Samstag 3. August 2002, 16:10 Uhr
Bundesregierung warnt erneut vor US-Angriff auf Irak
Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung hat erneut vor einem möglichen militÀrischen Angriff der USA auf den Irak gewarnt und eine deutsche Beteiligung abgelehnt.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte am Samstag in Hannover, er könne nur vor entsprechenden Ăberlegungen warnen. Auch werde ANZEIGE
sich Deutschland nicht an den Kosten fĂŒr eine solche MilitĂ€raktion nicht beteiligen. AuĂenminister Joschka Fischer (GrĂŒne) sagte in einem vorab verbreiteten ZDF-Interview, es gelte zunĂ€chst andere Gefahren, die vom internationalen Terrorismus und regionalen Konflikten wie dem im Nahen Osten ausgingen, abzuwenden. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sagte, man stehe nicht vor der Situation eines Krieges mit dem Irak. Der im Wahlkampfteam der Union fĂŒr die AuĂenpolitik zustĂ€ndige Wolfgang SchĂ€uble (CDU) sprach sich dagegen fĂŒr eine deutsche Beteiligung an einer möglichen MilitĂ€raktion gegen den Irak aus. Voraussetzung sei jedoch ein Mandat der Vereinten Nationen (UNO).
US-PrĂ€sident George Bush hatte angekĂŒndigt, bei der Entmachtung des irakischen Staats- und Regierungschef Saddam Hussein alle Optionen in Betracht zu ziehen. Bush hat diesem vorgeworfen, trotz eines UNO-Verbotes in den Besitz von Massenvernichtungswaffen gelangen zu wollen.
SCHRĂ-DER: KEINE DEUTSCHE SCHECKBUCH-DIPLOMATIE MEHR
"Ich kann nur davor warnen, ohne an die Folgen zu denken und ohne eine politische Konzeption fĂŒr den gesamten Nahen Osten jetzt ĂŒber einen Krieg gegen den Irak zu reden oder nur nachzudenken", sagte Schröder auf einer SPD-Wahlkundgebung am Samstag in Hannover. Nach den AnschlĂ€gen vom 11. September habe Deutschland bewiesen, dass es zu SolidaritĂ€t im BĂŒndnis bereit sei, nicht aber zu Abenteuern.
Schröder sagte vor BetriebsrĂ€ten und Gewerkschaftern, es werde keine finanzielle Beteiligung an einem möglichen Einsatz gegen den Irak geben."Jene Form der Arbeitsteilung, die da lautet, die Deutschen stehen zwar nicht zur VerfĂŒgung, aber sie bezahlen, die gibt es nicht mehr, jedenfalls nicht mit mir", sagte er unter dem groĂem Beifall der etwa 1000 SPD-AnhĂ€nger."Deutschland ist lĂ€ngst kein Land mehr, in dem Scheckbuchdiplomatie die Politik ersetzt." Beim deutsch-französischen Gipfel am Dienstag in Schwerin hatten Schröder und der französische StaatsprĂ€sident Jacques Chirac fĂŒr den Fall eines Angriffs auf den Irak ein UNO-Mandat gefordert.
Fischer sagte in dem ZDF-Interview, das am Sonntagabend ausgestrahlt werden sollte, zunĂ€chst mĂŒsse es um die Abwehr des Terroismus gehen. An zweiter Stelle sollte die Lösung regionaler Konflikte wie im Nahen Osten oder in Kaschmir stehen."Hier jetzt so zu sagen zu meinen, einen Regierungswechsel mit bewaffneter Intervention in Bagdad herbeifĂŒhren zu mĂŒssen, halte ich fĂŒr eine falsche PrioritĂ€tensetzung." Und damit sei die Frage nach einer deutsche Beteiligung beantwortet.
STRUCK: KEINE ANFRAGE DER US-REGIERUNG
Struck sagte dem Tagesspiegel (Sonntagausgabe), auch er halte ein Mandat der UNO fĂŒr unabdingbar:"Wobei völlig klar ist: Wir stehen nicht vor einer solchen Situation." Man mĂŒsse die Veröffentlichungen aus Amerika mit Sorge sehen."Aber es gibt keinerlei Anfragen der US-Regierung an uns". Struck bekrĂ€ftigte, dass die in Kuwait stationierten 52 Soldaten und sechs Fuchs-SpĂŒrpanzer dort bleiben wĂŒrden."Die Amerikaner haben uns gebeten, diese Soldaten dort zu belassen, weil sie immer noch Sorge haben vor biologischen und chemischen Waffen in der Hand von Terroristen. DafĂŒr sind unsere Soldaten dort, und die werden auch dort bleiben."
SCHĂUBLE: ĂBER MILITĂRAKTION NOCH NICHT ENTSCHIEDEN
In einem Interview der"Bild am Sonntag" sagte SchÀuble, sollte es zu einer MilitÀraktion gegen den Irak kommen, werde sie auf der Grundlage eines Mandats der Vereinten Nationen (UNO) stehen."Aber noch steht ein militÀrisches Vorgehen nicht zur Entscheidung." Jetzt sollten alle Anstrengungen darauf verwandt werden, mit den Mitteln der Diplomatie den Irak dazu zu bewegen, dass die UNO-Inspektion wieder in vollem Umfang beginnen könne. Die Einladung des Irak an UNO-Chefinspektor Hans Blix nannte SchÀuble einen Anlass zu einer gewissen Hoffnung.
Die Waffeninspektoren hatten Irak Ende 1998 verlassen, weil die dortigen Behörden sie an ihrer Arbeit gehindert haben sollen. Die RĂŒckkehr der Inspektoren und der Nachweis, das Irak keine Massenvernichtungswaffen herstellt oder lagert, ist Voraussetzung fĂŒr die Aufhebung der UNO-Sanktionen gegen Irak. Diese wurden 1990 nach dem irakischen Ăberfall auf Kuwait verhĂ€ngt. Drei GesprĂ€chsrunden zwischen der UNO und Irak ĂŒber eine RĂŒckkehr der Waffeninspektoren sind in diesem Jahr bereits gescheitert
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