-->Ich stelle Dir hier auch etwas Text rein, vielleicht ist das hilfreich bei einer Einschätzung des Goldpreises vor so langer Zeit und vielleicht bist Du dann der erste, der tatsächlich einen solchen Langfristchart zusammen flickt. [img][/img]
....................................
Karl Walker
Das Geld in der Geschichte
INHALT
Vom Münzwesen der Griechen 7
Zur Geldwirtschaft der Römer 11
Die Barbaren und das Geld 19
Wiedererwachende Geldwirtschaft 26
Die Brakteaten 29
Mittelalterliche Wirtschaftsblüte 36
Unvergängliche Kulturschöpfungen 42
Die Entwicklung der Städte 48
Die deutsche Hanse 56
Die Besiedlung Ostelbiens 66
Arbeit und Einkommen 71
Essen und Trinken 76
Geselligkeit und Kleiderluxus 80
Lebensfreude und Sittlichkeit 83
Beginnender Niedergang 91
Das verlorene Maß 93
Versiegende Nachfrage - böse Folgen 101
Die Wege der Falschmünzerei 105
Das Geld in der Renaissance 108
Gold und Silber aus der neuen Welt 110
Befruchtung der Nationalwirtschaften 113
Eroberung oder Handel 115
Handelskriege und Zollpolitik 119
John Law und sein Papiergeld 121
Die Assignaten - das Geld der Revolution 125
Geldzufluß und Bevölkerungsvermehrung 127
Vom Kampf ums Gold zum ersten Weltkrieg und zur Inflation 129
Zurück zum alten Spiel 131
Fazit 136
Literatur
VOM MÜNZWESEN DER GRIECHEN
Es gibt in der Geschichte der Menschheit keine hochentwickelte Kultur, die nicht auf
einer ebenso hochentwickelten Arbeitsteilung beruht hätte. Erst die Arbeitsteilung
ermöglicht es nämlich, über die Bedürfnisse des nächsten Tages hinaus den Geist frei
zu machen, um Größeres und Bleibendes zu bilden. Arbeitsteilung erfordert indessenden Austausch von Leistungen, im fortgeschrittenen Stadium einen entwickelten
Handel. In ältesten Zeiten mag der Handel aus dem Darbringen von Geschenken und
der Entgegennahme von Gegengeschenken entstanden sein, wie es unter Naturvölkern
und Kindern heute noch ist. Der wahre Charakter dieses"Schenkens" zeigt sich aber
schon in dem ungeschriebenen Gesetz, gleichwertige Gaben zu tauschen. Daß
Glaukus seinem Gast Diomedes eine goldene Rüstung schenkte und eine eherne dafür
empfing, wird vom Dichter der Ilias mit dem Tadel vermerkt, daß Zeus ihn"ganz und gar
seiner Sinne beraubt" habe. Im übrigen aber schien sich dieser Handel im Altertum in
geradezu vorbildlicher Noblesse abzuwickeln. So schreibt Herodot von den Berich-ten
der Karthager:"... es wäre auch noch libysches Land und Menschen darin jenseits
der Säulen des Herakles (= Meerenge von Gibraltar). Wenn sie dahin kämen, lüden sie
ihre Waren aus, dann gingen sie wieder in ihre Schiffe und machten einen großen
Rauch. Wenn nun die Eingeborenen den Rauch sähen, so kämen sie an das Meer und
legten für die Waren Gold hin und dann gingen sie wieder weit weg von den Waren, die
Karthager aber gingen an das Land und sähen nach, und wenn des Goldes genug wäre
für die Waren, so nähmen sie es und führen nach Hause; wäre es aber nicht genug, so
gingen sie wieder an Bord und warteten es ruhig ab. Dann kämen sie wieder und legten
noch immer etwas Gold zu, bis die Karthager zufrieden wären.
Keiner aber betrüge den anderen, denn sie rührten weder das Gold eher, als bis die
Waren damit bezahlt wären, noch rührten jene eher die Waren an, als bis sie das Gold
genommen." (s. Rob. Eisler: Das Geld, S. 49.) Dies mag noch echter Tauschhandel
gewesen sein. Wohl ist vom Golde die Rede, aber noch nicht vom Geld im späteren
Sinn dieses Wortes. Mannigfache Erzeugnisse in natura gleichwertig zu tauschen, ist
eine unlösbare Aufgabe. Da die Aufgabe aber einem Bedürfnis entspricht und somit
doch vernünftig ist, muß es auch eine vernünftige Lösung geben. Diese Lösung fand
und entwickelte der Mensch in dem merkwürdigen Ding, das er"Geld" nennt. Seit den
ältesten Zeiten haben mancherlei Dinge als Geld gedient, von denen wir viele heute
nicht mehr als Geld betrachten können; Vieh, Muscheln, Häute, Sklaven und Metalle
allerArt wurden zeitweise nicht wegen ihrer unmittelbaren Verwendbarkeit, sondern
wegen der Möglichkeit des Weiter-Tauschens gegen die wirklich begehrten Dinge
angenommen. Damit wurden sie zu einem Zwischenglied im Handel, das den Tausch
vermittelt, zum Gelde. Daß in dieser Entwicklung die Edel-Metalle sehr bald den
Vorrang einnahmen, versteht sich von selbst. Schon bei den Assyrern und Ägyptern
war das gestückelte Hacksilber bekannt, das nichts weiter war als ein Stück von
dem Gußkuchen des geschmolzenen und in Wasser gegossenen Metalls. Von hier aus
führte ein gerader Weg zur gleichbleibenden Stückelung; Stangen, Ringe, Barren,
gestempelte Barren, geprägte Münzen folgten.
In der Geschichte des Münzwesens gelten die Lydier als die Erfinder der Münze. Ihre
Münzen bestanden aus einer Legierung von Gold und Silber. Der außerordentlich
ergiebige Goldbergbau der Lydier war ja auch die Grundlage für den sagenhaften
Reichtum jenes Königs Krösus, der im 6. Jahrhundert vor Christus lebte, damals
aber bereits ein hochentwickeltes Geldsystem in seinem Lande hatte. Wo immer das
Geld erstmalig auftrat, erwachten wie nach einer zauberhaften Berührung die
schlummernden Kräfte des Neuen, taten sich ungeahnte Quellen der Wohlfahrt und des
Reichtums auf, Handwerk und Künste entwickelten sich, und der Mensch erhob sich
über die Bedürfnisse des Alltags und machte sich an Werke, die Generationen überdauerten. Wo aber das Geld wieder verschwand, da zerfiel der Bau der Kultur, weil
das Fundament der Arbeitsteilung sich auflöste.
Um die Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. wurden auf der Insel Mykene die ersten Mün-zen
Griechenlands geprägt. Jetzt brauchte das Silber des Händlers nicht mehr geprüft
und gewogen zu werden, jetzt konnte man fertig geprägte Stücke zählen und damit
rechnen. Vor dieser Zeit war auch in Griechenland das Vieh das gebräuchlichste
Tauschmittel"Geld". In den Gedichten Homers ist die Münze noch unbekannt, weshalb
alle Werte immer am Rind gemessen werden - die goldene Rüstung des Glaukos ist
100 Rinder wert; und Laertes bezahlt Eurikleia mit 20 Rindern (s. F. Müller-Lyer:
Phasen der Kultur, München 1929, S. 250 ff). Töchter waren zu diesen Zeiten wertvoll,
weil sie Rinder einbrachten, wenn sie einen Mann fanden; Söhne dagegen machten
Kosten. Durch die Erfindung des Geldes wurde der Handel erleichtert und dieser
Erleichterung des Handels ist die Entfaltung der gewerblichen Produktion
Griechenlands zuzuschreiben; mit den Impulsen, die sich aus dem aufblühenden
Handel ergaben, wurden Handwerk, Künste und Wissenschaft machtvoll gefördert.
Jeder besser gestellte Handwerker in Athen oder Korinth beschäftigte unfreie Arbeiter,
Sklaven, in seiner Werkstätte; auch war es durchaus nichts Ungewöhnliches, daß ein
Vermögender einem Sklaven einen Gewerbebetrieb oder ein Handelsgeschäft übergab,
worin dieser selbständig für den Gewinn des Herrn arbeitete und Handel trieb. So
besaß der Vater des Demosthenes eine Messerschmiede und eine Stuhlfabrik mit
zusammen mehr als 50 Arbeitern und an diesem Unternehmen verdiente er so viel
Geld, daß er 40 Talent Silber oder fast 200 000 Goldmark hinterlassen konnte. Kleon
betrieb eine Gerberei, Hyperbolos eine Lampenfabrik. Es ist einleuchtend, daß eine
derartige Produktion sowohl einen aufnahmefähigen inneren Markt wie auch ein in die
Ferne reichendes Netz von Handelsverbindungen zur Vorbedingung hatte. Aber
die Völker des Altertums saßen ja nach einem Wort von Herodot"wie die Frösche um
den Teich" an den Küsten des Mittelmeeres, das diesen Handel von Natur aus
begünstigte. Und dieser Handel mit anderen Völkern entwickelte überall noch spezielle
Produktionszweige. Milet, Kios und Samos fertigten Wollstoffe, Teppiche und kostbare
Gewänder. Chalkis und Korinth exportierten Waffen, Tongeschirr und Geschmei-de.
In Theben und Sizilien saßen die besten Wagenbauer und Agina lieferte Klein- und
Galanteriewaren.
In bezug auf die rechnerische Einteilung im Münzwesen war den Griechen die
geheimnisvolle Zahl 12 - die selbst in der Ordnung des Kosmos ihre Bedeutung zu
haben scheint - richtungweisend, während die semitischen Handelsvölker mit dem
Dezimalsystem rechneten. Der griechische Silber-Stater zählte 12 Obolen; der
Obolos war die kleinste Münze. Eine Zwischengröße stellte die Drachme dar, die wohl
die gebräuchliche Münze für den alltäglichen Marktverkehr gewesen sein dürfte; diese
Münze hatte den Wert von 6 Obolen. Neben dem Silber-Stater gab es auch Gold-Stater.
Den Handelsgeschäften der Großkaufleute diente die Mine, die den Wert - d. h.
das Silbergewicht - von 60 Drachmen hatte, als gebräuchliche Münze; 60 Minen waren
ein Talent. (*) Dem Einfluß der Phönizier und Syrier zufolge soll die Mine später auf 100
Drachmen gesetzt worden sein; doch im übrigen blieb es bei der Einteilung im Zwölfer-System,
in dem die Zahl 60 - die sich in jede Zahl von 1 bis 6 ohne Rest teilen läßt -dominierende
Bedeutung behielt. Nach heutigen Begriffen muß die Kaufkraft des
damaligen Geldes der Griechen außerordentlich hoch gewesen sein. In Athen verwandelte Solon die drakonischen Strafen, die bis zu seiner Zeit (640 - 559 v. Chr.) in
Schafen und Rindern entrichtet werden mußten, in Geldstrafen, wobei er das Schaf mit
1 Drachme, das Rind mit 5 Drachmen ansetzte. Kein Wunder, daß sich das neue Geld,
in welchem sich Besitz und Reichtum in beweglichster Form konzentrierten, allgemeiner
Wertschätzung erfreute.
Es ist die Lichtseite des zunehmenden Reichtums, daß sich eine wachsende Zahl von
Menschen der Kunst und Wissenschaft zuwenden konnte, und so aus der Masse das
Volkes viele hervorragende Begabungen heraustraten. Aber die Geldwirtschaft hatte
auch eine Schattenseite; mit den Diensten, die das Geld dem Menschen leistete,
verstrickte es ihn auch mehr und mehr in Abhängigkeit. Je weiter wir uns in die
Spezialisierung der Gewerbetätigkeit hineinwagen, desto bedingungsloser sind wir auf
die Vermittlung des Leistungsaustausches durch das Geld angewiesen, und desto tiefer
ist denn auch unser Sturz, wenn das Geld einmal seine Dienste versagt.
Schon war es soweit, daß auch die Kriegsführung vom Gelde abhing. Im Krieg gegen
die Phönizier ließ Damarete, die Gemahlin Gelons, aus ihrem Silberschmuck Münzen
schlagen und die reichen Bürgerinnen von Syrakus folgten ihrem Beispiel. Und auch
nach dem erfochtenen Sieg führte sie den kostbaren Tribut im Werte von 100 Talenten,
den ihr Karthago für die milde Behandlung der Gefangenen darbrachte, der Münz-prägung
zu. Daraus entstanden die prachtvollen Deka-Drachmen; die im Spiegel des
Münzwesens einen klaren Wiederschein von der hohen Kultur Griechenlands ge-ben
(s."Die schönsten Griechenmünzen Siziliens", Insel-Bücherei Nr. 559).
Die Griechen müßten keine Menschen gewesen sein, wenn sie durch ihren Aufstieg
nicht übermütig und maßlos geworden wären. Da man für Geld alle Schätze der Welt,
die schönsten Gewänder und die erlesensten Genüsse kaufen konnte, wurde der naive
Mensch dieser frühen Kultur geradezu von einer Gier nach Geld erfaßt. Die
griechischen Bauern verkauften ihre Ernte, entblößten sich aller Vorräte, nur um
Geld zu bekommen; es begann die Verschuldung des Bodens."Die Pfandsteine
fesselten zahllos der Mutter Erde dunkelfarbig Land" hören wir Solon klagen. Für Geld-Darlehen
mußten 36 Prozent und mehr Zinsen gezahlt werden. Es begann ein sozialer
Verfall; wer einmal in Not geraten war, versank rasch in Schuldknechtschaft und
Sklaverei, während auf der anderen Seite der Reichtum sich steigerte. Bald drängte
sich in den Städten verarmtes Volk, das auf Kosten der Staatskasse mit Getreide-lieferungen
ernährt und mit Theater ergötzt werden mußte. Soziale Wirren und Auf-stände
wurden häufiger. Zweimal in einem einzigen Menschenalter wurden in Syrakus
die Reichen niedergemetzelt, der Besitz neu verteilt und die Schuldscheine verbrannt.
Doch solche Aktionen änderten nichts an dem in Gang gekommenen Prozeß der
finanziellen Auszehrung Griechenlands. Die Getreide-Einfuhr für die Armen und die
Luxusbedürfnisse der Reichen bewirkten zusammen einen anhaltenden Abfluß
des Geldes. Um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. war die attische Tetra-Drachme
die gängigste Silbermünze der damaligen Welt; ebenso wurden in dieser Zeit in Athen
noch Goldmünzen geprägt. Aber das Brotgetreide kam aus Ägypten und kostete Geld,
und auch die Kriegsheere kosteten Geld; und der soziale Verfall zerstörte den inneren
Markt, während der Außenhandel passiv wurde und unaufhörlich silberne Drachmen
und goldene Stater auf Nimmerwiedersehen verschlang.
Nach dem traurigen Ausgang des peloponnesischen Krieges ließ die neue
oligarchische Regierung Athens 1500 seiner reichsten Bürger hinrichten und deren
Vermögen konfiszieren, um Geld in die Staatskasse zu bekommen. Aber das
Ergebnis war enttäuschend; der Grundbesitz dieser Reichen ließ sich nicht veräußern,
weil niemand mehr da war, der Geld hatte. Und wer würde es auch gewagt haben, zu
zeigen, daß er noch Geld hat, wenn er damit rechnen muß, zu den Reichen gezählt zu
werden, die ihres Reichtums wegen des Todes würdig sind? - So wirkten zwei
Ursachen zusammen, das Geld vom Markt zu fegen: Einesteils der tatsächliche
Geldabfluß an die Händler aus den fernen Ländern, die das Brotgetreide für das Volk
wie auch die Spezereien und den Luxus für die Vermögenden lieferten; und
anderenteils die spekulative Erwartung und die ängstliche Sorge, daß das Geld noch
knapper und am allgemeinen Begehren gemessen noch kostbarer werden würde.
Immer schon wurde ein Ding just in dem Moment, in dem es am dringlichsten begehrt
wird, in auffälliger Weise knapp - weil eben Knappheit den Wert noch steigert. Für den
Markt und den Handel, der auf das Rollen des Geldes angewiesen war, bedeutete
das Versiegen der Geldzirkulation eine verheerende Drosselung der Geschäfte. Die
Auflösung der Arbeitsteilung war unabwendbar. Längst waren die Tempelschätze
angegriffen; der Schatz von Delphi wird auf mehr als 50 Millionen Goldmark geschätzt -in
damaliger Kaufkraft eine gewaltige Summe.- Aber der unaufhörliche Abfluß des
Geldes - den man damals noch nicht statistisch registrieren und erst recht nicht in
seinen Auswirkungen abschätzen konnte - brachte Handel und Wandel zum Erliegen.
Die Landwirtschaft war schon zerstört; und jetzt kam der Niedergang auch über Handel
und Gewerbe. Ist es verwunderlich, wenn ein Volk, das sich von der Höhe einer ent-wickelten
Arbeitsteilung und Marktwirtschaft wieder in die Niederungen urbäuerlicher
Hauswirtschaft zurückgestoßen sieht, nichts Großes mehr zu schaffen vermag?-Es
mag tragisch sein, aber es ist der Lauf der Welt, daß die Einsichten der Weisen so
oft ungehört oder unverstanden verhallen."Ehret Lykurg", ruft Pythagoras aus,"denn er
ächtete das Gold, die Ursache aller Verbrechen!" - Lykurg hatte als einziger
Gesetzgeber Griechenlands den Versuch gemacht, seinen Staat Sparta aus der
Abhängigkeit vom Golde herauszuhalten; das Geld Spartas war aus Eisen, das in Essig
gehärtet war. Doch über die Verflechtung in den allgemeinen Handel war Sparta
dennoch in die allgemeine Abhängigkeit verkettet. Der Verfall der Geldordnung
zerstörte die hohe Blüte der griechischen Kultur. Nach nur wenigen Generationen
standen armselige Ziegenhirten verständnislos vor den Tempeln ihrer großen
Vergangenheit und brachen Steine heraus, um ihre kümmerlichen Behausun-gen
damit auszubauen. Sie lebten wieder in Naturalwirtschaft.
(*) Drachme bedeutet griechisch"das Gefaßte' und betraf ursprünglich eine Gewichts-und
dann eine Rechnungseinheit. Gewichts- und Wertunterschiede wurden in Teilen
oder im Mehrfachen der Drachme dargestellt; die doppelte Drachme war das
"Didrachmon", die Vierfachdrachme hieß"Tetradrachmon, eine selten geprägte Münze
war die achtfache Drarchme, das 'Oktodrachmon', wohingegen die Dekadrachme als
das Zehnfache der Grundeinheit wieder häufiger vorkam.
ZUR GELDWIRTSCHAFT DER RÃ-MER
Von den Griechen hatten die Römer das Metallgeld kennengelernt. Ursprünglich war
das Rind ihr gangbarstes Tauschmittel. Als sie dann um 600 v. Chr. die ersten
Bronzemünzen prägten, mußten die Münzen noch das Bildnis des Rindes tragen, um
den Geld-Zweck des geprägten Metalles deutlich zu machen. Sogar der Name des
Vieh-Geldes ging auf das neue Tauschmittel über und blieb an ihm haften: Pecus =
pecunia. Rom war ein gelehriger Schüler in Geldwirtschaft, Arbeitsteilung und Handel;
Rom lernte von den Griechen, von den Phöniziern und von Karthago. Aber das
Gemisch der Völkerschaften, das sich an den gewinnbringenden Küstenstrichen der
italienischen Halbinsel seßhaft zu machen trachtete, war unruhig und unberechenbar.
So wurden die Römer ein Kriegsvolk. Sie unterwarfen die besiegten Stämme, die
etruskischen Stadtstaaten und schließlich auch die griechischen Küstenstädte
Süditaliens. Aber selbst zu der Zeit, da die römische Herrschaft über Unterita-lien
gesichert war und der Entscheidungskampf mit Karthago begann, war Rom noch
das in seiner Zivilisation erst in den Anfängen steckende Bauernvolk mit Kupferwährung
und naturalwirtschaftlicher Versorgung des Staates. Noch war nicht zu erkennen, daß
hier einmal eine weltbeherrschende neue Kultur entstehen würde.
Wenn die Entwicklung Roms in der Folgezeit einen fast treibhausartigen Fortschritt
nahm, so lag das wesentlich daran, daß der Krieg rascher als der friedliche Handel die
Zaubermacht des Geldes ins Land brachte. Schon nach der Eroberung von Tarent
konnte Rom im Jahre 269 v. Chr. aus erbeuteten Kriegsschätzen Silbermünzen prägen;
und 62 Jahre später folgten schon die ersten römischen Goldmünzen. In den
Jahren 202 bis 190 v. Chr. brachten die Friedensverträge mit Karthago, Syrien und
Makedonien allein 150 Millionen Goldmark KriegsTribute nach Rom. Da das Geld im
Altertum eine viel höhere Kaufkraft hatte, entspricht diese Summe etwa dem Realwert
von jenen 4 Milliarden Goldmark, die Frankreich nach dem siebziger Krieg an
Deutschland zu zahlen hatte!Dieser für das damalige Rom gewaltige Zustrom
von Edelmetall erlaubte eine rasche Entfaltung der Geldwirtschaft. Bei den Römern war
bis zur Prägung von Silbergeld der As - aus einer Gewichtseinheit hervorgegangen - die
hauptsächlichste Münze. Mit der Einführung des Silbergeldes fiel dann aber das
Übergewicht dem Denarius zu. Der römische Denarius war noch eine verhältnismä-ßig
gewichtige Silbermünze; aus einem Pfund Feinsilber wurden 84 Denare geprägt;
das römische Pfund ist mit 370 g anzusetzen. Der Denar hatte in seiner Unterteilung 4
Sestertii zu je 4 As. Die Unterteilung des As ergab 12 Unciae = Unzen. Wie bei den
Griechen sehen wir auch hier bei den Römern, daß die Zahl 12 mit ihrer Unterteilung in
Halbe und Viertel wie auch mit ihrem Mehrfachen = 84 Denare aus 370 g Silber
eine bedeutende Rolle spielte. (*) Die wichtigste Kleinmünze war aber doch der
Sestertius; mit dieser Münze wurde auf den Märkten und in den Haushaltungen der
Römer am meisten gerechnet, während die größeren Kaufleute mit dem Denar und mit
dem Talent rechneten. Später, als Rom bereits Goldmünzen prägen konnte, war der
Aureus im Werte von 25 Denarii oder 100 Sesterzien ein Vierzigstel Pfund Gold. Diese Goldmünze, die im Laufe der Zeit minderwertiger ausgeprägt worden war, wurde dann
von Konstantin im Jahre 313 n. Chr. durch den Solidus ersetzt.
Da die römischen Kaiser, deren Bildnisse auf den Münzen waren, zu Zeiten Christi und
auch später noch im Sinne des heidnisch-römischen Weltbildes als Götter galten, war
die römische Münze für die dem Römerreich unterworfenen jüdischen Provinzen nicht
zuletzt auch ein religiöses Ärgernis. Von den Essenern, die nach dem heutigen Stand
der Religionsforschung eine der klösterlich streng lebenden Qumran-Gemeinde
nahestehende Ordensgemeinschaft waren, berichtet Bischof Hippolyt von Portus, daß
sie kein Geld bei sich tragen durften. Da nun mancherlei Gründe die Annahme
rechtfertigen, daß Jesus von Nazareth vor seinem messianischen Wirken bereits durch
die Gemeinschaft der Essener hindurchgegangen ist, bzw. in ihr sich vorbereitet
hat und ihr angehörte, wird uns die biblische Szene vom Zinsgroschen in einem neuen
Licht lebendig und klar:
Die Pharisäer hatten beschlossen, dem unbequemen Nazarener einen Fallstrick zu
legen; dazu sandten sie ihre Kreaturen samt einigen Leuten des römischen Statthalters
Herodes zu ihm und ließen ihn fragen:"Meister, wir wissen, daß du ohne Falsch bist
und den Weg Gottes mit Wahrhaftigkeit lehrst und nach niemanden fragst, denn du
siehst nicht auf das Gesicht der Menschen. Sage uns nun, was dich dünkt: Ist es
erlaubt, dem Kaiser den Census zu zahlen oder nicht?" Doch Jesus merkte ihre Bosheit
und sprach:"Was versucht ihr mich, ihr Heuchler?- Zeigt mir die Steuermünze." Und sie
brachten ihm einen Denar. Und er sagte zu ihnen:"Wessen ist das Bild und die
Aufschrift?" Sie sagten:"Des Kaisers." Da sprach er zu ihnen:"So gebt dem Kaiser,
was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist." (Matth. 22. 15-22)
Die Lebenszeit Christi fiel in die RegierungsEpoche des Augustus und seines
Nachfolgers Tiberius. Der berichtete Vorgang gilt, wie ihn die Bibel schildert, in der
Religionsgeschichte als historisch verbürgt. Er zeigt uns, daß es ganz offensichtlich
eine Streitfrage zwischen den strenggläubigen Juden einerseits und den der
realen Macht gefügig gewordenen Opportunisten andererseits geworden war, ob sich
der Umgang mit dem römischen Geld noch mit dem Glauben der Väter und mit dem
Gesetz Gottes vertrage. Jesus von Nazareth aber hat - in Übereinstimmung mit der
Ordensregel der Essener - kein Geld mit dem Bildnis des römischen Götzen
bei sich getragen; er ließ es sich erst vorlegen, als ihm die verfängliche Frage gestellt
wurde (s. auch Rob. Eisler: Das Geld, S.152 ff).
Von Caligula, der wenige Jahre nach dem Kreuzestod Christi römischer Kaiser wurde
und im Jahre 41 auf Grund seiner Grausamkeiten und seines Cäsarenwahns dem Mord
verfiel, berichtet die Geschichte, daß er ein Standbild seiner Person von der römischen
Truppe zur Anbetung durch die unterworfenen Völker habe nach Palästina tragen
lassen. Die jüdische Bevölkerung übte indessen passive Resistenz; zu Tausenden
sperrten die Juden den Weg und verweigerten dem Kaiser die göttliche Ehrung.
Es ist naheliegend, daß auch die Münzen Caligulas den Juden ein Ärgernis gewesen
sein dürften. - Doch das hatte keinen Einfluß auf die große wirtschaftliche Bedeutung
des römischen Geldwesens.
Der römische Gold-Solidus und der Denarius als Silbermünze haben sich bis in die Zeit
der Völkerwanderung hinein gehalten, und der Dienst, den das geordnete Geldwesen
der Entfaltung von Wirtschaft und Kultur zu leisten vermochte, kann auch in der
Geschichte Roms nicht hoch genug veranschlagt werden. Kundige Hände für
mannigfache Gewerbe der arbeitsteiligen Wirtschaft fanden sich auf den
Sklavenmärkten, die ihren Auftrieb auch aus dem Niedergang Griechenlands bekamen.
Jetzt, wo Geld und arbeitsgeübte Hände vorhanden waren, ließ die organisatorische
Begabung der Römer Städte und Prachtbauten entstehen; Straßen und Brücken, wie
sie erst das 19. Jahrhundert wieder erreichte, Paläste, Theater und Bäder wurden
gebaut, Wasserleitungen, die jahrhundertelang bewundert wurden und noch als Ruinen
von ihrer einstigen Großartigkeit zeugen.
Da die Römer - im Gegensatz zu der früheren Kriegsführung der Griechen - die
unterworfenen Völker mit einer gewissen klugen Mäßigung behandelten, vermochten
sie es auch, das Eroberte zu halten. Rom war einstmals nur halb so groß wie Attika und
umfaßte etwa 1000 qkm Land; zu Beginn des christlichen Zeitalters aber herrschte Rom
über 54 Millionen und war mit 3,3 Millionen qkm Land 6 mal so groß wie das
Deutsche Reich vor dem ersten Weltkrieg! Der Hauptstadt dieses gewaltigen Reiches
standen alle Güter einer weltweiten Arbeitsteilung zu Diensten. Da gab es den
Bernstein des Nordens, indische Perlen und Edelsteine, arabischen Purpur und
Wohlgerüche, spanische Wolle, ägyptisches Linnen, griechische Weine, afrikani-sches
Ã-l, chinesische Seide, britannische Austern, Pelzwerk vom Don usw. Und wenn
es auch richtig ist, daß Rom nicht ohne Kriege groß geworden ist, so hat doch
andererseits die Kaiserzeit dem römischen Weltreich die längste Friedenszeit gebracht,
die die Welt je gesehen hat. In seinem Werk"Kulturen, Völker und Staaten
vom Urbeginn bis heute" weist Hugo Rachel auf diese beachtenswerte Tatsache hin
und schreibt:
"Von 31 v. Chr. bis 235 n. Chr. sind die um das Mittelmeer gelagerten Länder von
Kriegen und Unruhen kaum berührt worden; Kämpfe spielten sich nur an den Grenzen
ab, allein die Thronfolgekrise von 68/69 und die Aufstände in Gallien und Judäa, 69/71,
unterbrachen diese glücklichste Zeit der Menschheit. Im Gegensatz zur Verwilderung
der späteren republikanischen Zeit bestand trotz aller Mängel ein gerechtes,
humanes, auf das Wohl des gesamten Reiches bedachtes Regiment. Die materielle
Kultur blühte außerordentlich und wuchs an Umfang; ein reger und gesicherter Verkehr,
ein allgemeiner geistiger und kommerzieller Austausch umspannte die ganze römische
Welt; Münze, Maß und Gewicht, Zeitrechnung (durch Cäsar neu geordnet) und
Recht waren einheitlich geregelt." Es ist einleuchtend, daß sich in dieserZeit alles
entfalten konnte, was aus Arbeitsteilung, Leistungs-Austausch und Weltverkehr damals
schon möglich war. Aber nichts von all dem, was heute noch von der Größe Roms
zeugt, konnte ohne die wunderwirkende Kraft des Geldes entstehen.
Dennoch wäre es eine Täuschung, wenn wir glauben wollten, daß Rom seine
Geldwirtschaft bewußt und mit Klugheit zum Wahl des Staates betrieben und allezeit
richtig gehandelt hätte. Aber in Erinnerung an unsere eigenen Erfahrungen aus der
modernen Zeit wundern wir uns nicht darüber, daß schon Rom in der Notlage
seiner Kriege zu der damals möglichen Form von Inflationspolitik - nämlich zu
Münzverschlechterungen - seine Zuflucht nahm. Bereits während der punischen Kriege wurde das Gewicht des römischen Silberdenars herabgesetzt, um mehr Denare prägen
zu können. Die Söldnertruppen erforderten Geld für die Löhnung; und die Römer
schritten zu Notprägungen von Goldmünzen aus dem Tempelschatz des Jupiter. Den
Schatz ersetzten sie durch vergoldetes Blei, denn in diesem Punkt waren sie der
Ansicht - die ja wohl auch in späterer Zeit und unter anderen Religionen nicht ganz
untergegangen sein soll - bei religiösen Dingen genüge die Wahrung des Scheins.
Um 91 v. Chr. setzte der Volkstribun Livius Drusus einen Senatsbeschluß durch,
demzufolge jeweils eine von 8 Münzen minderwertig"gefüttert" sein sollte, innen
Kupfer, außen Silber. In jener Zeit war der Geldwert so unsicher, daß - wie Cicero
schrieb - niemand wissen konnte, was er besaß. Einige Jahre später wollte Marius Gra-tidian
wieder gesunde Verhältnisse schaffen und den Versuch der Zahlung mit
schlechter Münze unter Strafe stellen. Dafür wurde er erst verherrlicht - und dann auf
den Befehl von Sulla hingerichtet. Die Münzverschlechterung wurde weiter betrieben.
Freilich gab es dann auch wieder Zeiten, in denen die Eroberungen neue
Edelmetallbestände ins Land brachten und eine Besserung des Münzwesens
ermöglichten. So brachte die Eroberung der reichen syrischen Handelsstadt Palmyra,
zwischen Damaskus und dem mittleren Euphrat gelegen, den Römern gewaltige
Schätze ein. Heute noc zeugen riesige Ruinen, Baalstempel, Säulenstraßen, Theater
von der einstigen Größe dieser von den Eroberern zerstörten Stadt; Palmyra
war ja der Mittelpunkt eines Handelsstaates, der sich in seiner Blütezeit bis weit nach
Ägypten und Kleinasien hinein erstreckte.
Soweit die eroberten Provinzen, die ihre Edelmetallbestände an das übermütige Rom
abgeliefert hatten, in der Not des Landes selber zu Münzverschlechterungen ihre
Zuflucht nahmen, stellten sich auch im Altertum schon Zustände ein, die uns ziemlich
vertraut anmuten. Ägypten war zur Zeit des Soldatenkaisers Diokletian (284 bis
305) römische Provinz. Diokletian hatte sich eine großartige Neuordnung des
gewaltigen Reiches zum Ziel gesetzt. Vieles hat sein unbeugsamer Wille auch
tatsächlich erreicht. Nur das Geld wollte sich nicht fügen; - doch darüber dürften
wir nur lächeln, wenn unsere Zeit nicht genau so töricht gehandelt hätte wie dieser
römische Kaiser, der die durch Geldvermehrung und schlechte Kupfermünze
zustandegekommene Zerrüttung des Geldwesens mit Höchstpreis-Verordnungen
und Todesstrafe kurieren wollte. Während aber in Rom die Metze Gerste immerhin nur
100 Denare kostete und ein Pfund Fleisch 8-10 Denare, war die Entwertung des Geldes
in den Provinzen bald beträchtlich weiter fortgeschritten. Prof. Eisler stellte aus
ägyptischen Papyrusfunden eine aufschlußreiche Übersicht zusammen:
"Im Jahre 255 n. Chr. kostete in Ägypten eine Metze Weizen von 29,18 Liter 16
Drachmen, 314 n. Chr. kostete sie 10 000 Drachmen. Ein Haus, das im Jahre 267 n.
Chr. 2000 Drachmen kostete, konnte 40 Jahre später darauf eine Grundpfandschuld
von 3 840 000 Drachmen aufnehmen. 3 Kilo Fleisch kosteten damals 8000
Drachmen, ein Rehschlegel 50 000, 4 Hühner 30 000, 0,5 Liter Wein 12 000 bis 26 000
Drachmen. Entsprechend vollzog sich ein Steigen der Löhne und Gehälter. Im Jahre
304 n. Chr. erhielten Erdarbeiter und Ziegelverlader 400 bis 500 Drachmen täglich.
Schreiber erhielten bei freier Kost 3000 Drachmen monatlich, ein Reitknecht 3500, ein
Mauleselknecht 6000, ein Lehrer 6000 Drachmen." (s. R. Eisler: Das Geld, S.
173.) Wer den Grund seiner Wohlfahrt in den Tagen des Glückes nicht erkennt, der
lernt ihn erkennen, wenn er verloren ist. Wie einstmals in Athen Verschwendung, Luxus und Müßiggang den Verfall einleiteten, so auch in Rom. Auch hier entwickelte sich die
Jagd nach dem Reichtum in gleicher Art. Der Boden wurde veräußerlich und beleihbar;
die Gier nach dem Gelde und die Unerfahrenheit im Umgang mit diesem Ding führten
zur Verschuldung, maßlose Zinsen zu raschem Verfall des Bauernstandes, zu Schuld-knechtschaft,
Landflucht und Überfüllung der Stadt.
Da die handwerklich-gewerbliche Betätigung von Sklaven und von Freigewordenen
ausgeübt wurde, verschmähte der Römer die eigentliche Arbeit. Seine Zivilisation
beruhte zwar auf dem Prinzip der Arbeitsteilung, aber er selbst hat sich an dieses
Prinzip nicht gehalten. So drängte sich in der Stadt ein Gewimmel von unbeschäftigten,
mittellosen römischen Bürgern, denen genau so wie in Griechenland erst Brot - und
dann Brot und Spiele - geboten werden mußten. Dieses ständige Verzehren ohne
Leistung, das maßlose Pracht- und Luxus-Bedürfnis der vermögenden Schichten
bewirkte auch hier einen fortgesetzten Abfluß von Gold und Silber nach den fernen
Ländern, von denen die begehrten Erzeugnisse auf Schiffen und Handelsstraßen
herkamen. Mußte nicht der unerhörte Aufwand der römischen Zirkusspiele auch eine
ökonomische Kehrseite haben? Sulla ließ 100 Löwen in die Arena rasen; Pompejus
steigerte das Schauspiel auf 500 Löwen und zahllose andere Tiere aus allen
erreichbaren Zonen. Cäsar ließ 65 v. Chr. über 600 Gladiatoren in silberner Rüstung
zum Schaukampf antreten und im folgenden Jahr - zur Vorbereitung seines letzten
Schrittes zur absoluten Macht - das römische Volk an 22 000 Tischen prächtig bewirten
und mit Geld und Getreide beschenken. Die Logik der Geldrechnung ist unerbittlich,
ob man sie begriffen hat oder nicht. Rom war wohl imstande, die Edelmetallbestände
seiner Provinzen zu mobilisieren - in den Silberbergwerken Spaniens waren zeitweise
bis 40 000 Menschen beschäftigt und in ähnlichem Umfang wurde in Siebenbürgen
Gold geschürft. - Aber der Abfluß war dennoch größer. Als schließlich mit dem
Schwinden des Geldes auch noch die Erschöpfung der spanischen Silberminen eintrat,
war der Niedergang Roms so gut wie besiegelt. Jetzt halfen auch drakonische Maß-nahmen
gegen die Ausfuhr von Edelmetallen nichts mehr; und selbst die
Münzverschlechterung - bis zu 95 v. H. Beimischung von Kupfer!- konnte den
erforderlichen Geldumlauf nicht einmal mengenmäßig halten. Der Glanz des Rö-merreiches
war auf der Basis einer weit ausgedehnten Geldwirtschaft und
Arbeitsteilung erstanden und nun mit dem Verfall dieser Fundamente wieder erloschen.
(*) Was die Kaufkraft des römischen Geldes anbelangt, so erhielt man um die Zeit
Christi Geburt in einer Herberge für 1 Denar Verpflegung und Nachtlager für 16 Tage;
und um 20 n. Chr. kostete der Eintritt in eines der prächtigen römischen Bäder für
Frauen 1 As, für Männer sogar nur 3 Unciae (= 3 Unzen, 0.25 As); s. Menzner-Florken,
"Kaufkraft und Zeitgeschehen", Verlag Arbogast, Otterbach 1958.
DIE BARBAREN UND DAS GELD
An Rhein und Donau waren die Legionen des römischen Weltreichs stehen geblieben.
Nordwärts und ostwärts dehnte sich in unermeßlicher Weite waldreiches Land, bewohnt
von halb nomadenhaften Völkerschaften. Anfänge von stadtähnlichen festen
Siedlungen gab es fast nur an der Grenze zum Römerreich. Aus dem Osten über die
Wolga hereinbrechend war der Mongolenstamm der Hunnen über Europa gefegt, raubend und sengend und die überfallenen Völker mitreißend oder vor sich
hertreibend. Die Schutzwälle, die das römische Reich an seinen Grenzen errichtet
hatte, konnten die Flut nicht aufhalten. Das Weltreich der Römer ging unter, andere
Völker und Reiche füllten den Raum, jahrhundertelang sich in Kämpfen und Kriegen
verändernd. Den Zusammenhang zwischen Geldwirtschaft und Geschichtsverlauf hat
die eigentliche Geschichtsforschung nie sonderlich berücksichtigt. Aber die
Wirtschaftsgeschichte kennt die sogenannten"langen Konjunkturwellen" als die Zeit-abschnitte
steigender Geldvermehrung."Mir ist keine Periode wirtschaftlicher Blüte
bekannt, die nicht auf einen außerordentlichen Zufluß von Gold zurückzuführen wäre",
sagt Sombart. Die Kehrseite davon ist die wirtschaftliche Stagnation, der Zerfall der
sozialen Organismen und der Kulturen, sobald das Geld sich vermindert, abfließt oder
in anderer Art versickert. Eine solche Periode war mit der anhaltenden Passivität der
Handelsbilanz des römischen Weltreiches über die Kultur des Altertums gekommen
und hatte der Zeit der Völkerwanderung ihren Stempel aufgedrückt. Jahrhundertelang
waren die Raubkriege und Beutezüge der mit den Wanderungen der Goten und der
Hunnen in Bewegung gekommenen Völker an der Tagesordnung.
Rom hat die Arbeitsteilung nicht weiterentwickelt und ausgedehnt, sondern mit der
Verschwendung des Geldes zugleich sein wirtschaftliches Blut verloren und seine Kraft
vergeudet. Ackerbau, Gewerbe, Handwerk und Handel verkümmerten. Wer noch Geld
hatte, hütete es als einen Schatz. Selbst die Barbaren wußten schon das alte römische
Geld von den rot gewordenen Silbermünzen des späten Rom zu unterscheiden und
verschatzten das bessere Geld. Die alten Germanen bohrten ein Loch durch den
beliebten römischen Goldsolidus und trugen die Münzen an einer Schnur um den Hals.
Was der Sinn des Geldes sein sollte, war fast vergessen. Aber die Gier nach den
gleißenden Schätzen von Gold und Silber lag wie ein uralter Fluch über allem.
Die ganze Geschichte der Völkerwanderung ist ein endloser Bericht über den Kampf
um gewaltige Schätze, die dereinst einmal Geld waren und eine volkswirtschaftliche
Funktion gehabt hatten, jetzt aber von der Raubgier und Prachtliebe der Großen
verschluckt wurden. Gustav Freytag schildert in seinen"Bildern aus der deut-schen
Vergangenheit" die Fürstenschätze aus Armringen, Spangen, Diademen,
Bechern, Becken, Schalen und Trinkhörnern samt ganzen Tischplatten und
Pferdeschmuck. Die Tafelaufsätze, silberne Becken für Speisen und Früchte waren
zuweilen von so protzigem Ausmaß, daß man sie mit Hilfsgeräten auf die Tische heben
mußte; eines Mannes Kraft reichte nicht mehr aus.
Der fränkische König Chilperich (561-584) ließ einen Tafelaufsatz aus Gold und
Edelsteinen machen, 50 Pfund schwer; und der König Gunthram erzählte beim
festlichen Mahl:"Fünfzehn Schüsseln, so groß, wie die größten dort, habe ich schon
zerschlagen und habe nur diese behalten und eine andere, 470 Pfund schwer." Zu
solchen Prunkstücken wurde das gemünzte Gold und Silber, das aus der Beute und
aus den Tributleistungen der jeweils Besiegten stammte, verarbeitet. Als die Franken
unter Clodevech die Römer besiegt und aus Gallien vertrieben hatten, waren ihnen
riesige Bestände römischen Goldes in die Hände gefallen. Aber bevor etwas
Sinnvolles damit geschehen konnte, waren neue Widersacher an die Stelle der
Erschlagenen getreten. Ein düsteres Bild von Tücke und Raubgier zeichnet Gustav
Freytag nach mit der dramatischen Schilderung:"Als der Königssohn Chloderich seinen Vater auf Anstiften des Chlodevech getötet hatte, zeigte er dem Boten des
argen Vetters die große Truhe, in welche der Ermordete seine Goldstücke zu legen
pflegte, da sagte der Gesandte zu ihm:,Miß die Tiefe mit dem Arm aus, damit wir die
Größe wissen!`- und als der Frevler sich niederbeugte, zerschmetterte ihm der Franke
den Kopf mit seiner Axt." (s. G. Freytag:"Bilder aus deutscher Vergangenheit, S. 155.) -Verläßliche
geschichtliche Nachweise über diesen Vorgang hat die Geschichts-forschung
nicht gefunden und so mag es sein, daß die Fama hier - ebenso wie in der
Nibelungensage - Dichtung und Wahrheit vermischte.
Wieviel Wahrheit aber mag ganz im Dunkel der Vorzeit versunken sein? - Dem Golde
gegenüber ist der Mensch unersättlich, und so hortete also die Raubgier und
Besitzleidenschaft der kämpfenden Fürsten und Könige die noch aus dem Altertum
vorhandenen Edelmetallbestände mehr und mehr in nutzlosen Schätzen. Als die
fränkische Königstochter Rigunthe 584 zu den Westgoten nach Spanien gesandt
wurde, füllte ihr Schatz 50 Frachtwagen. Jedem Fürstenkind wurde schon bei seiner
Geburt ein Schatz angelegt. Zahllos sind auch die Berichte von vergrabenen und
versenkten Schätzen. Wir denken an Alerichs, des Gotenkönigs Grab im Busento, an
die geheimnisumwitterte Bestattung Attilas, des Hunnenkönigs in goldenem, silbernem
und eisernem Sarg, an den Nibelungenhort und den ewigen Zwist um alle Schätze. Bis
auf den heutigen Tag ist das Raunen um vergrabene Schätze zu hören. Noch 1895
wurde in Köln eine römische Kriegskasse mit 15 Zentnern römischer Münzen gefunden,
ein Schatz, der wohl vor dem herannahenden Feind vergraben und nach verlorenem
Kampf nicht wieder gehoben werden konnte.
In diesen Jahrhunderten der Völkerwanderung gibt es denn auch nur wenige, jeweils
bald erstorbene Ansätze zur Neuerweckung einer Geldwirtschaft. Kelten und Germanen
haben in ihren ersten Versuchen nur Nachprägungen der römischen und griechischen
Münzen vorgenommen. Das Münzbild solcher Prägungen ist entsprechend roh, und die
Unerfahrenheit des Stempelschneiders zeigt sich mitunter sogar in seitenverkehrter
Wiedergabe des Münzbildes, das als Vorlage diente. Von einer Entfaltung der Geld-wirtschaft
kann erst wieder gegen Ende des ersten Jahrtausends gesprochen werden;
der Reichtum des Altertums, der einstmals bereits in Münzen geprägt einen volks-wirtschaftlichen
Dienst getan und eine Entfaltung von Arbeitsteilung und Kulturblüte
ermöglicht hatte, war einfach jahrhundertelang umgeformt und seiner Aufgabe entzogen
worden: Objekt der Hortbildung, der Machtgewinnung, des Prunkes, des ständigen
Kampfes und Raubes. Und die Kehrseite davon skizziert Hugo Rachel in seinen
Betrachtungen zum Untergang der Antike, indem er schreibt:
"Durch das unaufhaltsame Schwinden des baren Geldes trocknete das Wirtschafts-leben
gleichsam aus und glitt in ein längst überwundenes Stadium, zur Naturalwirtschaft
zurück." (s. Hugo Rachel: Kulturen, Völker und Staaten, S. 99.) Kriegsstürme,
Raubzüge und Verwüstungen sind ein unfreundliches Wetter für das Erblühen
einer neuen Kultur; die Lehre des Christentums, die Wesentliches zur Gestaltung einer
neuen Welt bringen konnte, fiel noch auf steinigen Acker, während sie im Römerreich
bereits seit dem Jahre 313 anerkannte Staatsreligion war. Bei manchem aus den
germanischen Stämmen zum Christentum Übergetretenen verband sich die neue Lehre
noch in absonderlicher Weise mit den überlieferten Begriffen der Väter, und noch
nach Jahrhunderten war manche Handlung mehr vom Blut und Urväterglauben als vom Geiste echten Christentums diktiert. So muß man, wenn man von einem"christ-lichen
Abendlande" spricht, wohl doch ein wenig bedenken, daß dieser Begriff kaum vor
dem 8. Jahrhundert seine Gültigkeit haben dürfte.
Als Bonifatius bei Geismar die Donar-Eiche fällte, schrieb man bereits das Jahr 724;
und als der Stamm der Sachsen als letzter großer Germanenstamm nach erbittertem
Widerstand sich dem Christentum beugte - Widukind ließ sich im Jahre 785 taufen -neigte
sich dieses Jahrhundert bereits seinem Ende zu. - Erstmalig seit dem Untergang
des weströmischen Reiches war in diesem 8. Jahrhundert in dem Frankenkönig Karl,
der damit der Große werden sollte, ein Mann erstanden, der die Erben der
untergegangenen römischen Weltmacht, die schon ziemlich festgefügten germanischen
Reiche auf dem geschichtlichen Boden der einstigen römischen Herrschaft und weit
darüber hinaus zu einem neuen Ganzen zu einen vermochte. Erstmalig traten jetzt auch
aus dem Schoße der barbarischen Eroberer andere Gesichtspunkte als Krieg und Raub
politikbestimmend hervor. Dem Weitschauenden erschloß sich der Blick in eine
neue Weltgestaltung, nicht minder großartig als die des versunkenen Römerreiches.
Überlieferte Reste griechisch-römischer Kultur, Kunst, Gesetzgebung, Geistesbildung
usw. auf dem Boden des für eine Gemeinschaftsbildung unter den Menschen unerhört
fruchtbaren Christentums neu begründet, fingen an, unter Karl dem Großen zu
gewaltigen Wandlungen zu führen.
Daß die Einführung des Christentums von Karl d. Gr. nicht immer mit christlicher Duld-samkeit
und Großmut betrieben wurde, ist bekannt; aber man wird bei der Würdigung
seiner Taten bedenken müssen, daß die Einigung der germanischen Stämme unter der
Glaubenslehre des Christentums von ihm als politische Notwendigkeit angesehen
wurde. So betrachtet war es weniger der Christ Karl als vielmehr der germanische
König und Schöpfer des nachmaligen"heiligen römischen Reiches deutscher Nation",
dem es unerträglich gewesen sein mochte, innerhalb dieses Reiches eine klaffende
Lücke oder gar einen Herd der Feindschaft zu wissen, der gleichwohl von Menschen
desselben Blutes bewohnt wird. Doch wie man auch immer darüber denken mag - mit
späten Wertungen ändern wir nichts an vollzogenen Werken, die Nachwelt hat auf
den Tatsachen weiterzubauen - unmerklich vollzog sich eine Verlagerung der wieder
erwachenden Lebensströme des völkerbewegenden Verkehrs vom Mittelmeerraum
zum Rhein. Denn unmerklich begann die innere Ordnung des werdenden Reiches, die
gute Verwaltung, die sorgsame Rechtspflege, die Förderung des Unterrichts, dem sich
der Kaiser im hohen Mannesalter selbst noch unterzog, ihre Früchte zu tragen.
Auch die wirtschaftliche Förderung, hauptsächlich bestimmt von der Ordnung des
Bodenrechts, der Lehensordnung, des Marktrechts und Münz- wesens wirkte sich aus.
Die germanischen Stämme, insbesondere in jenen Gebieten, die noch außerhalb der
einstigen Römerherrschaft, also nordöstlich von Rhein und Donau, lagen, haben freilich
bis in das letzte Jahrhundert vor der Jahrtausendwende überwiegend in altväterlicher
Naturalwirtschaft gelebt. Soweit sie durch Tausch und Handel fremdländisches Gerät,
Schmuck, Münzen und dergleichen erwarben und Zinn, Bernstein, Honig, Wachs oder
Felle dafür gaben, diente das Erworbene nur dem persönlichen Bedarf, allenfalls
auch einer stetigen Schatzbildung. Die durch Berührung mit den Römern und durch die
Züge der Völkerwanderung in die Hände der Germanen gelangten griechisch-römischen
Münzen wurden also, wie bei allen Naturvölkern, lediglich als Schmuck und
Schatzmittel betrachtet. So versickerte auch hier ein großer Teil der Münzbestände des römischen Reiches in den unergründlichen Wäldern Germaniens, ohne daß
sie hier schon jene Wirtschaftsbelebung herbeiführen konnten, die in entwickelteren
Kulturen bei solcher Art"aktiver Handelsbilanz" zustande zu kommen pflegt.
Um diese Zeit wäre es hier für eine ausgedehnte Geldwirtschaft auch einfach noch zu
früh gewesen. Erst kam es darauf an, von der Naturalwirtschaft zur Arbeitsteilung zu
gelangen; und auf dieser Linie der Notwendigkeit hatte das römische Kolonisations-talent
- obwohl die Barbaren die Herren und die Römer die Unterlegenen waren - ein
dankbares Betätigungsfeld gefunden. Was jetzt aus Rom kam, kam freilich nicht mehr
in klirrenden Waffen, die früher die römische Kultur begleitet hatten, sondern es kam im
Habitus der neuen Religion des Christentums. Sicher ist die fortschreitende
Verschmelzung der fränkischen Herrschaft mit der römischen Kirche, die mit der
Kaiserkrönung Karls d. Gr. ihren Höhepunkt erreichen sollte, einer der
bedeutungsvollsten Vorgänge der europäischen Geschichte gewesen. Und wenn
es in diesem Zusammenhang auch nicht primär wichtig sein mag, so war es doch
andererseits auch nicht von Nachteil, daß das ganze Erbe der geldwirtschaftlichen
Erfahrung der Römer sich im Zuge dieser Entwicklung auf die Völker des
fränkischen Herrschaftsbereichs fortpflanzte. Was die römische Kirche diesen Völkern
zugleich mit dem neuen Weltbild des Christentums an gewerblichen Fertigkeiten und
ökonomischen Künsten des Rechnungswesens mit Maß-, Gewichts- und Geldeinheiten
brachte, machte sich aber für die Kirche auch bezahlt durch die junge Kraft, deren die
Kirche als Schutz bedurfte. Der Zerfall der alten römischen Weltmacht in ein
weströmisches und oströmisches Reich - im Jahre 395 waren Rom und Byzanz
endgültig geschieden - hatte auch für das Christentum, wenn nicht ursächlich, so
doch als weitere Vertiefung der Kluft den großen Glaubenskonflikt zwischen arianischer
und römisch-katholischer Christusvorstellung gebracht. Da die Vandalen, Goten,
Langobarden und andere germanische Stämme sich zuerst der arianischen Lehre,
wonach Christus nicht als Gottes Sohn gilt, zuneigten, bedeutete der Sieg
des Frankenkönigs Chlodewech und sein Übertritt zum katholischen Christentum (496)
zugleich den Sieg der römischkatholischen Kirche über die arianisch-byzantinische. Der
Fama zufolge soll Chlodewech vor der Schlacht gelobt haben, zum römischen Glauben
überzutreten, wenn Christus ihm den Sieg schenckt. Daß man so etwas mit dem
fremden Gott aushandeln könne, war dem Vorstellungsvermögen des fränkischen
Kämpen durchaus natürlich. - Nun, waren also die Würfel gefallen und so ging die
Entwicklung auf Jahrhunderte hinaus ihren neuen Weg.
Währenddessen erfuhr auch das byzantinische Reich ein wechselvolles Schicksal, bis
es 1453 endgültig den Mohammedanern (Mohammed II.) erlag. In seiner hohen
Blütezeit trugen die byzantinischen Münzen vornehmlich Christus- und Marienbildnisse.
Justinian II (658 - 711) hatte als erster ein Christusbild auf seinen Solidus gesetzt, wie
Robert Eisler meint, sicher weniger aus Frömmigkeit als vielmehr, um den
Mohammedanern das Nachprägen seiner Münzen religiös zu verleiden (s. Rob. Eisler:
"Das Geld" S. 160). Die Handelsbeziehungen mit Byzanz waren während der Zeit der
Völkerwanderung noch schwach; erst die Jahrhunderte der Kreuzzzüge brachten den
fränkisch-alemanischen Völkern den näheren Kontakt mit dem Orient - und damit auch
byzantinische Einflüsse auf ihr Münzwesen. Letztere traten in der Brakteatenprägung
der Stauferzeit, worauf wir noch kommen werden, besonders deutlich hervor.
|