Die Sensation war perfekt, als die weltgröĂte Investmentbank vier Monate spĂ€ter tatsĂ€chlich 400.000 Dollar zahlte. Seither ist Zamansky zur nationalen Anlaufstelle fĂŒr Börsencrash-Opfer geworden. Das Telefon in seiner kleinen Kanzlei gleich bei der Wall Street klingelt hundert Mal am Tag. Wenn er im Fernsehen ist, auch hĂ€ufiger."Wir sind der Blitzableiter des Zorns", formuliert er. Fast alles, was er sagt, ist druckreif.
Die Anrufe kommen"von Europa bis Kalifornien". Die Anrufer wollen Broker und Analysten verklagen. Neun von zehn FÀllen lehne er ab, sagt Zamansky. Viele leitet er an andere Kanzleien weiter. Aber er rede mit jedem. Oft sei nicht ein Anwalt gefragt, sondern ein Psychologe."Drei Anrufer waren dem Selbstmord nahe", erzÀhlt er. Seine Gehilfin Barbara rollt mit den Augen:"Drei von zehn haben einen Knall."
Auch Reporter rufen hÀufig an. Weil er tÀglich mit den Anlegern redet, ist Zamansky zum Sprecher der Verratenen und Verkauften geworden. Stolz hÀlt er die aktuelle Ausgabe von"Fortune" hoch:"Hier, sie nennen mich den Held der Anleger."
Die Anerkennung ist Balsam fĂŒr seine Seele. Denn bis er sich vor vier Jahren selbstĂ€ndig machte, war der Mann mit den zurĂŒckgegelten Haaren und den HosentrĂ€gern auf der anderen Seite."Ich habe den Satan höchstpersönlich verteidigt", sagt er theatralisch. Er diente Jordan Belfort, dem berĂŒchtigten GrĂŒnder des inzwischen geschlossenen Brokerhauses Stratton Oakmont. Die Firma aus Long Island, die Vorbild fĂŒr den Film"Boiler Room" war, zockte zwischen 1989 und 1996 Tausende von Anlegern mit Aktienmanipulationen um insgesamt 250 Millionen Dollar ab.
"Betrug war unser GeschÀft
"Es war die schlimmste Firma an der Wall Street", sagt Zamansky. Beobachter verglichen die Methoden damals mit denen der Mafia. Die Broker belogen und drohten ihren Kunden, kauften und verkauften Aktien hinter ihrem RĂŒcken, trieben Kurse mit Hilfe von MittelsmĂ€nnern kĂŒnstlich nach oben, um dann selbst auszusteigen. Die Kunden bezahlten die Rechnung."Betrug war unser GeschĂ€ft", gestand Belfort spĂ€ter vor Gericht. Sieben Jahre dauerte es, bis die Börsenaufsicht SEC die Firma endlich aus dem Verkehr ziehen konnte. Zamansky verteidigte Stratton Oakmont und andere"Boiler Rooms" gegen unzĂ€hlige Anlegerklagen - mit groĂem Erfolg.
1998, just zu dem Zeitpunkt als seine alten Bosse vor Gericht standen, widerte ihn das Milieu plötzlich an."Diese arroganten, schnell redenden jungen DrĂ€ngler aus Long Island - ich fĂŒhlte mich nicht mehr wohl", sagt Zamansky heute. Nach elf Jahren als"Anwalt der Bösen" habe er sich auch ein bisschen schuldig gefĂŒhlt. Er grĂŒndete seine eigene Kanzlei und trat der Public Investors Arbitration Bar Association (PIABA) bei, in der rund 300 Anleger-AnwĂ€lte zusammengeschlossen sind. In einer Rede auf der Jahresversammlung beichtete er seine SĂŒnden und versprach, sein Wissen ĂŒber die Broker-Tricks fortan im Sinne der Anleger zu verwenden
Die Wandlung vom Saulus zum Paulus hat ihn mit einem besonderen Missionseifer ausgestattet."Mit ganzem Herzen und ganzer Seele" verteidige er nun die Anleger. Darum bedeuteten ihm auch die Dankes-Mails so viel, erklĂ€rt er. Anfangs arbeitete er sieben Tage die Woche, um seine junge Kanzlei ĂŒber Wasser zu halten (Inzwischen nimmt er samstags frei). Er stellte zwei junge AnwĂ€lte und zwei Gehilfinnen ein. Bald fand er seine Vermutung bestĂ€tigt, dass die Broker der angesehenen Wall-Street-Banken nicht viel besser sind als die verruchten"Boiler Rooms".
Er verklagte sie alle, von Prudential Securities bis Salomon Smith Barney. Dann, im Herbst 2000, hĂ€uften sich die Berichte ĂŒber die absurden Vorhersagen der Analysten. Zamanskys Interesse war geweckt. Der Interessenskonflikt zwischen dem Investmentbanking und der Analyse-Abteilung der Banken bot in seinen Augen einen Angriffspunkt. In den Weihnachtsferien studierte er alles, was er ĂŒber die gefallenen Stars Mary Meeker (Morgan Stanley), Henry Blodget (Merrill Lynch) und Jack Grubman (Salomon Smith Barney) finden konnte.
Nach dem Blodget-Fall ist der Damm gebrochen
"Ich suchte nach dem richtigen Fall", sagt er. Eine Geschichte, die das Zeug zum PrĂ€zedenzfall hatte. Sein unbescheidenes Ziel:"Ich wollte die Verantwortung fĂŒr das Platzen der Internetblase auf die Analysten abladen." Letztendlich seien die lĂ€cherlichen Kursziele, die die Analysten ausgaben, ausschlaggebend fĂŒr die Kursexplosion gewesen.
Im Februar dann spazierte der richtige Fall zur TĂŒr herein: Der New Yorker Kinderarzt Debases Kanjilal hatte 500.000 Dollar verloren, weil er auf Anraten seines Brokers von Merrill Lynch in den Start-up Infospace investiert hatte. Es könne nichts schief gehen, hatte der Broker versprochen. Merrill-Analyst Blodget werde den Aktienkurs durch seine Berichte, auch"Booster Shots" genannt, oben halten. Zamansky witterte seine Chance: Ein unschuldiger Anleger, ein Broker, der das Unwissen seines Kunden ausnutzt, und ein Analyst, der GefĂ€lligkeitsberichte schreibt. Merrill Lynch gab in der auĂergerichtlichen Einigung keine Schuld zu, zahlte aber 400.000 Dollar.
Der Damm war gebrochen, und Zamansky berĂŒhmt. Der New Yorker Staatsanwalt Eliot Spitzer lieĂ sich seine Unterlagen geben. Der Kongress begann eine Untersuchung. Die Analystenjagd war eröffnet.
Doch es dauerte ein Jahr, bis Zamansky sein nĂ€chstes Opfer fand: Am 12. April 2002 reichte er Klage gegen Jack Grubman ein. Diesmal geht es um die Empfehlung des Telekomwerts Global Crossing."Ich habe eine kleine Kanzlei, ich kann nicht alles machen", erklĂ€rt Zamansky die lange Pause. Doch der Hauptgrund ist: Es bleibt schwierig, einen Analysten fĂŒr fehlgeschlagene Investments verantwortlich zu machen. Man brauche ein gutes"Opferprofil", rĂ€umt Zamansky ein. Das sei selten."Ich kann Merrill nicht dafĂŒr verklagen, dass sie auf CNBC eine Empfehlung aussprechen."
Je krasser, desto besser
Direkte Kaufempfehlungen in Analysten-Berichten seien allerdings etwas anderes. So bietet Jack Grubman seiner Meinung nach genug AngriffsflĂ€che. Der Telekom-Analyst habe in einem Bericht geschrieben"Setz deinen Truck zurĂŒck und schaufel so viel WorldCom hinein wie möglich." Ăhnliche Aussagen gebe es zu Global Crossing. Das mache ihn mitverantwortlich, meint Zamansky.
Letztlich hĂ€ngt wie in Broker-FĂ€llen alles vom Opferprofil ab."Ein Broker darf einem 60-JĂ€hrigen, der 50.000 Dollar verdient und fĂŒr seine Rente spart, nicht einreden, er solle eine halbe Million in Technologieaktien investieren", sagt Zamansky. Je krasser das Opferprofil, desto besser:"Ich hatte drei QuerschnittsgelĂ€hmte, denen Tech-Aktien verkauft wurden." In so einem Fall greife das Prinzip der"Unangemessenheit".
Zamanskys Kanzlei arbeitet zu jedem gegebenen Zeitpunkt an etwa 40 bis 50 FĂ€llen. Die meisten davon sind Klagen gegen Broker. Grubman ist erst der zweite Analystenfall. In Zukunft, schĂ€tzt Zamansky, werden Analysten jedoch fĂŒnf bis zehn Prozent seiner FĂ€lle ausmachen. Obwohl es mehr als genug Arbeit gĂ€be, will er seine Kanzlei nicht ausweiten."Ich will nicht die Welt in Brand setzen", sagt er."Ich mag es ĂŒberschaubar."
Sein Sieg gegen Merrill Lynch hat zumindest die Lunte gezĂŒndet. Als NĂ€chstes, prophezeit Zamansky, werden die groĂen Anwaltsfirmen Sammelklagen im Namen von Millionen Anlegern gegen Analysten einreichen. Neue Beweise fĂŒr die Verbindung zwischen Analysten und Investmentbankern innerhalb einer Bank erhofft sich der Anwalt von den GehaltsauszĂŒgen der Analysten."Das werden die nĂ€chsten Bomben."
Und wenn die groĂen Kanzleien in die Jagd einstiegen, werde es richtig teuer fĂŒr die Banken, sagt Zamansky: Der Prozess werde sie Hunderte von Milliarden Dollar kosten. Er habe daher vorgeschlagen, einen EntschĂ€digungsfonds einzurichten, in den sie alle einzahlen. Denn sonst gebe es die nĂ€chsten fĂŒnf Jahre einen"Abnutzungskrieg":"Sie werden uns Fall fĂŒr Fall bekĂ€mpfen mĂŒssen."
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