SPIEGEL ONLINE - 28. Juli 2002, 15:15
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Kommunale Finanzen
Leeren Kassen, drängende Bitten
Im Norden müssen Vereine auf Zuschüsse warten, im vergleichsweise wohlhabenden Südwesten ist Deutschlands ist ebenfalls keine Besserung der Haushaltslage in Sicht - Schleswig-Holsteins Finanzminister Möller drängt auf eine Finanzreform.
Berlin - Angesichts der Steuerausfälle sieht Schleswig- Holsteins Finanzminister Claus Möller (SPD) kaum noch Land in Sicht."Das Land und die Kommunen sind beim Sparen am Ende der Fahnenstange angelangt", sagte Möller in Kiel:"Uns droht, dass wir selbst Kernaufgaben nicht mehr ausreichend wahrnehmen können." Mit Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) sei er sich"völlig einig", dass eine Stabilisierung der Steuereinnahmen dringend verreicht werden müsse.
Bereits am 17. Mai hatte Möller eine Haushaltssperre"mit vielen Konsequenzen" für das Land verhängt. Zwar würde beispielsweise der Polizei nicht das Benzin gekürzt oder ein Baustopp bei landeseigenen Bauten verhängt, aber"bei vielen freiwilligen Leistungen wird es zu Problemen kommen". Vereine und Verbände müssen damit rechnen, dass sie bis zum Jahresende nicht alle Zuschüsse erhalten -"das wird schwer knirschen und zwar quer durch die Last".
Die Kommunen sind recht unterschiedlich betroffen: Im Jahr 2001 hatte beispielsweise Burg auf Fehmarn ein Plus bei der Gewerbesteuer von 52 Prozent gegenüber dem Vorjahr, während die Gemeinde Büdelsdorf mit dem Unternehmen MobilCom ein Minus von 101,4 Prozent aufwies. Doch insgesamt sind nach Möllers Angaben alle Kommunen dadurch betroffen, dass sie über den Kommunalen Finanzausgleich mit 20 Prozent an allen Steuereinnahmen beteiligt sind. Entscheidend sei, so Möller, dass die Gewerbesteuer konjunkturunabhängiger gestaltet wird.
"Die Stabilisierung der Steuereinnahmen ist dringend erforderlich", sagte Möller und erinnert zugleich an das Bundesverfassungsgericht, dass den Gesetzgeber verpflichtet habe, sich mit der Erbschaftssteuer zu befassen. Darin unterstütze er"völlig" Simonis, die zuletzt Anfang Juli ein erneutes Nachdenken über die Erbschaftssteuer - auch unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit - gefordert hatte.
Südwest-Kommunen mit düsterer Perspektive
Auch die Finanzlage der Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter verschlechtern. Die Gemeindeprüfungsanstalt in Karlsruhe schreibt in ihrem am Samstag veröffentlichten Geschäftsbericht 2002, die Kommunalfinanzen im Südwesten seien in Folge der schwachen Konjunktur und der Steuerreform regelrecht"abgestürzt". Im Jahr 2001 hätten die 1110 Kommunen im Land Einnahmeverluste von etwa 630 Millionen Euro zu verkraften gehabt.
Ein Ende der finanziellen Talfahrt ist nach Einschätzung der Prüfbehörde auf Grund der bisher bekannten Eckdaten zur Etatplanung nicht in Sicht. Dabei sei der Abwärtstrend keineswegs durch einen Anstieg der Ausgaben verursacht, sondern fast ausschließlich durch die teils dramatischen Einnahmenausfälle und hier in erster Linie durch den Einbruch bei der Gewerbesteuer.
Großunternehmen zahlen immer weniger
Dazu beigetragen hätten nicht zuletzt die erweiterten steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Großunternehmen. Sie führten dazu, dass insbesondere größere Kapitalgesellschaften durch Gewinnminimierung kaum noch einen nennenswerten Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben in den Gemeinden leisten, wo sie ihren Sitz haben.
Die Karlsruher Gemeindeprüfer raten dringend zu einer grundlegenden Reform des Gemeindefinanzierungssystems auf Bundesebene, um einen dauerhaften Ausgleich zwischen kommunaler Aufgabenerfüllung und deren Finanzierung zu schaffen.
Der baden-württembergische Städtetag sieht sich nach den Worten eines Sprechers durch die Gemeindeprüfungsanstalt in seiner Forderung nach einer Reform der Kommunalfinanzierung bestätigt. Als Sofortmaßnahme müsse aber die seit 1. Januar 2001 geltende Erhöhung der Gewerbesteuerumlage von 20 auf 30 Prozent wieder rückgängig gemacht werden. Sie war Teil der Steuerreform und bedeutet, das Bund und Länder einen höheren Anteil an der Gewerbesteuer abschöpfen.
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