aus der DIE WELT v. 24.6.02
Gold - das schlechte Geschäft der Notenbanken
Kolumne
Von Marc Faber
Während am Ende der siebziger Jahren Anleger rund um die Welt Tag und Nacht Gold kauften oder verkauften und, mit Ausnahme von Minenaktien und Ã-lwerten, an Aktien und Obligationen kaum Interesse bekundeten, kehren in den letzten Jahren die Investoren Rohstoffen und Edelmetallen praktisch den Rücken.
Die allgemeine Meinung war, dass Gold als Anlageobjekt völlig uninteressant sei und dass der amerikanische Dollar, Gold als sicherer Hafen und Ankerwährung in der Welt ersetzt hätte. Man argumentierte, dass in einem Umfeld geringer Inflation der Kauf von Aktien und Obligationen wesentlich höhere Gewinne mit sich bringen würde als Anlagen in Rohstoffe, die ohnehin an einem Überangebot litten.
Zudem vertraten führende Strategen die Meinung, dass die regelmäßigen Goldverkäufe der westlichen Zentralbanken den Goldpreis wesentlich tiefer drücken würden und Gold rein volkswirtschaftlich gesehen, weder einen Wert noch eine Bedeutung hätte.
Als konträrer Anleger hat mich natürlich die negative Haltung der Investoren gegenüber Gold und ihre positive, ja euphorische Einstellung gegenüber Technologieaktien schon erstaunt und dies aus einer Reihe von Überlegungen. Einmal habe ich mich immer wieder gefragt, ob die Notenbankpräsidenten völlig geschäftsuntüchtig sind, nachdem sie am Anfang der achtziger Jahren ihre Goldbestände bei einem Preis von stolzen 600 Dollar pro Unze hätten veräußern können und die Erlöse in amerikanischen Staatsobligationen, die damals um 15 Prozent Rendite abwarfen oder im Geldmarkt, der knapp unter 20 Prozent bot, hätten reinvestieren können. Weshalb haben die Notenbanken rund 20 Jahren gewartet, um ihre Goldreserven zu einem Preis von weniger als 300 Dollar zu verkaufen und den Erlös in Obligationen oder im Geldmarkt zu investieren, der aber jetzt nur noch rund fünf Prozent Rendite abwirft. Ich nehme jedoch an, dass auch die Zentralbanken die äußerst profitable Anlagepolitik verfolgen und zu Tiefpreise kaufen sowie bei hohen Preisen wieder abstoßen.
Weiterhin hätte ein Anleger im Jahre 1980, als der Goldpreis kurz über 850 Dollar stieg, mit dem Verkauf einer einzigen Unze Gold einen Dow Jones Industrial Average, der damals um rund 800 Punkte lag, kaufen können. Im Jahre 2000 hätte aber ein Anleger ganze 45 Unzen Gold bezahlen müssen, um einen Dow Jones, der damals bei über 12.000 lag zu erwerben. Mit anderen Worten im Jahre 1980 war Gold"teuer" und der Dow - oder ganz allgemein die meisten Aktien -"spotbillig", während in den letzten Jahren der Dow"teuer" wurde und Gold"spottbillig". Tatsächlich werden heute im Zeitalters des Kapitalismus, das jetzt etwa 150 Jahre alt ist, Gold und ebenfalls andere Rohstoffen wie Silber, Nickel, Kupfer, Kaffee, Getreide, Baumwolle, Gummi, und so weiter, tiefer im Vergleich zu den Kursen von Aktien bewertet als irgendwann zuvor.
Was mich dabei frappiert ist, dass die Notenbank und das Schatzamt in den USA bei diesen tiefen Rohstoffpreisen Gold verkaufen oder ausleihen, um den Goldpreis unter Druck zu halten und mit ihrem"Plungeteam" gleichzeitig bei relativ hohen Aktienpreisen, die Börse mit wiederholten Stützungskäufen künstlich hoch zu halten versuchen. Weshalb verkaufte das amerikanische Schatzamt sein Gold nicht im Jahre 1980 und investierte damals in Aktien zu einer Zeit als der Dow Jones unter 1000 Punkten lag?
Der Fondsmanager und Publizist Marc Faber ist als Skeptiker unter den Börsianern bekannt.
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