Konzerne im Teufelskreis: Fallende Aktienkurse drücken Gewinne
Kolumne aus der DIE WELT
Von Marc Faber
Nachdem seit Anfang dieses Jahres der S&P-500 um rund 20 Prozent und der Nasdaq um knapp 30 Prozent gefallen sind und somit immerhin 40 Prozent und 74 Prozent unter ihren Höchstständen im Frühling 2000 stehen, kann man annehmen, dass wenigstens kurzfristig die Börse in Amerika ziemlich überverkauft ist und, dass deshalb in nächster Zukunft doch ein kräftiges Erholungsrallye stattfinden könnte. Eine Anzahl von technischen Indikatoren sind mindestens - vielleicht sogar noch tiefer - in der"Überverkaufszone", als dies im letzten September der Fall war. Ein Tiefpunkt, von dem die Börse sich in Amerika doch bis Ende des Jahres rasant erholen konnte.
Weiterhin gibt es Meinungsumfragen zufolge unter Privatinvestoren zum ersten Mal in diesem Jahr eine Mehrheit, die eine negative Haltung gegenüber der Börse hat, was in der Vergangenheit wenigstens temporär zu Erholungsphasen führte. Die 500 Milliarden Dollar schwere Hedgefonds-Industrie hat ebenfalls große Baisse-Positionen, die sicherlich beim Start einer Rallye wenigstens zum Teil gedeckt werden müssten. Trotz dieser Umstände, die deutlich auf die Möglichkeit eines temporären Börsentiefes hinweisen, sollte man sich aber weiterhin sehr vorsichtig gegenüber Aktien verhalten. Sogar auf dem jetzigen Niedrigniveau sind Aktien in den westlichen Industrieländern, mit wenigen Ausnahmen, einfach nicht billig. Zudem dürften sich die fallenden Aktienkurse bestimmt negativ auf die Ertragslage sehr vieler Unternehmungen ausgewirkt haben. In den Boomzeiten konnten Unternehmungen nämlich große hohe Gewinne mit ihren Depots generieren. Steigende Aktienkurse erlaubte es ihnen, Kapital billiger aufzunehmen und auch Beiträge an die Pensionskassen zu reduzieren, weil diese sich praktisch durch eigene Kapitalgewinne finanzieren ließen. Mit fallenden Aktienkursen steigen aber die Kapitalkosten, dies insbesondere, weil die Bonität der Unternehmungen abgenommen hat und Aktien nun wesentlich niedriger bewertet werden.
Ebenfalls werden sich die Verbindlichkeiten der Pensionskassen zunehmend zu einem Problem entwickeln, nachdem sie durch die fallende Börse jetzt wieder unterfinanziert ("underfunded") sind. Dies bedeutet, dass die Gesellschaften in naher Zukunft zum Teil massive Beiträge für die Altersvorsorge abzweigen müssen.
Dann kommt noch ein weiteres Problem. Immer offensichtlichter wird, dass es um die Gesundheit der Finanzinstitute nicht sehr gut bestellt ist. Insbesondere droht der Bankrott einiger bekannter europäischen Versicherungsgesellschaften, und in Amerika dürften einige Banken und Konsumfinanzunternehmen hohe Verluste mit ihren eigenen Positionen erlitten haben. Das Volumen der faulen Kredite ist seit Anfang 2001 auch gewaltig angestiegen, und der Prozentsatz der notleidenden Außenstände hat verglichen mit dem gesamten Obligationenmarkt bereits den alten Rekord vom Jahr 1990 übertroffen. Und falls die Finanzinstitute aus diesem Grund ihre Kredite an die Haushalte einschränken sollten oder gar aus finanziellen Gründen dazu gezwungen sind, dann würde das natürlich auch den Verbrauch und die Wirtschaft negativ beeinflussen, ein Umstand, der zu einer erneuten Rezession führen dürfte.
Als die Börsen in den neunziger Jahren eine fast beispiellose Hausse erlebten, profitierten die Unternehmungen von einem sogenannten virtuellen Zyklus, in dem steigende Aktienkurse zu steigenden Gewinnen führte. In der jetzigen Baisse-Phase leiden die Gesellschaften aber unter einem Teufelskreis, bei dem fallende Aktienpreise unvermeidlich auch zu fallenden Gewinnen führen.
Marc Faber: Der Fondsmanager und Publizist ist als Skeptiker unter den Börsianern bekannt.
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