-->30.11.2002
Navigationshilfen und Orientierungsmarken
- Bear Rally geht zu Ende
- Letzte Gelegenheit zum Glattstellen
- Typischer, aber falscher Optimismus
- Anhaltspunkte für"schlechtes Wetter"
Vor uns stehen, wenn auch nicht mit Sicherheit, so doch, wie ich glaube, mit hoher Wahrscheinlichkeit, einschneidende Ereignisse. Wer sich darauf einstellt, kann Schaden vermeiden und Chancen wahrnehmen. Ich gebe hier die Orientierungsmarken an, die ich für wahrscheinlich halte:
1. Aktien: fallend; Dow Jones-Index in wenigen Monaten bei oder unter 5000 Punkten; insgesamt wird der Trend für die nächsten rund 30 (dreissig) Monate abwärts sein, unterbrochen von etwa 2 kurzen Rallies von wenigen Monaten Dauer (3 - 5 Monate); an allen Aktienmärkten, in unterschiedlichem Ausmass
2. Zinsen: steigend; am langen Ende in Richtung auf 7 - 10 Prozent ; entgegen allgemeiner Auffassung machen Notenbanken die Zinsen nicht, sondern sie folgen ihnen; die US-FED kann nur den allerkurzfristigsten Zins durch ihre Entscheidungen beeinflussen; auf dessen Diffusion in die Finanzmärkte hat sie keinen Einfluss. Die Meinung, dass bei sinkenden Aktienkursen die Zinsen fallen müssten, weil die Leute in die Bonds fliehen, ist manchmal, aber nicht immer und nicht systematisch richtig. Es gibt keinen zwingenden Automatismus. Sinkende Aktien und sinkende Bondpreise sind möglich. Eine Flucht in die Festverzinslichen ist vorübergehend möglich.
3. Dollar: fallend, rasch und hart; Euro und Schweizer Franken steigend; es ist nicht ausgeschlossen, dass für den Euro im Zuge des Dollarrückganges 1,50$ oder auch mehr zu zahlen sein wird.
4. Gold: vermutlich, aber nicht sicher, nochmals kurzfristig fallend, danach stark und nachhaltig steigend.
5. Wirtschaft allgemein: Deflationäre Rezession; lange und hart; Konjunkturankurbelung durch die Politik weitgehend wirkungslos; Mindestszenario entsprechend Japan in den letzten 10 Jahren.
Am Anfang meiner Vorträge und Seminare zur Wirtschaftslage lade ich die Teilnehmer ein, zwei Wörter aus ihrem Sprachschatz zu streichen, nämlich Optimismus und Pessimismus. Für die Lagebeurteilung ist nur eines zulässig: nüchterner Realismus. Was man aufgrund der Lagebeurteilung dann zu tun erwägt, kann von grossem Optimismus, sogar von Kühnheit getragen sein. Für die Lagebeurteilung selbst ist das aber desaströs.
Längst nicht alle können das ertragen. Wer es nicht kann, gehört nicht in eine hohe Führungsposition, und zwar in keinem Segment der Gesellschaft, weil es ihm am Wichtigsten mangelt: einem klaren Blick für die Wirklichkeit. Manche versuchen sich als"Mutmacher","Abwiegler" und"Beschöniger" zu profilieren und einzuschmeicheln. Das ist billiger Populismus, wo nüchterne Analyse das einzige ist, was den Menschen helfen kann, die übrigens viel mehr ertragen können, als die Schönredner meinen und sich über die Lage längst im klaren sind, wenn die Zweckoptimisten erst beginnen, ihre"staatsmännische Weste" anzuziehen.
http://www.mom.ch/cgi-bin/mhsnews/titel/news.pl?FUNC=SHOW&REC=176468
08.12.2002
Update: Navigationshilfen und Orientierungsmarken II
- Zinsen
- Edelmetalle
- Konjunkturprognosen
- Allgemeine Stimmung
- Anti-Amerikanismus
1. Zinsen: Die Senkung des Leitzinses durch die EZB ändert an meiner mittelfristigen Zinsprognose nichts, die ich in der letzten"Aktuell"-Ausgabe am 30. 11. 02 gemacht habe. Die Zinsen werden, wie ich dort schon sagte, nicht von den Notenbanken, sondern im Markt gemacht. Viele Irrtümer und Fehleinschätzungen liessen sich vermeiden, wenn man nur schon das kompromisslos akzeptieren würde, was in Oekonomenkreisen keineswegs der Fall ist.
Die Zinssenkung hat denn auch an der Börse so gut wie keine Wirkung gehabt. Sie wird auch in der Realwirtschaft verpuffen, denn diese Rezession ist ja gerade nicht auf eine Politik des teuren Geldes zurückzuführen. Sie ist entstanden trotz der niedrigsten Zinsen, die es je gab; das macht sie auch so gefährlich.
Die nächsten Jahre werden durch Liquiditätsknappheit charakterisiert sein und durch fallierende Schuldner; das werden die Gründe sein, warum die Zinsen steigen.
2.Edelmetalle: Ich möchte meine Aussagen zu Gold (und Silber) konkretisieren. Die wahrscheinlichste Variante scheint mir ein nochmaliger Preisrückgang zu sein, bei Gold auf rund 200$ oder knapp darunter und bei Silber auf etwa 3.50$ oder ebenfalls knapp darunter. Würde Gold über 360$ per Wochenschlusskurs steigen, würde ich meine Position überdenken. Es könnte dann sein, dass es keinen Rückgang mehr gibt. Solange das nicht der Fall ist, sind die obigen Marken meine Orientierungshilfen.
3. Konjunkturprognosen: Praktisch sämtliche Konkjunkturprognosen, die zu Beginn von 2002 gemacht wurden, mussten inzwischen deutlich, teils drastisch nach unten revidiert werden. In"Aktuell" habe ich während des gesamten Jahres die Meinung vertreten, dass es keine Erholung geben werde.
4. Allgemeine Stimmung: Die Aktienerholung seit Oktober hat zu einen Höhenflug an Optimismus bei Investoren und der Wallstreet-Industrie geführt. Über 90% glauben, dass der Boden hinter uns liege und ein neuer Bullmarket begonnen habe.
Fortune Magazine ist fast euphorisch. In seinem"Investor Guide" für 2003, wo die"10 Hottest Stocks" empfohlen werden, kann man lesen, dass das eine"golden opportunity for investors" sei, und weiter die Weisheit"There is no wrong time to be in the market." Das ist ein sicheres Zeichen, dass die Baisse nicht vorbei ist, sondern gerade erst begonnen hat.
Das Makabre ist, dass die Fortune-"10 Hottest Stocks" des Jahres 2002 im Durchschnitt 12% im Minus liegen.
5. Anti-Amerikanismus: Eine weitere Orientierungsmarke für die Navigation durch die vor uns liegenden Jahre wird eine massive Zunahme der anti-amerikanischen Haltung rund um die Welt sein. In ihrer Erscheinungsform wird sie höchst undifferenziert sein und alle denkbaren Dimensionen aufzeigen: religiöse, wirtschaftliche, politische, soziale, kulturelle, die Ablehnung des American Way of life, of doing business, of being American. Präsident Bush wird vermutlich - egal ob es Krieg gibt oder nicht - in 15 - 18 Monaten schlechte oder jedenfalls viel schlechtere Ratings haben als jetzt.
Das sind die Wegmarken, von denen ich zur Zeit ausgehe. Wenn sich etwas Markantes ereignen sollte, was zum Überdenken dieses Szenarios Anlass gibt, wird man das in"Aktuell" erfahren.
http://www.mom.ch/cgi-bin/mhsnews/titel/news.pl?FUNC=SHOW&REC=176568
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