-->ich habe hier einen aufsatz in einer alten Welt gefunden, wie ich meine einen interessanten aufsatz, da es hier am board schon oft um die"ansÀtze tauschwirtschaft" gegangen ist.
"Tausche Klempner gegen Babysitter"
Der Steuerstaat drĂ€ngt die BĂŒrger aus der Geldwirtschaft - ein Widerstandsmodell
Debatte
von Ulrich Clauss
Es gehen Gespenster um in diesem Land. Sie requirieren Brennmaterial fĂŒr die Lagerfeuer des - wie der Ă-konom Carl Christian von WeizsĂ€cker es nennt - âuntergehenden Sozialstaatsâ. Weil abseits seines verglimmenden Feuerscheins die Gespenster zunehmend die Ăbersicht verlieren, entstehen immer mehr gespensterfreie Zonen. Man nennt sie Schwarzarbeit oder Schattenwirtschaft. Mehr als ein FĂŒnftel aller wirtschaftlich Handelnden in diesem Land treffen sich mittlerweile in dieser Zwischenwelt - ein zweiter, stĂ€ndig wachsender Wirtschaftskreislauf, ohne den der erste bald gar nicht mehr richtig funktioniert. Gerichtsnotorische MillionenbetrĂŒger gibt es in dieser Zwischenwelt ebenso wie handwerklich begabte Nachbarschaftshelfer, Computerexperten, GĂ€rtner, Putzfrauen und Nachhilfelehrer, nur eben keine Gespenster - fast wie im richtigen Leben. Und weil die Gespensterfeuer immer niedriger brennen, steigt das Selbstbewusstsein der Schattenweltbewohner tĂ€glich. Viele von ihnen glauben sogar schon, dass es völlig normal ist, ohne Gespenster zu leben, und sie verbreiten Aufbruchstimmung in der Schattenwelt. Dort bilden sich Strukturen, Umgangsformen und Gewohnheiten, kurz gesagt: Es entsteht NormalitĂ€t. Eine Erscheinungsform dieser neuen NormalitĂ€t ist die kollektive Flucht aus der offiziellen Geldwirtschaft - der organisierte Tauschhandel mit Arbeit. Seine geldwerten UmsĂ€tze gehen bereits in die Milliarden.
Vor allem in den Subkulturen der Arbeitslosen und SozialhilfeempfĂ€nger (âOhne Moos was losâ) macht seit Jahren schon ein Widerstands- und Selbsthilfemodell Furore, das jetzt auch immer attraktiver fĂŒr die unter steigenden Abgabendruck geratenden Mittelschichten wird. Es handelt sich um den gemeinsamen Aufbau informeller MĂ€rkte.
Bargeldlos, belegfrei und völlig steuer- und abgabenresistent funktionieren Hunderte von Tauschringen im Lande. Ăber sie werden keine Dinge getauscht, sondern menschliche Arbeit, Dienstleistungen. In allen groĂen StĂ€dten funktionieren bereits Dutzende von Internet-Foren, auf denen von der Badezimmerrenovierung bis zum Babysitting, vom Reifenwechsel bis zur Rechtsberatung Dienstleistungen entweder im direkten Tausch oder ĂŒber eine KunstwĂ€hrung miteinander kompensiert werden - brutto gleich netto. Das ist in einem Land, in dem zum Beispiel ein Handwerker bis zu sieben Stunden arbeiten muss, um als Kunde eine Arbeitsstunde eines Zunftkollegen bezahlen zu können, fĂŒr viele der einzige Weg, um ĂŒberhaupt noch an diese Leistungen heranzukommen.
Das funktioniert so: Dem einen tropft der Wasserhahn, dem anderen, einem Klempner, fehlt der Babysitter. Ins âGeschĂ€ftâ kommen beide ĂŒber entsprechende Web-Seiten. Wenn der Hahn repariert und das Kind gehĂŒtet ist, gilt der Tauschhandel als abgewickelt, ohne dass ein Euro geflossen und eben zur HĂ€lfte in den Gespensterkassen versickert ist. Das geht mit Leistungen aller Art.
âSelbsthilfeökonomieâ nennen sich solche Initiativen, die sich in der Tradition Robert Owens englischer Konsumgenossenschaftsbewegung des 18., Friedrich Wilhelm Raiffeisens WohltĂ€tigkeitsvereinen des 19. Jahrhunderts und Hermann Schulze-Delitzschs âRohstoffassoziationâ fĂŒr Tischler und Schuhmacher verstehen. So wie damals viele aus dem Mahlstrom des ungezĂŒgelten Fabrikkapitalismus auf systemferne Wirtschaftsinseln flĂŒchteten, versucht sich heute die wachsende Opferzahl des marodierenden Steuerstaats in Sicherheit zu bringen. Und dieses Modell ist ausbaufĂ€hig.
Wie uns bereits 1997 die âNeue Juristische Wochenschriftâ (Heft Nr. 13/1997) ausfĂŒhrlich unterrichte, ist die bargeldlose Tauschwirtschaft auch fĂŒr Lohn- und EinkommensempfĂ€nger eine realistische - und sogar legale - Alternative. In dieser informellen Barter-Kultur schlummert ein enormes Protestpotenzial, abgesehen von den Perspektiven ganz praktischer Nachbarschafts- und Ăberlebenshilfe. Nichts wirkt nachhaltiger gegen die Ressourcen vernichtende staatliche Misswirtschaft als konsequenter Entzug von Umsatz. Jeder, der den tĂ€glichen Lohn- und Einkommensraub der FinanzĂ€mter und Sozialblockwarte unterlĂ€uft, macht sich verdient an einer neuen BĂŒrgerordnung, die an die Stelle der staatlichen Ruinenbaumeisterei treten muss. Dieser Exodus immer gröĂerer Teile der Bevölkerung aus dem Wendekreis des Sozialstaatsaxioms beschleunigt den lĂ€ngst fĂ€lligen Zusammenbruch der Gespensterwirtschaft. Denn der Zustand unserer öffentlichen Systeme gleicht einem Laster, der von Geisterhand gesteuert ohne Bremse auf eine belebte FuĂgĂ€ngerzone zurast. Man wird das Benzin aus dem Tank ablassen mĂŒssen, wenn es nicht anders geht, durch Bohrungen bei voller Fahrt. Die verbreitete informationstechnische Vernetzung unserer Tage, der allgegenwĂ€rtige Internet-PC, ermöglicht jedermann Zutritt zu den neuen TauschmĂ€rkten - eine Flussbegradigung zur Austrocknung der Abgaben- und Steuerströme. Tauschen statt bezahlen - sicher, wir waren schon einmal weiter. Aber im verdorrenden RegulierungsgestrĂŒpp des tĂ€glichen Enteignungsspuks aufersteht eben zeitweilig das Gesetz des Dschungels: Banane gegen Kokosnuss - tastende Schritte der VorwĂ€rtsbesinnung hin zu einem neuen Staatsvertrag, der vieles gar nicht so anders regelt, aber bei dem eines in jedem Fall wieder verlĂ€sslich gilt: das gesprochene Wort.
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