-->Norbert Walther, gerade soeben aufgestöbert.
Alles wird gut, nur....
"Die EU muss grundsaniert werden"
Walter: Westeuropa ist nicht reif für die Erweiterung. Kandidaten gut gerüstet
DIE WELT: Sie halten die Erweiterung trotz aller Probleme für zwingend notwendig. Sind die zehn Beitrittstaaten aber auch die EU 15 bereits fit genug für eine solche ökonomische Herausforderung?
Norbert Walter: Ganz sicher müssen die Beitrittsländer weiter arbeiten, um fit zu werden. Aber die meisten sind auf einem guten Pfad. In Westeuropa sind die großen Reformen der Institutionen, aber auch zum Beispiel die Umgestaltung der Agrarpolitik ins Stocken geraten. Dort ist die alte EU ohne wirkliche Führung, um ihrerseits die Hausaufgaben für die Erweiterung zu machen. Wir brauchen aber dringend eine Grundsanierung der EU.
DIE WELT: Wie wird die Alt-EU das Wohlstandsgefälle verkraften?
Walter: Das ist eine typisch deutsche Frage. Wenn wir den Menschen in Mittel- und Osteuropa eine Chance zur wirtschaftlichen Integration in den europaweiten Markt geben, werden davon letztlich alle durch höhere Wachstumsraten und Einkommen profitieren.
DIE WELT: Wird es nicht zur massiven Abwanderung von Arbeitsplätzen aus den EU 15 gen Osten kommen und gleichzeitig zu massiven Zuzug in die EU kommen?
Walter: Wer Politik vom Muster der neuen Berliner Regierung macht, provoziert die Auswanderung von deutschen Arbeitsplätzen. Einwanderung wird sich wegen der schlechten Wirtschaftsperspektiven in Grenzen halten. Das deutsche Sozialsystem bleibt freilich für einige Zuwanderer attraktiv. In einem offenen Wirtschaftssystem kann dieses Problem aber dadurch gelöst werden, dass das Sozialsystem abgespeckt wird. Vor allem in Deutschland wird dies nicht verstanden. Wir sind die Produzenten des Problems.
DIE WELT: Kritiker der Erweiterung sagen, die Anpassungskosten werden erst nach 2006 richtig steigen. Womit rechnen Sie?
Walter: Es ist eher unrealistisch, dass wir auf Grund der vielen neuen Aufgaben der EU mit 1,27 Prozent des Sozialprodukts als Budgetrahmen auskommen, vor allen wenn der mit 50 Prozent der Ausgaben größte Brocken (die Agrarpolitik) nicht gekappt wird. Aber bei allen Diskussionen über die Kosten der Erweiterung darf man nicht vergessen, dass der durchschnittliche Staatsanteil in Westeuropa 50 Prozent beträgt. Deshalb ist die Debatte über eine leichte Vergrößerung oder Umwidmung der Ausgaben der EU angesichts der nationalen Misswirtschaft absurd - vor allem wenn man bedenkt, dass ein großer Teil der EU-Mittel für den Aufbau von Infrastruktur in den Beitrittstaaten ausgegeben werden soll, die die Basis für die erfolgreiche Integration und vernünftige Gestaltung der neuen europäischen Arbeitsteilung sind.
DIE WELT: Größter Streitpunkt bei den Beitrittsverhandlungen sind die Subventionen für die Bauern. Was ist als Ergebnis wünschenswert und was realistisch?
Walter: Der Fischler-Kompromiss ist nützlich. Wir müssen wegkommen von der Subventionierung von Produktion. Wenn Bauern arm sind, dann müssen ihnen soziale Leistungen zur Verfügung gestellt werden. Wir sollten aber nicht die Arbeitsteilung in Europa durch die Fortsetzung von Produktionssubventionen behindern. Wenn wir so weiter machen, werden wir zudem zu einem immer größeren Problem für die Entwicklungsländer. Im erweiterten Europa mit unveränderter Agrarpolitik droht es zu einer Überschussproduktion zu kommen, die dann auf internationalen Märkten zu hoch subventionierten Preisen abgesetzt werden müsste. Damit würden die Lebenschancen von ärmeren Menschen zunichte gemacht.
DIE WELT: Besteht nicht die Gefahr, dass es in den Beitrittsländern noch einen Stimmungsumschwung gegen den Beitritt gibt?
Walter: Es gibt solche Tendenzen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sich noch ernsthafter Widerstand durchsetzt, ist nicht sehr groß. Die Vorteile für die Beitrittstaaten sind einfach zu groß. Dazu gehören zum Beispiel im Vergleich zu anderen Schwellenländer niedrigere Zinsen. Aber wenn die Westeuropäer sich jetzt in den Verhandlungen wie Kleinkrämer verhalten, wird das die EU-Gegner in Mittel- und Ost-Europa stärken.
Das Gespräch mit dem Chefvolkswirt der Deutschen Bank führte Ernst August Ginten.
adios
D.K.
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