Dosenpfand kommt vom 1. Januar
2003 an
Verfassungsbeschwerde abgelehnt / Handel verweigert
Investitionen
nf./jja. BERLIN/FRANKFURT, 27. Juni. Die Gegner des
Zwangspfandes auf Dosen sind vor dem
Bundesverfassungsgericht gescheitert. Trotzdem wird der
Handel kein Rücknahmesystem für Einwegverpackungen
vorbereiten, sondern erst den Ausgang weiterer Verfahren
abwarten."Solange es keine abschließende Rechtssicherheit
gibt, wird kein Unternehmen bereit sein, die hohen
Investitionen zu tätigen", sagte der Generalsekretär der
Bundesvereinigung Deutscher Handelsverbände (BDH), Holger
Wenzel, in Berlin.
Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor bekanntgegeben,
daß es die Beschwerden mehrerer Getränkeunternehmen und
Einzelhandelsgesellschaften gegen das Dosenpfand nicht zur
Entscheidung angenommen habe. Die Richter betonten, daß
dies vor allem"prozessuale Gründe" habe. Die Kläger hätten
nämlich"nicht alles ihnen mögliche getan", um dessen
Einführung zu verhindern. Sie hätten seit Januar 1999 bei den
vorrangig zuständigen Verwaltungsgerichten lediglich
einstweiligen Rechtsschutz beantragt, nicht aber -"entgegen
ihrer eigenen Ankündigung" - eine vorbeugende
Unterlassungsklage.
Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) forderte die
Unternehmen auf, die Rechtslage zu akzeptieren und die
nötigen Vorbereitungen zu treffen. Mit der Nichtannahme der
Klage stehe der Veröffentlichung der Mehrwegquote im
Bundesanzeiger Anfang kommender Woche nichts mehr im
Wege."Die Karlsruher Entscheidung bedeutet: Das Dosenpfand
kommt ab 1. Januar nächsten Jahres." Dadurch werde
Rechtssicherheit für die vielen Familienbetriebe der
mittelständischen Brauwirtschaft geschaffen. Diese
Unternehmen hätten im Vertrauen auf den gesetzlichen
Mehrwegschutz in Abfüllanlagen investiert und seien jetzt
"durch den ungebremsten Vormarsch von Einwegflaschen und
Dosen in ihrer Existenz bedroht". Rund 250 000 Arbeitsplätze
hingen vom Erhalt der Mehrwegsysteme ab. Das Pflichtpfand
werde nicht nur helfen, diese Stellen zu sichern, sondern auch
die zunehmende Verschmutzung städtischer Anlagen, Gärten
und Plätze mit Dosenmüll beenden.
Die Gegner des Pflichtpfands kündigten an, nach der
Veröffentlichung der Mehrwegquote eine Anfechtungsklage
beim Verwaltungsgericht Berlin einzureichen. Nach Angaben
von Verwaltungsrechtlern dürften allerdings mehrere Jahre bis
zu einer rechtskräftigen Entscheidung vergehen.
BDH-Generalsekretär Wenzel rief die Bundesregierung auf, die
Zeit bis zur Bundestagswahl zur Suche nach einer ökologisch
effektiven und mehrheitsfähigen Alternative zu nutzen. Die
SPD lehnte dies ab. Es wäre"ein Treppenwitz der Geschichte,
wenn diejenigen, die Anfang der neunziger Jahre mit aller Kraft
die Verpackungsverordnung durchgesetzt haben, nun auch
noch Recht bekämen, um ihr eigenes Werk zu verhindern",
erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Michael
Müller.
Nach dem Willen der Bundesregierung soll auf Getränkedosen
und Einwegflaschen mit bis zu 1,5 Litern Inhalt ein Pfand von
25 Cent erhoben werden; für Flaschen mit mehr als 1,5 Litern
Inhalt sind 50 Cent fällig. Das Pflichtpfand betrifft Bier,
Mineralwasser, Cola und Limonade. Für diese Getränke ist die
Mehrwegquote wiederholt unter 72 Prozent gesunken.
Geschieht dies, wird nach der vom früheren
Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) eingeführten
Verpackungsverordnung ein Zwangspfand auf
Einwegverpackungen fällig.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.06.2002, Nr. 147 / Seite 15
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