-->>Ein Posting vom (leider nicht mehr im Board aktiven Riwe) vom 21. Oktober 2001, mit dem er auf ein Posting von Dir, Reinhard, vom 20. Oktober antwortet (merkwürdigerweise ist diese Nachricht, http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/87431.htm, nicht mehr aufrufbar. Wieso eigentlich? Gut jedenfalls, daß ich das ausgedruckt und aufgehoben habe).
[b]Wundert mich auch. Hier ist es jedenfalls (geht ja nichts wirklich verloren ):
Beitrags-Titel (bitte möglichst sprechend): Re: aber einfach genug
http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/87431.htm
Dieses Feld frei lassen (Name kommt automatisch): - riwe
Text: >Mit dem Tauschmechanismus allein ist kein Pro-Kopf-Mehrprodukt erklärbar. Deshalb sind alle Tauschwirtschaften > statisch (Bedarfsdeckung). Historische Evidenz überwältigend! > Die Dynamik kann nur entstehen, indem einer den anderen zwingen kann, nicht nur für sich selbst, sondern auch noch > für ihn, den anderen, zu arbeiten. > Dies entsteht durch sog. Abgabensysteme, siehe den Übergang von den Familien- d.h. Bedarfsdeckung- und > Tauschwirtschaft der Frühzeit zu ersten Herrschaftssystemen.
>[b]das halte ich für falsch. Wenn einer den anderen zwingt, nicht nur für sich selbst, sondern auch noch für ihn, den anderen zu arbeiten, kann nicht viel entstehen. Viel mehr entsteht allerdings, wenn beide arbeiten und tauschen. Das bringt Dynamik und Wachstum, weil für beide gemeinsam mehr Produkt entsteht.
>Der ganze Rest, den dottore dann beschreibt läuft wieder auf die simple Frage hinaus"Was ist Geld". Für mich ist Geld am Ende immer ein realer Gegenstand. Das können Kaninchen sein, oder Weizen, oder am praktischsten eben Gold und Silber. Aber auch bei Kreditgeld wird für mich letztlich immer ein realer Gegenstand geschuldet.
>Für dottore ist nur die Schuld selbst Geld, er sagt nie was der Schuldinhalt ist, oder ob es ein realer Gegenstand ist, sondern die Schuld selbst ist das Geld. Damit haben wir an die Stelle des realen Gegenstandes einen abstrakten Begriff gesetzt ("die Schuld") and that is where the shit hits the fan. Das ist, soweit ich sehe, der ganze Unterschied, der uns trennt.
>Allerdings hat dieser Unterschied konkrete strategische Folgen. Nach dottores Logik muss man jetzt Geld horten (weil die Schuld immer wertvoller wird), nach meiner Logik Gold und Silber (weil es keine Schuld ist). Man kann wirklich nicht mit letzter Sicherheit sagen, was richtig ist, insofern hat dottore recht. Ich neige zu Letzterem, weil ich denke, dass die Menschen den Trick mit dem Schuldinhalt (Wieselgeld) durchschauen.
>Gruß
>Reinhard (der schon langsam Laufen lernt:-))
Hallo R. Deutsch,
ich stelle das folgende mal rein, weil es nach meiner Meinung zeigt, dass Handel sehr wohl ohne Geld möglich ist. Diese kleine Geschichte hat sich so nicht zugetragen, sondern ist eine Sammlung von Beobachtungen im Verlaufe mehrer Jahre auf lokalen afrikanischen Märkten. In grösserem Stil habe ich das 85 in Zaire gemacht, wo ich für einen nigerianischen Freund Tragetaschen verkauft habe. Abnehmerinnen waren Marktfrauen. Als über Nacht der Kurs von 20 Zaire/$ auf 42 stieg, hatte ich gerade eine Container im Hafen. Die"Zollformalitäten" wurden in $ abgewickelt. Das war schon teuer genug. Aber wie an einen vernünftigen Preis kommen? Bei einem Rabatt von 20% wurde mir Zahlung in ffrs in Niger zugesagt. Ich bin dann nach Niamey geflogen, habe das Geld bekommen, mit der Kontaktperson Kinshasa informiert und den Container freigegeben. Welche Waren und wie von Zaire nach Niger geschafft wurden, habe ich allerdings nie erfahren.
Es ist sicherlich richtig, dass man ohne Banken keine Superprojekte aufziehen kann. Mir stellt sich jedoch die Frage, ob das überhaupt notwendig ist. Warum sollten Afrikaner Bagger bauen? Gäbe es einen fairen Handel, könnte man mit Landesprodukten bezahlen.
In den nun folgenden Beispielen habe ich keine Währung erkennen können. Es hing ganz vom Verhandlungsgeschick ab, ob jemand für seine Ware 3 oder 4 m Stoff erzielte.
Markttag in Afrika
Ich erfuhr, daß am kommenden Tag viele auf den Markt gehen würden, und so sagte ich, daß ich mich anschließen wolle. Nach kurzer Beratung sagte einer der Nachbarn, daß der Marktplatz zu weit entfernt sei, um zu Fuß dorthin zu gelan-gen. Er bot mir also an, mich auf dem Fahrrad dorthin zu fahren. Ich sagte ihm, daß ich radfahren könne, und es nicht notwendig wäre, mich faul durch die Ge-gend schaukeln zu lassen, aber er meinte, er müsse sowieso hin.
Als wir am nächsten Morgen zusammentrafen, waren alle Fahrräder vollgepackt. Der eine hatte eine Ziege auf einer Art Plattform festgebunden, ein anderer Hüh-ner an das Fahrrad gehängt, ein dritter Fische und nur mein Fahrer wartete auf mich als Fracht. Als ich meinte, daß ich wohl seine Ware wäre, lachten alle und sagten, daß ich überhaupt keinen Wert hätte, denn ich wüßte ja noch nicht ein-mal, wo man Wasser holen könne.
Nachdem wir den Marktplatz erreicht hatten, teilte sich die Gruppe. Der Mann mit den Hühnern parkte sein Fahrrad an einem Baum und setzte sich in den Schatten. Die Ziege wurde abgeladen. Das Fahrrad blieb in der Obhut des Hühnerbesitzers. Ziege und Besitzer steuerten zielstrebig auf einen Mann zu, der Kleidungsstücke anbot. Der Mann mit den Fischen schien noch unschlüssig und begann, sich erst einmal umzusehen. Auch das Fahrrad meines Freundes kam zu den anderen und wir begannen unseren Rundgang. Dabei trafen wir auf den Ziegenbesitzer, der sich mit dem Kleiderhändler unterhielt. Da ich ja die Landessprache nicht ver-stand, erklärte mir mein Freund, daß es sich um den Kauf von Kleidung handeln würde, daß aber vorher erst einmal Neuigkeiten ausgetauscht würden. Unser Be-gleiter mit den Fischen unterhielt sich mit einem Neuankömmling und kurz danach saßen die beiden zusammen und wir setzten uns dazu. Die Fische wurden ge-prüft, für gut befunden und ein Päckchen Geldscheine wechs!
elte den Besitzer. Von diesem Geld wurde dann eine Kette und ein Stück Tuch gekauft. Als wir den Hühnerbesitzer trafen, kamen wir gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie ein Ferkel an die Stange gebunden wurde. Außerdem gab der Händler ihm noch Geld. Mein Freund sprach noch mit dem Keiderhändler und suchte sich ein T-Shirt aus, das er gleich anzog, aber nicht bezahlte. Das Geschäft mit der Ziege schien auch gelau-fen zu sein, denn unser Freund band sich 2 Meter Stoff um den Bauch.
Zuhause angekommen, saßen wir noch eine Weile zusammen, und ich wollte noch so etwas wie eine Manöverkritik machen.
Mein Freund hatte also ein T-Shirt auf Kredit gekauft. Die Ziege war gegen 2 Me-ter Stoff getauscht worden. Die Fische wurden verkauft und mit einem Teil des Geldes eine Kette und ein Stück Tuch bezahlt. Die Hühner wurden gegen ein Fer-kel und Geld getauscht.
Ich fand, daß es ja eigentlich Betrug sei, ein T-Shirt auf Kredit zu kaufen, wo mein Freund doch wußte, daß er so bald kein Geld zu erwarten habe. Eine Ziege gegen 2 Meter Stoff zu tauschen, schien mir wiederum ein Betrug von der Seite des Händlers zu sein. Fische gegen Geld war in Ordnung, auch der Kauf der Kette und des Tuches. Ebenso schien mir das Geschäft Hühner gegen Ferkel und Geld kor-rekt gewesen zu sein.
Meine Nachbarn sahen das überhaupt nicht so. Weder habe es einen Betrug ge-geben, noch sei getauscht worden und Geld wäre überhaupt nicht im Spiel gewe-sen.
Mein Freund sagte, daß der Händler ihm schon viel mehr Kleidungsstücke gege-ben habe, die er auch nicht bezahlt habe. Der Mann mit der Ziege sagte, er habe das gleiche gemacht. Er hätte ja den Händler auch nicht bezahlt. Die Ziege sei für etwas ganz anderes gewesen. Der andere sagte, er habe gar kein Geld für seine Fische bekommen, er brauchte dieses Geld aber um die Schulgebühren für seine Kinder zu bezahlen und er habe die Kette und das Tuch auch nicht bezahlt. Dem Händler sei nur eingefallen, daß er so viel Geld garnicht geben kann, weil er auch Schulgebühren bezahlen muß, und so habe er ihm einen Teil des Geldes zurück-gegeben. Der Mann mit den Hühnern sagte, daß die Hühner nicht gegen das Fer-kel und das Geld getauscht worden wären, sondern daß er das Ferkel nur für den Händler zu einem Nachbarn transportiert habe. Das Geld habe er bekommen, um auch Schulgebühren zu bezahlen. Ich blieb ratlos auf der Strecke.
Ansichten
Wie schwierig es ist, das Vexierbild Geld zu deuten, konnte man an einem Beitrag über Zaire unter dem Titel"Die Zukunft Afrikas ist schwarz" im Fernsehen fest-stellen. Während einer Fahrt auf einer Schubbooteinheit auf dem Congo sagte ei-ner der Mitreisenden, daß es augenblicklich 3 Währungen gäbe: Die alten Zaire, die neuen Zaire und den Tauschhandel. Ich habe Ende 1984 1 US $: 40 Zaire ge-tauscht. Heute dürfte die Rate bei 1: 10 000 000 liegen. Wie ist es dann mög-lich, mit alten Zaire zu zahlen, wenn man schätzt, daß ein Dollar einem Gewicht von etwa 300 kg der alten 20-er Stückelung entspricht? Diese Frage hat niemand gestellt. Außerdem ist niemandem aufgefallen, daß es sich bei dem sogenannten Tauschhandel meistens um ein ganz normales Kreditgeschäft über Zeit handelt, dessen Erledigung später als Ganzes oder in Raten erfolgt.
Die Anwohner des Congo legen an den fahrenden Schubbooten an und übergeben ihre Waren ihnen bekannten Händlern. Diese liefern dafür auf dem Rückweg die vereinbarten Güter. Da sich das nächste Geschäft sofort anschließt, entsteht der Eindruck, es würde getauscht. Schaut man jedoch genau hin, stellt man fest, daß die"getauschten" Güter wertmäßig in den meisten Fällen überhaupt nicht ver-gleichbar sind. Sind sie doch vergleichbar, kann es sich um ein Geschäft handeln, das Zug um Zug abgewickelt wird.
Auch ich gehörte zu den Menschen, die so an den Gebrauch von Geld in Form von Münzen und Scheinen gewöhnt sind, daß sie bei Geschäftsabschlüssen frü-her oder später eine"Bezahlung" in dieser Form erwarteten. Es ist daher sehr ver-ständlich, daß man Abschlüsse, bei denen kein"Geld" erscheint, als Tauschvor-gang oder Geschenk bezeichnet.
Georg Simmel beschreibt in seinem Buch"Philosophie des Geldes" einen derarti-gen Vorgang aus dem Orient, bei dem der Schenkende äußerst ungehalten ist, wenn sein"Geschenk" nicht durch ein Gegenpräsent erwidert wird. Wenn ich als ein an"Geld" gewöhnter Beobachter einen derartigen Vorgang verfolge, stelle ich doch folgendes fest: Ein Gut wird übergeben. Es erfolgt keine Bezahlung. Also muß es sich um ein Geschenk handeln. Nach einer bestimmten Zeit ist der Schen-kende ungehalten, weil er kein Gegengeschenk erhalten hat. Spätestens jetzt müßte ich eigentlich feststellen, daß mein erster Schluß, nämlich daß es sich ur-sprünglich um ein Geschenk gehandelt hat, ein Trugschluß war, nach dem be-kannten Motto, die Straße ist naß, also hat es geregnet. Weiter müßte ich aus diesem Vorgang schließen, daß es sich um einen ganz normalen Geschäftsvor-gang auf Grund eines Vertrages handelte, bei dem"Geld" im mir geläufigen Sinne garnicht zu erscheinen braucht.
Derartige Vorgänge des"Tauschens" und"Schenkens" habe ich in Afrika jah-relang beobachtet, ohne daß der Groschen fiel. Wie oft ich mich gefragt habe, wer denn nun nicht alle Tassen im Schrank hat, die so handelnden oder ich, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen.
Ich hatte in Afrika oft Geldscheine in der Hand, deren lange Umlaufzeit man gera-dezu fühlen konnte. Der ursprüngliche Wert ließ sich meistens nur ahnen. Solche Scheine waren mit Zahlen, Schriftzeichen und Handelsmarken (? ) versehen. Sie hatten offensichtlich mehrfach nicht als Geld, sondern als Schuldscheine gedient, wobei der aufgedruckte Wert nichts mit dem Umfang des Geschäftes zu tun hatte. So kann man auch mit alten Zaire abrechnen und läuft dabei nicht Gefahr, seinen Gewinn in der Inflation zu verlieren.
Gruss
riwe
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