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Artikel 6: Zeit-Fragen Nr. 27 vom 1. 7. 2002
Ehemaliger Unscom-Inspektor zu Bushs Irak-Plänen
Geheime Agenda hinter «Anschlag» auf Saddam Hussein
Ein Abwürgen der Waffeninspektionen macht den Weg frei für einen Krieg
von Scott Ritter*
Präsident Bush hat, wie verlautet, die CIA ermächtigt, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel - einschliesslich amerikanischer militärischer Spezialeinheiten und paramilitärischer CIA-Gruppen - einzusetzen, um Iraks Saddam Hussein auszuschalten. Berichten gemäss soll die CIA einen solchen Plan als «Vorbereitung» für einen grösseren Militärschlag ansehen.
Führende Mitglieder beider Parteien des Kongresses begrüssten diese Berichte mit Enthusiasmus. Sie beeilten sich als diejenigen gesehen zu werden, die die harte Haltung des Präsidenten dem Irak gegenüber unterstützen. Dabei fragte sich aber fast keiner im Kongress, warum eine angeblich verdeckte Operation öffentlich gemacht wurde, womit der eigentliche Auftrag, der erfüllt werden sollte, untergraben wurde.
Es ist höchste Zeit, dass der Kongress das Tamtam und die Rhetorik in bezug auf Bagdad, die vom Weissen Haus ausgehen, in Frage zu stellen beginnt, denn der öffentlich gewordene Plan der CIA kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, um die Bemühungen zu untergraben, die von der Uno ausgehen, dass die Waffeninspektoren ihre Arbeit im Irak wiederaufnehmen. Anfang Juli will der Uno-Generalsekretär den irakischen Aussenminister zu einer dritten Gesprächsrunde über die Rückkehr der Waffeninspektoren treffen. Der heikelste Punkt sind Iraks Bedenken bezüglich der Nutzung - oder des Missbrauchs - solcher Inspektionen durch die USA, um geheimdienstliche Informationen zu sammeln.
Ich erinnere mich daran, dass während meiner Zeit als Chefinspektor im Irak Dutzende von extrem durchtrainierten «Raketen-Experten» und «Logistik-Spezialisten» meine und andere Inspektionsgruppen besuchten. Rekrutiert von US-Einheiten wie der Delta Force oder von paramilitärischen CIA-Teams wie der Special Activities Staff (die beide weiterhin eine Rolle im Afghanistan-Konflikt spielen), hatten diese Spezialisten eine legitimierte Rolle im schwierigen Katz-und-Maus-Spiel zur Entwaffnung des Irak zu spielen. Dieselbe Aufgabe hatten die Gruppen der britischen Radio-Abhörspezialisten, die ich von 1996 bis 1998 leitete - sie hörten die Gespräche des inneren Kreises um Hussein ab -, und verschiedene andere Geheimdienstspezialisten, die Teil der Inspektionsbemühungen waren.
Die Anwesenheit von solchem Personal bei Inspektionsteams wurde und wird von der irakischen Regierung als ein inakzeptables Risiko für die nationale Sicherheit angesehen. Bereits 1992 betrachteten die Iraker die Teams, die ich in den Irak brachte, als Bedrohung für die Sicherheit ihres Präsidenten. Sie befürchteten, dass meine Inspektionen nichts anderes waren als ein Vorwand für eine grössere Anstrengung, um ihren politischen Führer zu eliminieren. Diese Befürchtungen waren weitgehend unbegründet, solange ich im Irak war. Jetzt aber, wo Bush verdeckt operierende Einsatztruppen ausdrücklich dazu ermächtigt hat, Hussein zu beseitigen, werden die Iraker niemals einem Inspektionsregime Vertrauen schenken, das sich bereits als anfällig für Infiltration und Manipulation durch dem Irak feindlich gesinnte Geheimdienste erwiesen hat, dies auch ungeachtet jedweder Zusicherungen, die der Uno-Generalsekretär geben mag.
Das Bekanntwerden des verdeckten Operationsplans der CIA vereitelt effektiv jede Möglichkeit für Inspektoren, in den Irak zurückzukehren, und macht auch jede Hoffnung darauf zunichte, in die tatsächliche Situation bezüglich der Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen Licht zu bringen.
Ohne den Einsatz von Waffeninspektoren scheint niemand die von der Bush-Administration aufgestellten Behauptungen einer Bedrohung durch den Irak in Frage stellen zu wollen. Wenn Bush ein sachlich begründetes Argument gegen den Irak in bezug auf Massenvernichtungswaffen hat, so hat er dieses bisher noch nicht vorgebracht.
Kann die Bush-Administration irgendeine ihrer Behauptungen belegen, dass der Irak seine Anstrengungen fortsetzt, um die Fähigkeit zur Herstellung chemischer und biologischer Waffen wiederzuerlangen, die ja von den UN-Waffeninspektoren zwischen 1991 und 1998 demontiert und zerstört worden war? Die gleiche Frage stellt sich auch in bezug auf Atomwaffen. Welche Fakten belegen, dass der Irak es weiterhin anstrebt, Atomwaffen herzustellen?
Bush sprach auch in ominösen Worten von einer Bedrohung Europas durch ballistische Raketen. Von was für einer Raketenbedrohung redet der Präsident da? Diese Fragen sind berechtigt, und wenn wirklich der Kriegsfall gegeben ist, dann müssen diese Fragen mit mehr als spekulativer Rhetorik beantwortet werden.
Der Kongress scheint nicht willens zu sein, die Behauptungen der Bush-Administration bezüglich der Notwendigkeit eines Krieges gegen den Irak in Frage zu stellen. Eine mögliche Blockade gegen einen US- Angriff auf den Irak mit allen Mitteln wäre der Einsatz von Waffeninspektoren, die über die tatsächliche Situation im Irak berichten würden. Aber ohne eine sinnvolle Debatte im Kongress über den Wahrheitsgehalt einer Bedrohung durch Bagdad scheint ein Krieg unvermeidlich.
Wahrscheinlich ist gar nicht Saddam Hussein das tatsächlich anvisierte Ziel des mutmasslichen CIA-Plans, sondern das Waffeninspektionsprogramm. In Wirklichkeit wird die letzte Chance, einen blutigen Konflikt zu vermeiden, geopfert.
* Scott Ritter ist ehemaliger Marine-Offizier, Golfkriegsveteran und war von 1991 bis 1998 als Waffeninspektor zunächst Mitglied, dann Leiter der United Nations special commission (Unscom) im Irak. Die Unscom wurde 1991 durch die Uno-Resolution 687 ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe ist es, im Irak die Abrüstung von Massenvernichtungswaffen und damit verwandten Produktionskapazitäten zu überwachen.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der «Los Angeles Times» vom 19.6.2002, www.latimes.com
Artikel 6: Zeit-Fragen Nr.27 vom 1.7. 2002, letzte Änderung am 1.7. 2002
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