-->Ich find die folgende FTD-Kolumne bisschen besser als den SPIEGEL artikel, problem bleibt das gleiche....
Aus der FTD vom 23.10.2002
Kolumne: Gefahr für die Pensionsfonds
Von Lucas Zeise
Schmeißt die Pensionsrückstellungen aus der Bilanz! Vor einem Jahr noch zogen die wegen des nachlassenden M&A-Booms nach Beschäftigung suchenden Investmentbanker mit dieser Parole durch deutsche Lande.
Sie versuchten die Finanzchefs großer und ehrwürdiger Industriekonzerne davon zu überzeugen, dass die zugesagten Betriebsrenten ihrer Beschäftigten sich zu grässlichen Risiken entwickeln könnten, wenn sie, wie von alters her als Rückstellungen in der Bilanz in Deutschland üblich, mitgeschleppt würden.
Schon vor einem Jahr hätten die Herren Investmentbanker wissen können, dass der von ihnen propagierte Ausweg alles nur noch schlimmer macht. Wie schlimm, das zeigt sich aktuell bei General Motors und Siemens. Die Münchner sahen sich genötigt, dem ausgegliederten Pensionsfonds neue Mittel zuzuführen. Denn schon im Juni wies der Fonds eine Unterdeckung von mehr als 5 Mrd. Euro auf, die bis Ende September bei fallenden Aktienkursen weiter gewachsen sein dürfte. Siemens kann sich den Zuschuss leisten. Dennoch wird die"Sonderdotierung" der hauseigenen Pensionsfonds, wie Finanzchef Hans-Joachim Neubürger den Zuschuss nannte, bei den Aktionären keine Begeisterung auslösen, wenn der Betrag am 13. November beziffert wird. Im Falle von GM hat die Unterdeckung der Pensionspläne die Rating-Agentur Standard & Poor’s vor einer Woche dazu veranlasst, die Bewertung der GM-Anleihen um einen Grad auf nur noch BBB herabzustufen.
Keine Pflicht zur Veröffentlichung
Mit der Auslagerung der Pensionsansprüche ist Siemens in Deutschland eine im Sinne der Investmentbanker"fortschrittliche" Ausnahme. In den USA dagegen ist die Auslagerung gängige Praxis. Dort tun sich mit dem Verfall der Aktienkurse riesige Deckungslücken in den Pensionsplänen auf. Sie sind schwer zu schätzen, weil die Pläne ausgelagert sind und ihr Zustand daher nicht unter die komplette Veröffentlichungspflicht fällt. Trevor Harris von Morgan Stanley schätzt die Deckungslücke in den Pensionsfonds mit vereinbarter Rentenzusage bei allen im S&P 500 versammelten Unternehmen auf insgesamt etwa 300 Mrd. $ - ein hübsches Sümmchen.
Wenn der Aktienmarkt sich nicht markant erholt, werden die Unternehmen solche Summen in den nächsten Jahren aus ihrem Cash Flow abzweigen müssen. Das zwingt zum Sparen und verhindert Investitionen, ein selbst tragender Aufschwung in der US-Wirtschaft bliebe zunächst aus."Wenn der Finanzdruck anhält", analysiert der Kolumnist John Plender,"verzögert sich die Erholung bei den Unternehmen. Deflation wäre nicht mehr nur ein Risiko, sondern Realität."
Man höre: Plender spricht nicht über das wachstumsschwache Deutschland, sondern über die USA. Das Problem der Unterdotierung der Fonds ist in Kontinentaleuropa relativ gering - eben weil Fondskonstruktionen wie die von Siemens hier selten sind.
Die ausgegliederten Betriebsrentenfonds haben zurzeit zwei Probleme: Zum einen sind sie in der Regel mit Aktien vollgestopft. Damit verringert sich der Wert des Deckungsstocks in der Baisse. Zum anderen haben die Fondsmanager zumeist völlig überhöhte Renditeerwartungen in ihren Deckungsstock zu Grunde gelegt. Einer Studie von UBS Warburg zufolge rechnen 60 Prozent der S&P-500-Unternehmen mit einer Verzinsung ihrer Anlagen von jährlich neun bis zehn Prozent. Weitere 20 Prozent kalkulieren sogar mit mehr als zehn Prozent Wertsteigerung. Je höher die Rendite auf das angesammelte Kapital ist, desto weniger Kapital müssen die Manager zur Abdeckung der Pensionsansprüche vorhalten.
Druck der Rating-Agenturen
Der ob seines Konservatismus gerühmte Warren Buffett hat dem Pensionsplan seiner Berkshire Hathaway schon im vergangenen Jahr eine Senkung der erwarteten Rendite um 1,8 Punkte auf 6,5 Prozent verordnet. Unter dem Druck der Rating-Agenturen und Investoren nehmen auch andere Unternehmen die unrealistischen Erwartungen Stück für Stück zurück und lösen damit gewinnmindernde Nachschusspflichten aus.
Dazu können sie sich nach US-Recht bis zu 18 Monate Zeit lassen. Obwohl der Verfall der Aktienkurse schon im Frühjahr 2000 begonnen hat, zwingt auch aus diesem Grund die gähnende Lücke in den Pensionsfonds erst jetzt zum Handeln. Ein anderer bestand darin, dass sich im Aktienboom zuvor Überschüsse angesammelt hatten.
Vergleichsweise komfortabel ist dagegen die Lage der deutschen Unternehmen. Sie haben, von Siemens, DaimlerChrysler und wenigen anderen abgesehen, dem Werben der Investmentbanker widerstanden und an den Direktzusagen an ihre Betriebsangehörigen festgehalten. Sie bürgen selbst für die Pensionszusagen und bedürfen keines Deckungsstocks von Bonds oder gar Aktien.
Im internationalen Schönheitswettbewerb angelsächsisch interpretierter Bilanzen sahen die Pensionsrückstellungen zwar schlecht aus, denn sie verlängerten die Bilanz und wurden als Schulden und Eigenkapitalschwäche interpretiert. Doch jetzt zeigt sich, dass es besser sein kann, diese dennoch in der Bilanz zu halten. Außerbilanzielle Schulden sind in der Zeit nach Enron wenig gefragt. Gut möglich, dass während der Aufräumarbeiten im amerikanischen Bilanzrecht auch die Pensionsverpflichtungen und ihre Defizite wieder in die Gewinn- oder Verlustrechnungen der US-Unternehmen wandern müssen.
© 2002 Financial Times Deutschland
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