-->.....Ein Zwangspfand wäre nicht nur von zweifelhafter ökologischer
Effektivität, sondern auch ökonomisch ineffizient....
Auszug aus: Umweltgutachten 2002
des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen
Drucksache 14/8792
Deutscher Bundestag Drucksache 14/8792
14. Wahlperiode 15. 04. 2002
4.2.5.2 Zwangspfand zur Stützung der
Mehrwegquote
960. Die Verpackungsverordnung sieht in ihrer derzeit
gültigen Fassung vom 27. August 1998 eine Mindestquote
für Mehrweggetränkeverpackungen in Höhe von 72 %
vor. Wird diese Mindestquote in zwei aufeinander folgenden
Jahren unterschritten und bestätigt sich diese Entwicklung
im Rahmen einer Nacherhebung, so werden in
denjenigen Getränkebereichen, in denen der Mehrweganteil
die 1991 erreichte Quote unterschreitet, alle Einwegverpackungen
mit einem Pflichtpfand von mindestens
50 Pfennig belegt. Dieser Automatismus greift sechs Monate,
nachdem die Daten der betreffenden Nacherhebungen
durch die Bundesregierung im Bundesanzeiger veröffentlicht
wurden.
961. Wie Tabelle 4.2-15 zeigt, wurde die Mindestquote
von 72 % mit den Ergebnissen für 1997 und 1998 erstmals
in zwei aufeinander folgenden Jahren unterschritten, wobei
sich dieser Trend im Jahr 1999 fortsetzte. Dabei liegen
in den Getränkebereichen Wein, Bier und Mineralwasser
die jeweiligen Mehrweganteile unter den Anteilen des Bezugsjahres
1991. Bei fristgerechter Veröffentlichung der
Nacherhebungen im April, 2001 hätte nach dem Automatismus
der Verpackungsverordnung die Pfandpflicht für
diese Getränkebereiche zum Oktober 2001 gegriffen
(PASCHLAU, 2001, S. 193). Problematisch wäre hierbei
jedoch, dass eine Pfandpflicht auf Einweggetränkeverpackungen
für Wein, Bier und Mineralwasser, nicht jedoch
auf sonstige Einweggetränkeverpackungen, eine inkonsistente
Lösung darstellen würde. Darüber hinaus lässt sich
nach den zwischenzeitlich verfügbaren Ã-kobilanzen eine
ökologische Überlegenheit von Mehrwegsystemen nicht
in allen Fällen belegen. Dem hieraus resultierenden Reformbedarf
bei der Regulierung von Getränkeverpackungen
wollte das Bundesumweltministerium ursprünglich in
der Weise nachkommen, dass die bisher vorgesehene
Pfandpflicht durch eine Abgabe auf Einweggetränkeverpackungen
ersetzt wird. Der Umweltrat bedauert, dass
sich das Bundesumweltministerium bei einem Spitzentreffen
im Juni 2000 mit diesen Plänen nicht gegen den
Widerstand der betroffenen Wirtschaftskreise durchsetzen
konnte (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
14. Juni 2000 Seite 18:"Treffen zu Zwangspfand vorläufig
gescheitert"). Stattdessen legte das Bundesumweltministerium
dann im Februar 2001 einen Entwurf zur Novellierung
der Verpackungsverordnung vor, der folgende
Eckpunkte enthält (vgl. PASCHLAU, 2001, S. 196 ff.):
- Von einer Pfandpflicht generell ausgenommen werden
so genannte ökologisch vorteilhafte Getränkeverpackungen.
Dabei handelt es sich um Mehrweggetränkeverpackungen,
Getränkekartonverpackungen und Getränke-
Polyethylen-Schlauchbeutel-Verpackungen.
- Auf andere als die oben genannten"ökologisch vorteilhaften"
Getränkeverpackungen ist ein Pfand von
0,25 Euro je Verpackungseinheit zu erheben; ab einem
Füllvolumen von mehr als 1,5 Liter beträgt das Pfand
0,5 Euro je Verpackungseinheit. Diese Pfandpflicht
gilt unabhängig von der Erfüllung bestimmter Quoten
und für alle Getränkearten mit Ausnahme von Wein,
Schaumwein und Spirituosen.
Dieser Entwurf wurde jedoch am 13. Juli 2001 im Bundesrat
abgelehnt. Stattdessen schloss sich der Bundesrat
mehrheitlich einem Entschließungsantrag der Länder
Rheinland-Pfalz, Bayern und Hessen an, nach dem sich
die Wirtschaft vertraglich auf bestimmte Mindestabfüllmengen
in ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen
verpflichten soll. Erst für den Fall, dass diese Mindestabfüllmengen
in zwei aufeinander folgenden Jahren nicht
erreicht werden, sieht der Entschließungsantrag die Einführung
einer Pfandpflicht vor.
Da die Bundesregierung diesem Entschließungsantrag
nicht gefolgt ist, gilt zurzeit die alte Rechtslage nach der
bestehenden Verpackungsverordnung fort, sodass sechs
Monate nach Veröffentlichung der Nacherhebungen automatisch
die ursprünglich vorgesehene Pfandpflicht auf
Einweggetränkeverpackungen für Wein, Bier und Mineralwasser
greifen würde. Jedoch hat das Oberverwaltungsgericht
Berlin im September 2001 der Bundesregierung
bis zur abschließenden Entscheidung in einem
anhängigen Rechtsschutzverfahren untersagt, die Daten
der Nacherhebungen zu veröffentlichen, sodass der Automatismus
zur Einführung eines Zwangspfandes nach der
bestehenden Verpackungsverordnung vorläufig ausgesetzt
ist (vgl., Frankfurter Allgemeine 11. September
2001:"Zwangspfand kommt wie geplant").
962. Der Umweltrat hat bereits im Umweltgutachten
2000 ausführlich dargelegt, dass ein Zwangspfand auf bestimmte
Verpackungstypen mit zahlreichen Problemen
hinsichtlich ökologischer Effektivität und ökonomischer
Effizienz verbunden ist (vgl. SRU 2000, Tz. 870 ff.). Obgleich
die im Entwurf des Bundesumweltministerium zur
Novelle der Verpackungsverordnung eingeführte Differenzierung
zwischen ökologisch vorteilhaften und ökologisch
nicht vorteilhaften Verpackungen einen Fortschritt
gegenüber der bisherigen Pauschalbetrachtung Einweg/
Mehrweg darstellt, gelten die grundsätzlichen Bedenken
gegen ein Zwangspfand auch in diesem Fall. So
ist insbesondere zu befürchten, dass durch eine Zwangsbepfandung
der gegenwärtige Mehrweganteil noch weiter
zurückgehen würde (z. B. BAUM et al., 2000, S. 75 ff.).
Da nämlich die Kosten, die dem Handel durch die Einführung
der erforderlichen Rücknahmeautomaten entstehen,
durch nicht eingelöste Pfandgelder gedeckt werden
müssen, entsteht unter Amortisationsgesichtspunkten ein
Anreiz zur Ausdehnung des Einwegabsatzes. Hinzu
kommt, dass viele Einzelhandelsgeschäfte aus Platzgründen
nicht in der Lage sein werden, zwei separate Rücknahmesysteme
für Ein- und Mehrweg vorzuhalten. Da
sich einwegverpackte Getränke auch bei Zwangsbepfandung
und Rücknahme der Verpackungen aufgrund
ihres geringeren Flächenbedarfs häufig durch bessere
Rentabilitätskennziffern als mehrwegverpackte Getränke
auszeichnen, entsteht ein zusätzlicher Anreiz zur Auslistung
von Mehrweg. Hinzu kommt, dass bei Zwangsbepfandung
der Unterschied zwischen Ein- und Mehrweg in
den Augen der Verbraucher zunehmend verwischt wird,
sodass unerwünschte Substitutionseffekte hin zu"ökologisch
unvorteilhaften" Verpackungen nicht ausgeschlossen
werden können. Lediglich im Hinblick auf eine
Reduzierung der"wilden Entsorgung" von Verpackungsabfällen
sind positive ökologische Effekte eines Zwangspfandes
zu erwarten.
Ein Zwangspfand wäre nicht nur von zweifelhafter ökologischer
Effektivität, sondern auch ökonomisch ineffizient
(vgl. BAUM et al., 2000, S. 120 f.). Denn bei Zwangsbepfandung
würden die betreffenden Verpackungen aus
dem Dualen System herausgenommen und direkt beim
Einzelhandel erfasst. Durch einen solchen Systemwechsel
würde ein Teil der Kapazitäten der Duales System
Deutschland (DSD) AG schlagartig entwertet. Gleichzeitig
müssten entsprechend kostspielige Rücknahmevorkehrungen
auf der Ebene des Handels getroffen werden.
Darüber hinaus würde der parallele Betrieb zweier Rücknahmesysteme
(Erfassung von Getränkeverpackungen
durch den Einzelhandel - Erfassung sonstiger Verpackungen
durch die DSD AG) nicht nur der Ausnutzung von
Größen- und Verbundvorteilen entgegen stehen, sondern
es wäre auch generell davon auszugehen, dass die Rücknahme
gebrauchter Getränkeverpackungen durch den
Handel nur unter wesentlich höheren Kosten als durch die
DSD AG zu bewerkstelligen wäre. Aufgrund dieser Vorbehalte
erneuert der Umweltrat seine Forderung, auf die
Vorgabe von Quoten für Mehrwegverpackungen bzw.
"ökologisch vorteilhafte" Verpackungen ebenso zu verzichten
wie auf den Versuch, solche Quoten mittels eines
Zwangspfandes umzusetzen. Die langfristig überlegene
und auch durch das Bundesumweltministerium präferierte,
aber letztlich nicht durchgesetzte Lösung (Tz. 961)
besteht darin, die mit den jeweiligen Verpackungssystemen
verbundenen externen Kosten durch eine entsprechend
differenzierte Verpackungsabgabe unmittelbar den
Verursachern anzulasten (vgl. SRU, 2000, Tz. 881). Bedauerlich
ist auch, dass die Europäische Kommission es
bei der Teilnovellierung der Verpackungsrichtlinie versäumt
hat, eine Verpackungsabgabe vorzuschlagen.
<ul> ~ http://dip.bundestag.de/btd/14/087/1408792.pdf</ul>
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