-->9. Oktober 2002, 08:09, Neue ZĂŒrcher Zeitung
Die Schweiz - keine EU-Kolonie
Wo auf der Welt gibt es ein Land, das sich bereit erklĂ€rte, Steuern fĂŒr andere Staaten einzuziehen? So gesehen hĂ€tten die Finanzminister der EU beim Treffen in Luxemburg ihrem Amtskollegen aus der Schweiz, Bundesrat Villiger, den roten Teppich auslegen mĂŒssen. Denn die Schweiz hat lĂ€ngst ein grosszĂŒgiges Angebot unterbreitet, damit EU-Kapital nicht in die Schweiz abfliesst, wenn die Union tatsĂ€chlich zur geplanten grenzĂŒberschreitenden Besteuerung von ZinsertrĂ€gen natĂŒrlicher Personen schreiten sollte. Sie offeriert eine Art Quellensteuer und liegt damit ganz auf der Linie der EU- Gewaltigen, die im Juni 2000 an ihrem Gipfeltreffen von Feira von wichtigen DrittlĂ€ndern gleichwertige - nicht gleiche - Massnahmen gefordert haben, um das Ziel der Besteuerung von Ersparnissen zu erreichen. Im Text von Feira steht nichts davon, dass man den DrittlĂ€ndern ĂŒber kurz oder lang den automatischen Informationsaustausch aufoktroyieren wolle.
TatsĂ€chlich aber glaubte der Dossier-Verantwortliche der EU-Kommission, der NiederlĂ€nder Bolkestein, am Vorabend der Luxemburger Visite Villigers der Eidgenossenschaft mittels eines offenen Briefs an die Wirtschaftszeitung «Financial Times» noch einmal mit dreisten Unterstellungen und Drohungen die Leviten lesen und den Bundesrat fĂŒr den angeblich fehlenden Verhandlungsfortschritt verantwortlich machen zu mĂŒssen, weil Bern nicht bereit sei, den Informationsaustausch auf Anfrage hin zu akzeptieren - wohlverstanden, zusĂ€tzlich zur Quellensteuer. Wenn schon nicht der Bundesrat (warum nur?), so hat wenigstens der Chef der grössten Schweizer Bank, der UBS, ebenfalls ĂŒber die Medien reagiert. Ospel skizzierte in der Dienstagausgabe der Londoner Zeitung sachlich die Fakten und erklĂ€rte zudem, warum die Quellensteuer dem Informationsaustausch ĂŒberlegen ist, vorausgesetzt, der EU geht es um die Besteuerung der VermögensertrĂ€ge und nicht um anderes.
Die Schweiz ist weder eine EU-Kolonie noch ein Schurkenstaat. Deshalb ist das seit Wochen und Monaten anhaltende verbale Trommelfeuer gewisser EU-Exponenten inakzeptabel. Besonders deplaciert erscheint dabei die Androhung von Sanktionen. Möglicherweise haben die Finanzminister bei ihrem TĂȘte-Ă -TĂȘte mit Villiger gemerkt, dass der Bogen ĂŒberspannt worden ist. Jedenfalls ist der Tonfall am Treffen im Grossherzogtum wesentlich konzilianter geworden. In der Sache selbst konnte selbstredend keine AnnĂ€herung gefunden werden, denn es handelte sich nicht um eine Verhandlungsrunde, sondern um einen Meinungsaustausch. Aber Villiger hatte die Gelegenheit, den EU- Finanzministern «ungefiltert» die Konzeption der Schweiz prĂ€zis zu erklĂ€ren. FĂŒr die voraussichtlich noch vor dem nĂ€chsten Rat der EU-Finanzminister im November stattfindenden ein oder zwei Verhandlungssitzungen kann das nur von Vorteil sein. Dabei darf es freilich nur um Details einer Zahlstellensteuer gehen. Es muss dabei bleiben, dass alle EU-Forderungen illusorisch sind, die das bewĂ€hrte schweizerische Rechtssystem auf den Kopf stellen wĂŒrden und die der SchwĂ€chung des Finanzplatzes Schweiz gegenĂŒber der Konkurrenz im EU-Raum dienen sollen.
Die EU weiss genau, dass sie mit dem, was sie zurzeit fordert, von der Schweiz Unmögliches verlangt. Gewissen EU-Mitgliedstaaten kann dies bei nĂ€herem Hinsehen nur recht sein. Die kompromisslose Haltung des Bundesrates bezĂŒglich Informationsaustausch könnte ihnen im Dezember, wenn die Zinsen-Richtlinie - einstimmig - verabschiedet werden sollte, als Vorwand dienen, um die Vorlage scheitern zu lassen: Luxemburg und Ă-sterreich, weil sie am Bankkundengeheimnis festhalten wollen, und Grossbritannien, weil London die Einmischung BrĂŒssels in steuerliche Angelegenheiten scheut wie der Teufel das Weihwasser. Aber man hĂ€tte dann den «richtigen» SĂŒndenbock, die Schweiz, der es an Kooperationsbereitschaft fehle. Es ist ein ziemlich ĂŒbles Spiel, das da auf dem europĂ€ischen Parkett gespielt wird.
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...ja, das kleine Stachelschwein will halt einfach immer noch nicht geschlachtet werden! Die EU sollte besser den eigenen Stall ausmisten - so sie denn ĂŒberhaupt einen hat!
tofir
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