-->G8-Staaten drängen auf biometrische Erfassung aller
Reisenden
Die acht Industriestaaten, die sich im Rahmen der G8-Gruppe regelmäßig
konsultieren, wollen der Sicherheitsindustrie ein Geschenk der besonderen Art
machen. Nichts weniger als die Aufrüstung der Pässe aller Reisenden weltweit mit
biometrischen Merkmalen schwebt dem Gremium vor. Ein entsprechendes
Planungsprotokoll, das die"Universalität","Dringlichkeit" und"technische
Zuverlässigkeit" des Konzepts bestätigt, liegt heise online vor. Die
Immigrationsexperten des Staatenbundes haben sich auf erste Prinzipien bereits
geeinigt. Sie sollen zusammen mit Vorhaben zum Aufbau einer umfassenden
Datenbank zur Strafverfolgung des Austauschs von kinderpornographischem
Material sowie zum Einsatz verdeckter Ermittler auf dem ersten Treffen des Bunds
der Großmächte unter der neuen französischen Präsidentschaft Anfang 2003
vervollständigt und zusammen mit internationalen Standardisierungsgremien
umgesetzt werden.
In dem Papier empfiehlt die G8-Arbeitsgruppe mit Nachdruck die Entwicklung
eines"vollständigen gemeinsamen technischen Interoperabilitätsstandards", auf
dessen Basis alle Nationen der Welt eine maschinenlesbare Prüfung von
Ausweisdokumenten mit körpereigenen Merkmalen einführen sollen. Sie
verspricht sich von der Maßnahme eine bessere Bekämpfung des internationalen
Terrorismus. Die Experten schüren gleichzeitig die Angst, dass eine Verzögerung
der Implementierung eines entsprechenden global interoperablen Systems
"Risiken für unsere Bevölkerungen unnötig erhöhe".
Bei der Standardisierung arbeitet das Immigrationsgremium mit der
Internationalen Zivilen Luftfahrtbehörde ICAO zusammen. Die in Montreal sitzende
UN-Behörde macht sich seit Jahren im Rahmen der von ihr vorangetriebenen
Harmonisierung des Passwesens für die Gesichtserkennung als globales
biometrisches Merkmal stark. Unter"aktiver" Beobachtung sind dem G8-Report
zufolge auch Fingerabdrücke oder Iris-Scans.
Die G8-Vorlage liest sich in weiten Teilen wie eine Werbebroschüre der
Wachstumsindustrie rund um die Biometrie, die seit dem 11. September auf immer
neue Großaufträge hoffen darf. Allein die Kosten für den Aufbau der Infrastruktur
für die Lesbarkeit der Visa mit biometrischen Merkmalen, die für die Einreise in
die USA im nächsten Jahr vorgeschrieben sind, werden mit 3,2 Milliarden
US-Dollar beziffert."Wir haben uns überzeugen lassen", schreibt nun die
G8-Arbeitsgruppe,"dass die biometrische Authentifizierung die individuelle
Privatsphäre verbessern, das Reisen erleichtern und die Sicherheit vergrößern
kann". Nötig sei jedoch eine"sachgerechte" Implementierung."Sorgfältige
wissenschaftliche Tests" sollten durchgeführt werden, um die"großen
Versprechungen" biometrischer Technologien einzulösen.
Derlei Zusicherungen gibt es schon seit Jahren -- und trotzdem belegen Tests
immer wieder, dass die Biometrie für Großprojekte bislang nicht einsatzreif ist.
"Die Technik einer massentauglichen Identifizierung und Authentifizierung von
Personen auf der Basis von Körpermerkmalen steckt offenbar noch in den
Kinderschuhen", lautete etwa das Urteil der c't-Redaktion nach Prüfung von elf
verschiedenen Biometrie-Anwendungen im Frühjahr. Bei einem Feldversuch des
Pentagons versagte die Software FaceIt von Visionics gar in 51 Prozent der Fälle.
Der Leiter des von der Bundesregierung geförderten Projekts BioTrusT, Henning
Arendt, schätzt die durchschnittliche Fehlerquote bei Gesichtserkennungssystemen
aber"nur" auf knapp zehn Prozent. Für ihn wäre es jedoch"unvorstellbar", wenn in
Zukunft jeder Zehnte Probleme beim Grenzübertritt hätte.
"Neben der Frage nach der Alltagstauglichkeit und Sicherheit" seien auch"viele
rechtliche Implikationen noch weitgehend unklar", befand der
Forschungsausschuss des Bundestags im Vorwort zum Bericht des Büros für
Technikfolgenabschätzung über biometrische Identifikationssysteme.
Datenschützer etwa warnen vor der Anhäufung unkontrollierbarer Datenberge, der
Gefahr einer ethnischen Rasterung und der verdeckten Einführung der
Schleierfahndung.
Trotzdem hat die Bundesregierung mit dem umstrittenen zweiten Anti-Terrorpaket
bereits vor einem Jahr den Grundstein gelegt, um biometrische Merkmale in
maschinenlesbarer Form in Ausweise einzubauen. Damals hatten Datenschützer
heftig gegen das Vorhaben zur erkennungsdienstlichen Behandlung des ganzen
Volks protestiert und kritisiert, dass die biometrische Mobilmachung bei der
Terrorismusbekämpfung nicht helfen könne. Denn die vermutlichen
Selbstmordattentäter des 11. 9. hatten gültige US-Visa. Die Systeme zur stärkeren
Überwachung der Bürger sind dennoch weiter auf dem Vormarsch. So sind etwa die
neuen EU-Visa, die von April 2003 an auch in Deutschland ausgeben werden,
schon auf Biometrie geeicht. Bayerns Innenminister Günther Beckstein hat ferner
im November Projekte zur automatischen Gesichtserkennung am Grenzübergang
Waidhausen und am Nürnberger Flughafen vorgestellt. (Stefan Krempl) / (jk/c't)
<ul> ~ http://www.heise.de/newsticker/data/jk-11.12.02-000/</ul>
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