-->„Den Euro gibt es nur noch fünf Jahre“
Ein Jahr nach der Bargeldeinführung: Professor Schachtschneider entwirft ein düsteres Zukunfts-Szenario - Interview
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Foto: AP Â
Durch die jüngste Umfrage, wonach nur jeder Vierte Deutsche den Euro akzeptiert, fühlt sich Karl Albrecht Schachtschneider bestätigt. Der 62-jährige Professor für Ã-ffentliches Recht an der Wirtschaftsfakultät in Nürnberg, der 1998 vor dem Bundesverfassungsgericht den Prozess gegen die Einführung des Euro verlor, gibt der Gemeinschaftswährung noch höchstens fünf Jahre. Mit ihm sprach Alexander von Gersdorff.
DIE WELT: Herr Professor Schachtschneider, der Euro als Bargeld wird in wenigen Tagen ein Jahr alt. Wie zahlt es sich als oberster Euro-Gegner damit?
Karl Albrecht Schachtschneider: Schlecht. Es macht wenig Freude.
DIE WELT: Was hatte denn die D-Mark, was der Euro nicht hat?
Schachtschneider: Beim Zahlungsablauf selbst hat sich natürlich nichts geändert. Aber der Euro symbolisiert eine große politische Weichenstellung, die vor allem zu Lasten Deutschlands geht. Die macht mir Sorgen.
DIE WELT: Derzeit gewinnt der „schwache“ Euro aber stark gegenüber dem Dollar.
Schachtschneider: Das hängt mit dem drohenden Irak-Krieg und der Gefahr von Attacken auch auf die USA zusammen. Zudem sind die Zinsen im Euroland höher. Der Euro ist unbestritten die zweite Weltwährung, aber das war vorher die D-Mark. Bei einer Entspannung der Situation wird der Dollar wieder kräftig anziehen. Im Übrigen ist Geld Ware geworden, mit der im weltweit freien Kapitalverkehr groß spekuliert wird.
DIE WELT: Wo soll der Euro-Nachteil für Deutschland liegen?
Schachtschneider: Der Euro bewirkt eine völlige Veränderung unserer Lebensverhältnisse. Die Wirtschaftskraft Deutschlands wird auf das Niveau der Partnerländer gedrückt. Denn wir haben mit dem Euro die Wirtschaftspolitik aus den Händen gegeben und darum keine Möglichkeiten zur eigenständigen Sozialpolitik mehr. Wirtschaft, Sozial- und Währungspolitik sind aber eine untrennbare Einheit und gehören politisch in eine Hand. Wir werden unser Sozialsystem nicht mehr aufrecht erhalten können und haben die Hoheit über unsere Lebensverhältnisse verloren.
DIE WELT: Was wäre denn anders, hätten wir noch die Mark? Unsere Sozialstaats-Probleme wären doch dieselben.
Schachtschneider: Nein. Die spezifisch deutschen Vorteile der Ankerwährung und niedrigerer Zinsen sind verloren gegangen. Es gibt keinen spezifischen Grund mehr, in Deutschland zu investieren. Das Kapital fließt überall hin, nur nicht mehr nach Deutschland. Unsere Vorteile haben wir der europäischen Idee, ich befürchte Illusion, geopfert.
DIE WELT: Kann der Euro etwas für die schwache Weltkonjunktur?
Schachtschneider: Natürlich nicht. Aber mit dem Euro haben wir weitere große Schwierigkeiten zu bewältigen.
DIE WELT: Aber die befürchtete „Teuro“-Inflation ist ausgeblieben.
Schachtschneider: Das ist unbestritten. Aber die Preisstabilität wird auf Kosten von Wachstum und Beschäftigung durchgesetzt. Das ist gerade keine gesamtwirtschaftliche Stabilität, wie sie das Grundgesetz gebietet. Diese Stabilitätsstörung bringt unsere Sozialsysteme immer weiter in Gefahr.
DIE WELT: Was ist mit Euro-Vorteilen wie Reisen ohne Geldumtausch, mehr Transparenz, leichterer Zahlungsverkehr?
Schachtschneider: Das sind Verbesserungen, aber die sind marginal. Niemand reist von Deutschland nach Spanien, um dort günstigere Preise zu nutzen. Und frei reisen konnten wir vorher auch schon.
DIE WELT: Die Europäische Zentralbank hat gerade die Zinsen gesenkt. Ist das nicht ein richtiger Schritt aus deutsche Sicht?
Schachtschneider: Das ist gut für Deutschland, aber schlecht für Euro-Länder wie Irland oder Portugal mit derzeit hoher Inflation. Dieser Fall ist gerade ein Beispiel dafür, dass der Euro scheitern muss: Egal, was die EZB macht, eine im Euroland allseits richtige Geld- und Zinspolitik ist unmöglich.
DIE WELT: 84 Prozent der Luxemburger freuen sich über den Euro. Blickt man dort nicht durch?
Schachtschneider: Luxemburg ist ein Sonderfall in der EU und als Kapitalzufluchtsort ein Hauptprofiteur der Integration. Das Umfrageergebnis verwundert daher nicht.
DIE WELT: Die Bevölkerung ist gegen den Euro, alle Politiker sind dafür. Wie ist das zu erklären?
Schachtschneider: Die Bevölkerung spürt, dass der Euro ihr schadet. Die Politiker sehen sich gezwungen mitzumachen, obwohl sie innerlich oft nicht zu dieser Politik stehen. Das hat viel mit Parteiräson zu tun, aber auch mit internationalen Bindungen. Insbesondere die Regierungskonferenzen tragen dazu bei, dass ein politischer Druck mit hoher Verbindlichkeit entsteht, dem sich unsere Politiker nicht zu entziehen vermögen. In der Europolitik sind wir entdemokratisiert, die Stimmung und die Stimmen der Bevölkerung zählen nicht.
DIE WELT: Welche Zukunft geben Sie der Währung?
Schachtschneider: Der Euro dürfte noch etwa fünf Jahre Bestand haben. Nicht Deutschland wird sich von ihm trennen, weil die deutschen Politiker die Desintegration nicht wagen werden, sondern eher Frankreich oder Italien, sobald dort die wirtschaftlichen und politischen Vorteile verpufft sind: Zinsen auf deutschem Niveau, Ende der Bundesbank-Diktatur. Die deutsche Wirtschaft ist dann allerdings schwer geschädigt.
DIE WELT: Was kommt dann?
Schachtschneider: Die Rückkehr zu Einzelwährungen, eventuell auch in Blöcken, beispielsweise Deutschland mit Ã-sterreich und Dänemark, dessen Krone de facto schon an den Euro gekoppelt ist. Die Mark kommt aber nicht so zurück, wie sie war. Das Vertrauen ist ruiniert.
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