. > *Ja, so ist es aber. > Und deswegen stellen Sie manchmal deprimiert fest, dass"ich vergessen habe, Vorkehrungen für den Sex > heute zu treffen". > *Ja. Aber die Tragik des Satzes steckt in dem Wörtchen"vergessen". Das ist das Alter. Mein > Kurzzeitgedächtnis lässt mich im Stich. > Alt werden ist nicht schön. > *Nein. Mein Körper zerfällt. Der Genuss lässt nach. Meine Zunge spürt nicht mehr alles, ich kann nicht mehr > so viel Wodka trinken, wie ich möchte. Alles verschwindet. > Im Blick zurück: Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie erreicht haben? > *Ja. Aber ich wäre gern Cäsar gewesen, um die Republik zu retten. Hätte ich gewusst, dass ich so alt werde, > hätte ich als junger Mann nicht so viel geschrieben; ich schreibe alles von Hand, alles oft vier-, fünfmal. Aber > ich klage nicht. Es ist schön hier. > So schön, dass Kanzler Schröder voriges Jahr seinen Urlaub in Ihrer Villa verbringen wollte. > *Es gab eine Anfrage der italienischen Regierung. Man bot mir viel Geld, aber ich hätte für Herrn Schröder ja > alles aufräumen müssen, das wollte ich nicht. Ich weiß nicht, ob Ihr Kanzler weiß, dass das Haus historisch > vorbelastet ist: Der letzte italienische König war hier ein paar Stunden vor seinem Rücktritt. > Nochmals, sind Sie zufrieden? > *Ich agiere. Ich bin jetzt 74, in ein paar Tagen wird am Broadway mein Stück"The Best Man" wieder > aufgeführt, ich fliege morgen nach Los Angeles, treffe Ralph Nader, den Außenseiter im Wahlkampf. Wissen > Sie übrigens, dass ich gerade zum bestbezahlten Fotomodell der Welt avanciert bin?"Absolut Wodka" haben > mich für ihre Werbekampagne von Annie Leibovitz fotografieren lassen, sie haben mir ein Vermögen bezahlt. > Das ist alles nett, aber trotzdem: Meine Uhr läuft ab. > Sie haben sich Ihre Grabstelle ja schon ausgesucht. > *Ja, und es beruhigt mich zu wissen, wo ich beerdigt sein werde. In Washington auf dem Friedhof Rock Creek > Park, in der Abteilung E, Reihe 293, Grabstätte zwei. > Bert Brecht wünschte sich für seinen Grabstein die Inschrift:"Er hat Vorschläge gemacht, wir haben sie > angenommen." > *Wie? Das ist doch größenwahnsinnig! Meine Grabplatte ist schon fertig, da ist nur mein Name drauf. Man > muss nur noch den Todestag einmeißeln. Ich werde da liegen zwischen Jimmy Trimble
>... Ihrer im Weltkrieg gefallen Jugendliebe... > *... ja und neben meinem Lebensgefährten Howard Austen und dem Historiker Henry Adams, zwischen > Gefühl und Geist also. Auch George McGovern, der 1972 Präsident werden wollte, hat sein Grab dort > ausgesucht. Es ist ein wunderschöner Platz - man hat einen herrlichen Blick Richtung Weißes Haus. > Quelle: STE I Ausgabe: 36 I 31-08-2000 I Seite: 90 I Autor/in: *ARNO LUIK*
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