-->Nur der Immobilienmarkt verhindert in Amerika vorderhand einen tieferen Fall
VON NIKLAUS VONTOBEL UND MARTIN SUTER
Zürich - Die Ã-konomen der Credit Suisse First Boston (CSFB) stehen vor einem Rätsel. Sie haben die Entwicklung der japanischen und der US-Wirtschaft zehn Jahre vor und zwei Jahre nach dem Platzen der Börsenblase verglichen. Das erstaunliche Resultat: «Die jeweiligen Entwicklungen sind sowohl für den Aktien- und Obligationenmarkt als auch für den privaten Konsum und die Investitionen überraschend ähnlich.»
Wie ist das möglich, wo doch ständig hingewiesen wird auf die riesigen kulturellen und institutionellen Unterschiede, die flexibleren amerikanischen Arbeits- und Kapitalmärkte und die bessere Geldpolitik der US-Notenbank? Für die CSFB-Ã-konomen gibt es nur eine plausible Erklärung: Es müsse eine Gemeinsamkeit in der menschlichen Psychologie geben. Diese treibe die Konjunkturzyklen an und beeinflusse die Bewertung von Aktien, die erwarteten Kapitalrenditen sowie Konsum- und Investitionsentscheidungen.
Japan wappnete sich nicht früh genug gegen eine Deflation
Falls die US-Wirtschaft weiterhin der japanischen nachzieht, drohen zehn Jahre mit deflationären Tendenzen, einer Börsenbaisse und einem durchschnittlichen Wachstum von einem Prozent pro Jahr. Die US-Notenbank will dies verhindern und hat deshalb die Entwicklung der japanischen Wirtschaft nach dem Ende des Börsenbooms untersucht. Wichtigste Erkenntnis: Der grösste Fehler der japanischen Zentralbank sei es gewesen, sich nicht früh genug durch eine Erweiterung der Geldmenge gegen das Risiko einer Deflation gewappnet zu haben.
Allerdings hat auch die US-Notenbank nicht mehr allzu viel Raum, um die Zinsen weiter zu senken. Die Zentralbankzinsen stehen bereits auf 1,75 Prozent - dem tiefsten Niveau seit 40 Jahren. Das sieht auch der US-Ã-konom und «New York Times»-Kolumnist Paul Krugman so. Vor etwa vier Jahren hat er sich eine persönliche Checkliste erstellt mit Gründen, warum die US-Wirtschaft nicht zehn Jahre lang in Stagnation verfallen wird wie die japanische.
Erstens: Die US-Wirtschaft leidet nicht unter einem Vertrauensverlust, weil die Corporate Governance in den USA besser ist. Zweitens: Die US-Notenbank hat immer noch genügend Raum, um die Zinsen zu senken. Drittens: Die langfristige Budgetposition der US-Regierung ist stark. Sie hat daher genügend Raum für staatliche Stimulierungsprogramme, falls tiefere Zinsen nicht ausreichen. Viertens: Die USA haben vielleicht eine Börsenblase, aber keine Blase im Markt für Immobilien. Inzwischen zweifelt Krugman: «Die drei ersten Punkte musste ich nun streichen, und über den vierten, den Immobilienmarkt, mache ich mir langsam Sorgen.»
Die US-Wirtschaft hat sich nach dem Ende des Börsenbooms besser gehalten, als viele Beobachter erwartet hatten. Vor allem die Konsumenten haben mit ihrer anhaltend grossen Kauflust eine tiefere Rezession verhindert. Viele Ã-konomen hatten befürchtet, der Haushaltkonsum werde sinken, weil der Kurszerfall an der Börse die Vermögen der Haushalte verkleinert. Allerdings hält ein durchschnittlicher US-Haushalt viermal mehr Vermögen in Immobilien (meist das eigene Haus) als in Aktien. Die Entwicklung der Häuserpreise ist deshalb für die US-Konsumenten und damit für den Haushaltskonsum wichtiger als jene der Börse.
US-Notenbankchef Greenspan: Keine Überhitzung des Immobilienmarktes
Nach Angaben der Zürcher Kantonalbank (ZKB) ist der Preis für ein neues Einfamilienhaus in den USA seit Ende des Börsenbooms um rund 11 Prozent gestiegen, jener für ein bestehendes Haus um etwa 21 Prozent. Dank dieser Preissteigerung konnten die US-Konsumenten zusätzliche Hypotheken auf ihre Häuser aufnehmen und mit dem Geld den Konsum ankurbeln. Der «Mortgage Refinancing Index», der das Wachstum an Zweithypotheken misst, liegt zurzeit auf dem zweithöchsten je erreichten Stand.
Der Immobilienmarkt ist derzeit also eine wichtige Stütze der US-Konjunktur. Bleibt die Frage, wie stabil diese Stütze ist. Das britische Wirtschaftsmagazin «The Economist» spricht von einer Blase im Immobilienmarkt, welche die Börsenblase ersetzt habe. Eine Studie des amerikanischen Zentrums für wirtschaftspolitische Forschung (CEPR) glaubt ebenfalls an eine «housing bubble». Die Inflation der Immobilienpreise um 30 Prozent in den letzten sieben Jahren lasse sich einzig mit einer Blase im Immobilienmarkt erklären.
Der Vorsitzende der US-Notenbank, Alan Greenspan, sieht hingegen keine Anzeichen für eine Überhitzung des Immobilienmarkts. Ein Zusammenbruch sei unwahrscheinlich, sagt er, weil der Immobilienmarkt regionalisiert sei und durch Immigration sowie Baulandknappheit genährt werde. Irrt Greenspan, könnte das für die US-Konjunktur dramatische Konsequenzen haben.
Quelle: Sonntagszeitung
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