Unsichere Kantonisten können Ã-l-Preis auf 100 Dollar treiben
Kolumne
Von Marc Faber
Wie an jedem anderen Markt wird der Ã-lpreis durch Angebot und
Nachfrage bestimmt, wobei beim Rohöl geopolitische
Erwägungen ebenfalls eine große Rolle spielen. Die Nachfrage
nach Ã-l hängt weitgehend vom Weltwirtschaftswachstum ab. In
den westlichen Industrieländern ist allerdings in den vergangenen
20 Jahren dank Energie-Sparmaßnahmen die Nachfrage nach Ã-l
nur leicht gestiegen. In den Schwellenländern - insbesondere in
Asien - nahm der Ã-lverbrauch dagegen gewaltig zu. Seit 1994 hat
sich der Verbrauch in China wie auch in den anderen Ländern
Asiens (außerhalb Japans) mehr als verdoppelt. Wegen dieser
raschen Zunahme konsumiert daher Asien inklusive Japan heute
fast so viel Ã-l wie die Vereinigten Staaten.
Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die rund 260 Millionen
Amerikaner auf einen jährlichen Pro-Kopf-Konsum von 24 Fässern
kommen, während die drei Milliarden Asiaten einen
Pro-Kopf-Verbrauch von bloß zwei Fässern aufweisen. Falls die
Prognosen der Optimisten, die fest daran glauben, dass die
Weltwirschaft ein Zeitalter sychronisierten Wachstums erleben
wird, eintreffen wird, so ist klar, dass der Ã-lverbrauch in Asien
auch in den kommenden Jahren enorm steigen wird. Tatsächlich
meine ich, dass - wenn sich die Region vollends erholt - die
Nachfrage in Asien (außerhalb Japans) leicht auf 20 Mio. Fässer
pro Tag innerhalb der kommenden fünf Jahren steigen könnte.
Auf der Angebotsseite sieht die Lage folgendermaßen aus:
Nicht-OPEC-Länder produzieren rund 60 Prozent des gesamten
Weltöls, sind aber nur im Besitz von 23 Prozent der Ã-lreserven.
Zudem sind die Reserven der Nicht-OPEC-Länder in den
vergangenen zehn Jahren gefallen, und sie produzieren zur Zeit
mit einer Kapazitätsauslastung von 100 Prozent. Somit sind die
Nicht-OPEC-Länder weder heute noch in absehbarer Zukunft in
der Lage, ihre Ã-lförderungen zu erhöhen. OPEC-Länder, dagegen
produzieren"nur" 40 Prozent des Weltöls, besitzen aber über 80
Prozent der Rohölreserven. Kurzfristig ist aber ihre Fähigkeit,
größere Mengen Ã-l an den Markt zu bringen, ebenfalls
eingeschränkt, weil sie bereits einen Auslastungsgrad von 96
Prozent erreicht haben. OPEC-Länder könnten daher ihr
Produktionsvolumen höchstens um vier Prozent erhöhen, was
aber die Weltproduktion um weniger als zwei Prozent vergrößern
würde.
Nachdem die Weltnachfrage nach Angaben von Experten von 76
Mio. Fässern pro Tag im Jahre 2000 im nächsten Jahr auf 77.5
Mio. Fässer steigen soll, wird deutlich, dass jegliche
OPEC-Angebotserhöhung problemlos vom Markt absorbiert
werden könnte. Mit anderen Worten: Die Preise für Ã-lprodukte
werden in absehbarer Zeit höchst unwahrscheinlich fallen. Sollte
aber der irakische Staatschef Saddam Hussein oder der iranische
Präsident Mohammed Chatami beschließen, ihre Ã-lförderungen
um rund eine Mio. Fässer pro Tag zu kürzen, so könnten die
Preise leicht auf 40 Dollar, 50 Dollar oder sogar 100 Dollar pro
Fass steigen, weil es bestimmt zu Panikkäufen kommen würde.
Somit beherrschen zwar die Amerikaner mit ihren
Kampflugzeugen den Luftraum, aber die Araber bestimmen zur
Zeit den Ã-lpreis und haben somit die Macht, die überbewertete
US-Börse zu schwächen und damit auf die Weltwirtschaft und die
US-Wahlen Einfluss zu nehmen.
http://www.welt.de/daten/2000/09/25/0925fi192738.htx
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