>Hallo dottore
>Sie schreiben:
>>Auch die Tauschthese ist monokausal...
>Um genau diese Monokausalitätsfalle zu vermeiden, habe ich ja sehr sorgfältig alle verschiedenen Ursachen von Wertübertragungen taxativ aufgezählt; darunter auch den Tausch in all seinen verschiedenen Formen!
Okay. Die Wertübertragung (Wert in diesem Sinne ohnehin nicht eindeutig definierbar, weil Wert stets subjektiv oder kulturell-sozial geprägt) innerhalb des Stammes ist kein Tausch, sondern Austausch. Der Tausch im modernen schuldrechtlichen Sinne, ist ein Macht-Derivat: Eintausch von Abgabengütern, zuerst gegen andere Güter, daher dann relative Preise. Ist das Abgabengut schließlich Edelmetall (idealer Machtkreislauf, einfache Monopolisierung) muss es mit Hilfe anderer Güter gekauft werden. So ergeben sich Märkte und von den anderen Gütern bzw. deren Mengen bestimmte Preise, die wiederum in Edelmetallmengen (schließlich"Nominal") ausgedrückt werden.
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>>Das Geld ist eindeutig ein Macht-Derivat.
>Doch meine taxative Aufzählung der Ursachen für Wertübertragungen sollte gerade verdeutlichen, daß das Geld morphologisch eben auch aus einer zweiten Quelle entstanden sein, eine zweite Ursache gehabt haben muß, die ursprünglich eben nichts mit der Macht zu tun hat, sondern mit dem privaten Güter- bzw. Wertetausch zusammenhängt.
Es gibt keinen ersichtlichen Grund, Konsumgüter, um die es zunächst ausschließlich gegangen war, gegen ein Nicht-Konsumgut (Metall) einzutauchen. Wert haben zunächst immer nur Konsumgüter. Metall kann nur dann einen Wert bekommen, wenn es zur Beschaffung von Konsumgütern mit Hilfe von Macht verwendbar ist. Was also fehlt, ist die Beantwortung der Frage, warum Metall, das schwerer (und damit aufwendiger) zu finden, zu bearbeiten usw. ist als die Erstellung von Konsumgütern überhaupt einen Wert bekommen konnte. Gold war in vielen Kulturen vorhanden, aber so wertlos, dass es zum Beschweren von Netzen verwendet wurde, als Fesseln (hatte dann in etwa"Machtwert"). Ich erinnere an die Verwunderung der Post-Kolumbus-Mittelamerikaner, als die Spanier unbedingt das wollten, worüber sie nur lachten: Gold.
>>Ein zeitlich vor Macht-Auftritt existentes"Geld" ist historisch [nicht] nachweisbar.
>Auch da haben Sie zweifellos recht; weil es - angefangen bei Adam und Eva -"Macht" gibt, seit es Menschen gibt. Das ist aber kein Beweis für die Richtigkeit Ihrer These (und ich glaube auch nicht, daß es zutrifft, daß Geld ohne Macht theoretisch"nicht darstellbar" sein sollte, wie Sie schreiben; ich werde weiter unten sogar Beispiele anführen, die diese Ansicht zu widerlegen scheinen).
Macht mag bei Adam und Eva bereits potenziell vorhanden gewesen sein. Aber warum konnte sie der Einzelkämpfer Adam nicht nutzen? Weil er niemand fand, über den er Macht ausüben konnte. Macht wird aktuell, sobald die Bevölkerung sich so vermehrt hat, dass es sich für Minderheiten"lohnt", Macht gegenüber der Mehrheit auszuüben. Sind alle anderen nur weit verstreute und entfernte Siedler, Baunern, Jäger, müssen die Kosten abgewogen werden: Was kostet es mich, sie zu zwingen und diesen Zwang aufrecht zu erhalten?
Abgabenzwang muss permanenter Zwang sein. Einmal irgendwo entfernt abzukassieren (siehe Wikinger, Normannen) zerstört die potenzielle Abgabenquelle (Raub, Brandschatzung, Morden). Daraus kann kein Wirtschaften erwachsen. Eroberungen, die zu Abgabenzwang führen, müssen daher dauerhaft sein (Ius occupandi).
>Ja, gut! Ich verdanke einem Ihrer Bücher den Hinweis auf Laum's"Heiliges Geld"; und natürlich sind in diesem Zusammenhang von allem Anfang an Macht-Mechanismen wirsam gewesen. Das schließt aber nicht aus, daß zumindest daneben, für private - d.h. in meinem Schema: für freiwillige - Wertübertragungen Geld notwendig war und geschaffen worden ist.
Das"freiwillige" Geld ist und bleibt ein Konstrukt. Beim Laum war es deutlich erkennbar ein Zwangsgeld. Hätte der Mensch nur die Götter besänftigen wollen, hätte er sein"Opergeld" (irgendein Gut) auch privat darbringen können (Wald, Feld, Meer).
Er wurde aber gezwungen (Priesterkaste als typisches Machtphänomen), eine zentrale Operstätte aufzusuchen: Tempel usw. Das Metall wurde von dort aus nicht gen Himmel geschickt, sondern es blieb in der Verfügungsgewalt der Priester-Macht.
>Ich erinnere an die heute fast vergessene, jedenfalls aber von den großen Geldtheoretikern konsequent ignorierte Stelle bei Alkidamas Ulysses aus dem 4. Jhd. vor Chr., wo es heißt:"Die Phöniker, die vernünftigsten und fähigsten unter den Barbaren, haben die Münzen erfunden. Sie zerlegten einen ganz mit dem Hammer getriebenen Silberklumpen in proportionierte Teile und prägten darauf unterscheidende Merkzeichen, je nach dem entsprechenden Gewicht."
Die Münzerfindung durch die Phönizier ist historisch falsch, es sei denn die ältesten Münzherren (unstreitig Lydier, Gyges, Kroisos) waren Phönikier. Die Münztheorie hat auch für unsere Zwecke keinen Wert, da Edelmetall schon lange vor den Münzen als Abgabengut existierte (Tempelschätze, mesopotamische Herrscher, Ägypten, überall Tribute, siehe Herodot, usw., immer detaillierte Abgabenangaben in Gewicht, die Münzen vereinfachten den Prozess des Inkassos-Exkassos, die Perser-Herrscher mussten von dem eingeschmlozenen und in Krüge gegossenen Tributgold noch Gewichtsmengen buchstäblich abschneiden,"je nach Bedarf"; dieser Bedarf war Machterhalt - die Perser hatten nirgends Märkte).
Private Prägungen, und sie hätten zwingend privat sein müssen, um als"Privatgeld" in Existenz zu kommen, nirgends nachweisbar.
Oder um es anders zu formulieren: Der Münzherr (ausnahmslos die Macht, die gesamte Münzgeschichte hindurch, wie sofort aus den Münzbildern selbst zu erkennen: Machtsymbole, Herrscher, Herrschernamen, Gebietssymbole o.ä.) prägte letztlich aus machtökonomischen Gründen: Also um den"Umlauf" des Machtmittels Münze zu günstigeren Kosten und einfacher kontrollierbar zu haben.
Wären Münzen Privatgeld gewesen, hätten sie überall in Gewicht und Nominal pari gehabt. Händler = Händler, nur sein Gut interessiert, nicht seine Person. Aber Machthaber ist nicht Machthaber, er hat immer nur ein begrenztes Machtgebiet, das in Großreichen (Pesien, Alexander, Rom) dann maximiert wurde.
Warum mussten Händler beim Erreichen eines anderen Machtgebiets stets mit Abgeld"umgetauscht" werden, um dort verwendbar zu sein? Das Phänomen des"Geldwechslers" ist nur als Macht-Derivat zu erklären, für jedes Machtgebiet immer eine andere Münze.
>Diese Worte deuten darauf hin, daß Geld die Antwort auf eine pragmatische, ökonomische Notwendigkeit war, nicht eine Gebärde der Macht. (Und es gibt eine ganze Reihe von Gründen, die mich veranlassen, diesem Beleg für die"Gelderfindung" mehr Bedeutung beizumessen als den im Grunde unklaren diesbezüglichen Erzählungen von Herodot und Strabo. Aber es würde zu weit führen, hier alle diese Gründe darzulegen.)
Der Grund ist einfach: Sie wollen ein"Privatgeld" zeitlich vor dem"Machtgeld". Die Macht soll sich"anschließend" nur marginal aus dem bereits vorhandenen Privatgeld bedient haben (Macht-Aufschlag = Steuer).
>>Werte können nach Belieben in Stammesgesellschaften oder Familienverbänden ausgetauscht werden.
>Ich glaube, daß ich meine These verteidigen kann, wonach eine Übergabe von natürlichen Gütern gegen natürliche Güter - gleichgültig ob zwangsweise oder freiwillig - nur solange denkmöglich ist, als es sich bei den getauschten Gütern ausschließlich um Genußgüter handelt; der Austausch von Gütern entfernterer Ordnung setzt Geld voraus. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie dem widersprechen wollen.
Ich widerspreche keineswegs. Es geht nur um das, was das erste"Gut entfernterer Ordnung" war. Es war das Gut"Macht". Dieses Gut kann als erstes über größere Distanzen eingesetzt und über längere Zeit erhalten werden als jedes andere Gut. Machtausübung ist und bleibt die produktivste Form der Gütereraneignung. Dem können Sie als erfahrener Ã-konom nicht widersprechen.
Wir reden hier nicht über Moral und Werte, nicht über Freiheit und Gerechtigkeit. Das alles interessiert die Macht überhaupt nicht. Sie muss sich nur ins ökonomische Optimum schaukeln: so viel"Freiheit" lassen, dass sie dadurch ihre Abgaben maximiert und das Risiko des Machtverlustes minimiert.
Das haben wir doch heute überdeutlich: Die"freie" Wirtschaft wird doch nicht gepampert, damit die Bürger möglichst"frei" sind. Sondern einzig und allein, damit - via höhere"Wachstumsraten" - mehr Steuern einkommen.
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>>"Übergabe" ist nicht operational. Was soll man sich darunter vorstellen?
>Die"Übergabe" (traditio) ist die schon im römischen Recht als wesentlicher Bestandteil jedes Tausches und jedes Kaufes bzw. Verkaufes genannte Figur, bei der der Besitz der getauschten Sache vom einen Tauschpartner auf den anderen übergeht.
Zur römischen mancipatio hatte ich ausführlich schon gepostet. Das Römische Recht behandelt nicht den Tausch, sondern den Kauf und den damit verbundenen Übergang von Eigentum. Vom"Tausch" in Ihrem Sinne ist keine Rede. Die"traditio" ist kein Tausch oder Tauschsymbol. Die traditio von res nec mancipi geschieht zwingend als in iure cessio (G. 2,28).
Das Symbol beim Kauf, das den Eigentumsübergang vor fünf (!) Zeugen übergeben wird war ein den entrichteten Kaufpreis symbolisierendes Kupferstück, sieh die Formel:
"Hunc ego hominem ex iure quiritium meum esse aio isque mihi emptus esto HOC AERE AENEAQUE LIBRA."
>>Die Macht kennt kein Verpflichtungs- oder Zugehörigkeitsgefühl...
>Zweifellos kein Zugehörigkeitsgefühl. Wohl aber findet die Macht ihre natürliche Grenze am Rande des"Machtbereiches".
Völlig klar. Nur nach der Grenze lauert die nächste Macht - sonst wäre es keine Grenze!
>>Schenkung ist nicht Wirtschaften..
>Wie schon oben erwähnt: Bloß um die Monokausalitätsfalle zu vermeiden, habe ich sehr sorgfältig alle verschiedenen Ursachen von Wertübertragungen taxativ aufgezählt; darunter auch den Tausch in all seinen verschiedenen Formen!
Richtig. Was fehlte ist allein die zeitliche Reihenfolge, in der sich die Ursachen von Wertübertragungen abgespielt haben. Subsidiäre oder Protzschenkung führt nicht zu Wirtschaften. Dazu führt allen der dauernde Zwang zum Mehrprodukt. Das ist ein Macht-Phänomen. Die nach der Erst-Macht-Ausübung gestartete Mehrproduktion wird"verwirtschaftlicht", selbstverständlich von Privaten, da die Macht selbst nicht produziert, sondern produzieren lässt.
Jede private Wirtschaft ist ein Ergebnis eines Anstoßes durch die Macht. Alle private Wirtschaft hat zunächst den Zweck, den Abgabenzwang zu unterlaufen. Das gelingt ihr leider immer nur temporär, nie endgültig. Da können die Unternehmer noch so tüchtig, die Arbeiter noch so fleißig sein. Der Güter-Attraktor Macht holt sie schließlich wieder ein, siehe heute in perverser Perfektion (steigende Staatsquote geldwäschegesetze, explodierende Staatsverschuldung, also vertagte Abgabenleistung, usw.).
>>Die Subsumption von der Freiwilligkeit der Willenserklärung ist ein Konstrukt. Niemand unterschreibt einen Arbeitsvertrag, wenn er nicht arbeiten müsste.
>Lieber dottore! Sie wissen, daß das so nicht stimmt! Niemand muß einen Arbeits- oder irgendeinen anderen Vertrag unterschreiben; er muß nur bereit sein, die Konsequenzen auf sich zu nehmen, wenn er es nicht tut! Wenn Sie in diesem Zusammenhang von"Zwang" reden, so geraten Sie in ganz bedenkliche Nähe zu Karl Marx (ein seltsamer Bettgenosse für einen Benediktiner-Schüler).
Ich habe nichts gegen Marx, nur etwas gegen seine Denkfehler. Es war auch nicht von"muss" die Rede, sondern von"müsste".
>Sicherlich: Wer kein Anfangskapital hat und ein geregeltes Einkommen haben will,"muß" einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Aber diese Logik hat doch an sich nichts mit"Macht" zu tun. Es bleibt alles vollkommen freiwillig!
Woher kommen Anfangskapital oder geregeltes Nicht-Arbeitseinkommen? Aus Akkumulation von Gütern bzw. Forderungen, die zeitlich früher lagen. Das führt automatisch zur Frage: Wer war der erste Akkumulator?
Der"freie Bürger" kann es nicht gewesen sein, da Akkumulation von Eigentum und Forderungen deren Besicherung bzw. Vollstreckung voraussetzt. Besichern oder vollstrecken wiederum kann nur mit Hilfe der Macht geschehen.
An der Macht als erstem Akkumulator führt nirgends ein Weg vorbei. Die ersten Schatzhäuser sind herrschaftlich, die ersten Forderungen solche der Macht. Die Macht ist der Ur-Gläubiger (siehe Max Weber-Posting), der sich seine Schuldner selber schnitzen kann.
Der geniale Dimi hatte immer wieder die Frage gestellt:
"Wie kann der Gläubiger den Schuldner zwingen?" (sich weiter zu verschulden bzw. dann logischerweise überhaupt erst Schuldner zu werden)
Die Antwort ist sehr schlicht: Indem er Macht ausübt.
>>Geld setzt Macht voraus!
> Diesbezüglich eben glaube ich mit Vorstehendem zumindest einige Zweifel gesät zu haben. Außerdem: Natürlich hat es auch Privatgeld gegeben!
Selbsverständlich. Nur keine auf dieses Geld lautenden [b]Schuldkontrakte! Nicht verschuldungsfähiges Geld ist keins. In Privatgeld konnten niemals Steuern bezahlt werden. Wo denn?
>In Skandinavien, in Japan und auch in Deutschland; ganz zu schweigen von der"Zigarettenwährung" in den Kriegsgefangenenlagern, die von den Kriegsgefangenen selbst als"gültige Währung" definiert worden ist und als Geld"galt"! Das sind nur einige Beispiele, die mir spontan einfallen.
Kriegsgefangene ohne Krieg, Krieg ohne Macht - wie geht denn das?
><font size="4"><font color="FF0000">Zumindest auf der Basis der bis jetzt ausgetauschten Argumente halte ich daher Ihre Meinung, daß meine Überzeugung falsch und Ihre These, daß Geld ausschließlich ein Produkt der Macht sei, derzeit noch nicht für ausreichend begründet.</font></font>[/b][/u]
Es geht hier nicht um"ausschließlich", sondern einzig und allein um die zeitliche Priorität. Alles"Private", inklusive Privat-Tauschmittel, ist eine Folge von Machtausübung bzw. gescheiterter Machtausübung: Hätte Hitler den Krieg gewonnen, hätte es keine"Zigarettenwährung" gegeben.
Alles Private sind zeitlich"Zwischenreiche" oder räumlich"Inseln". Das Gesamtgebiet und der Gesamtzeitraum indes gehört der Macht, nachdem sie einmal aufgetreten ist und sich weltweit verbreitet hat.
Macht ist pandemisch. Einmal in der Welt (Metallwaffen, Streitwagen) war sie nicht mehr aufzuhalten. Die letzten"gewaltmachtfreien" Gebiete liegen irgendwo dort, wo die letzten Stämme hausen: Amazonas, Borneo o.ä.
Alle idealisierenden Versuche, noch einmal zum Vor-Macht-Zustand zurück zu kehren, greifen daher gern zur Insel: Utopia als machtfreier Ort (ou = nicht, topos = Ort). Von Morus bis Gesell. Robinson, die"Indianer"-Mythen, der"schöne, freie Wilde", der"Urkommunismus", die Versuche,"staatsfreie Atolle" oder verlassene Bohrinseln oder Funk-Plattformen zu"staatsfreien Zonen" zu erklären.
Die Sehnsucht ist unbändig. Aber es ist zwecklos, sich ihr hinzugeben. Die Macht ist geblieben, mal stärker, mal weniger stark. Alle privaten Unternehmungen sind auf Dauer gescheitert. Diesmal wird das Scheitern besonders krachert werden, es läuft schon an, auf breiter Front.
Die Macht ist durch die Tatsache, dass sie als einzige in den Schuldner-Status schlüpfen kann ohne dabei ihren Gläubgerstatus zu verlieren, also der letzte, was untergeht.
Dummerweise erhebt sich aus dem dann folgenden Gesamtkollaps die Macht wieder, wie Phoenix aus der Asche - von anderen Personen nur bemannt.
Herzlichen Gruß!
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