-->Exkurs: Showdown in Nahost - Über Tabubrüche, Blow Backs und GCBC-Spiele
Sie kennen mich als sehr kritisch gegenüber der US-Regierung, vor allem in Sachen der Nahost-Politik. Nun, da die UNO-Inspektoren ihren Bericht vorgelegt haben und über eine Verlängerung ihrer Inspektionszeit nachgedacht wird, ist es einmal an der Zeit, sich näher mit der ganzen Thematik auseinanderzusetzen. Erstens kamen immer wieder Anfragen von Lesern hierzu und zweitens dürfte eine Kenntnis der zukünftigen politischen Alternativen für einen Anleger nicht ganz unwesentlich sein. Wer also über Politik, und noch dazu in einer sehr kritischen Art und Weise, hier nichts lesen will, der hört an dieser Stelle einfach auf zu lesen.
Gleich zu Anfang: Der Irak-Krieg wird kommen, daran kann es keinen Zweifel geben, wenn man die Verhaltensweise der amerikanischen Politiker genau analysiert. Die Frage ist, wann er beginnt, und auch hier gibt es fast nur eine Möglichkeit: Vermutlich im Laufe des Februars.
Amerika wird von Imperialisten geführt. Imperien haben den Drang zu expandieren. Nachdem die Amerikaner wirtschaftlich inzwischen den Wind ins Gesicht geblasen bekommen, expandieren sie jetzt „folgerichtig“ militärisch. Damit zeigt die USA, daß sie ihren Zenit in ihrer Entwicklungsgeschichte längst überschritten hat. Der nächste neue wirtschaftliche Boom wird ganz sicher nicht mehr von Amerika ausgehen (wie die letzten beiden), sondern von Asien.
Mittlerweile weiß jedes Kind, daß es im Irakkrieg um Ã-l geht. Sie als CW-Leser konnten es hier ohnehin schon sehr früh lesen. Jetzt, wo es jedermann kapiert hat (dank dem SPIEGEL-Artikel „Blut für Ã-l“), möchte ich diese These etwas abwandeln. Ã-l ist nur eine, wenn auch ein wichtige Ausprägung des Prinzips, welches diesen Krieg vorantreibt: Das eigentliche Prinzip heißt Macht. Das ganze Verhalten der amerikanischen Regierung ist für einen scharfsinnigen Beobachter leicht als bloßes Machtgeplänkel zu identifizieren. Alleine schon das „Good Cop - Bad Cop“-Spiel (= GCBC, zu deutsch: „Guter Polizist - Böser Polizist“), welches das Duo Powell / Rumsfeld da veranstaltet und mit dem offensichtlich auch die europäischen Abtrünnigen, allen voran die Deutschen, eingeschüchtert werden sollen, spricht Bände. Ein solches GCBC-Spiel kann aber nur jemand veranstalten, der sich in der mächtigen Position sieht. Wir kennen das aus den Verhören in den amerikanischen Kriminalfilmen. Ziel des Ganzen: Die Gegenseite weichzuklopfen bzw. einzuschüchtern.
Zum Thema „Imperialismus“ möchte ich auf ein kürzlich veröffentlichtes Interview mit dem (wohlgemerkt!) amerikanischen Politologen Chambers Johnson verweisen, welches unter www.jungefreiheit.de (dort im Archiv suchen) nachzulesen ist. Amerika hat demnach in den vergangenen Jahren in vielen Ländern in der Welt interveniert oder besser: manipuliert. Saddam Hussein, Bin Laden, die iranischen Machthaber und viele, viele andere, alle wurden von den USA erst hochgepäppelt. Nach Chambers verselbständigen sich aber diese Machtsysteme irgendwann und stellen für die USA dann eine Bedrohung dar, er spricht hier von sogenannten „Blow Backs“. D.h. die Saat, die die USA einst überall gesät hat, fliegt ihnen heute um die Ohren. Mit der Folge, daß Amerika nun aktiv einschreiten muß (und nicht wie früher nur passiv). Und dann ist eben der Irak-Krieg aus einem ganz anderen Licht als bloß aus dem Ã-l-Aspekt zu sehen.
Noch eine Sache ist extrem wichtig. Der kommende Irak-Krieg wird der erste Krieg der „zivilisierten“ Welt (gemeint ist die Staatengemeinschaft) sein, in dem aktiv ohne zwingenden Grund angegriffen wird. Die Gründe, die uns in der Presse genannt werden, sind lächerlich, weshalb hier auch nicht näher darauf eingegangen wird. Das heißt, die Welt überschreitet in den kommenden Tagen (sobald es losgeht im Irak) die Schwelle von der „zivilisierten“ Welt hin zur „unzivilisierten“. Natürlich wird uns das Ganze in den Medien anders verkauft, aber glauben Sie bitte nicht alles, was Sie lesen. Es ist deshalb so dramatisch, weil mit dem Irak-Krieg das Tabu „Angriffskrieg“ gebrochen wird. Jedem Tabu-Bruch folgt aber eine Überflutung mit der Thematik, die ursprünglich tabuisiert wurde (denken Sie nur an die „sexuelle Revolution“). Zu deutsch: Angriffskriege könnten in den kommenden Jahren zum „Normalfall“ werden. Und jedesmal wird die Begründung „Terrorbekämpfung“ lauten, was aber nichts daran ändert, daß es Angriffskriege sein werden. Die Amerikaner kalkulieren sehr wohl mit ein, daß sie mit einem Irak-Krieg, der vermutlich Hunderttausende Irakis das Leben kosten wird, den gesamten Nahen Osten gegen sich aufbringen werden. Demzufolge wird es auch weitere Terroranschläge geben, und demzufolge wird es auch weitere Angriffskriege à la Irak geben. Ein Teufelskreislauf, der nicht mehr zu stoppen ist, sobald das „Tabu“ erst einmal gebrochen ist.
Wenngleich man den deutschen Politikern in gewisser Weise auch taktisches Wahlkampfgeplänkel vorwerfen kann, so haben sie sich in der Sache doch völlig richtig entschieden. Da Deutschland aber von der ablehnenden Haltung gegenüber dem Irak-Krieg nicht mehr zurückweichen kann, läßt sich auch über die zukünftigen deutsch-amerikanischen Beziehungen eines relativ sicher sagen: Wenn das Klima jetzt schon als kühl bezeichnet werden kann, so dürfte es bald eiskalt werden. Lesen Sie hierzu auch den SPIEGEL-Artikel „Gewaltiger Sturm“ im aktuellen Heft.
Faßt man alles zusammen, so muß man letztendlich zu dem Schluß kommen, daß der Irak-Krieg, bzw. eigentlich schon der Afghanistan-Krieg, nur der Beginn eines großen, langandauernden Groß-Krieges „USA gegen die arabische Welt“ bedeutet. John Chambers sieht übrigens den Iran als nächstes Angriffsziel, sobald der Irak-Krieg vorüber ist. Wäre ja auch nur effizient, schließlich bräuchte man die Truppen auf dem Welt-Schachbrett nur um ein Feld weiter rücken zu lassen. Ich weiß, daß nun viele Leser ganz vehement mit dem Kopf schütteln. Aber bedenken Sie, nur weil etwas Ihre Vorstellung sprengt, heißt das noch lange nicht, daß es nicht passieren kann (WTC war doch auch kaum vorstellbar, oder?). Und glauben Sie mir, ich hoffe und bete, daß ich unrecht behalten werde.
Fazit:
Der Krieg wird kommen, vermutlich schon im Februar. Er dürfte dazu führen, daß sich zumindest mittelfristig ein Großteil der arabischen Welt gegen Amerika auflehnen wird. Auch viele andere Staaten, allen voran Deutschland, wird Partei für den Irak (=gegen die USA) ergreifen. Das Klima zwischen den USA und vielen anderen westlichen Staaten wird deutlich frostiger. Nach dem Irak-Krieg werden vermutlich noch mehrere Kriege folgen. Auch wird der Terror weltweit zunehmen. Wir gehen also bewegten Zeiten entgegen.
Quelle:
http://www.goingpublic-online.de/ne...hartanalyse/index.hbs?recnr=8103
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