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Donnerstag, 6. Februar 2003
Amerika auf dem falschen Kurs
von Doug Noland
Welchen Kurs nimmt die US-Wirtschaft? Mir leuchtet nicht ein, dass die
Konsequenz der amerikanischen Kreditblase unbedingt eine Deflation
sein muss. Man muss sich nur Japan oder Argentinien ansehen, dann weiß
man, dass es zwei Möglichkeiten gibt: Kollabierende Kreditblasen
können in einer langen, milden Deflation enden (Japan) oder in einer
schnellen Implosion und einer vernichtenden Inflation (Argentinien).
Bei der Untersuchung der Frage, was wohl in den USA der Fall sein
wird, bin ich zunehmend davon überzeugt, dass die Performance des
Dollar dies mitentscheiden wird.
Denken wir zuerst über Japan nach. Bevor in Japan in den späten
1980ern die extremen finanziellen Exzesse begannen, hatte Japan
jahrzehntelang wirklich unglaubliche wirtschaftliche Fortschritte
gemacht. Leider"tranken die Japaner das Gift" und zerstörten ihr
Finanzsystem in wenigen Jahren. Dennoch hatte auch das Japan nach dem
Platzen der Spekulationsblase noch eine große Produktionskapazität,
die Reichtum schaffte. Die japanischen Multis überlebten nicht nur;
sie florierten. Angesichts enormer Handelsbilanz-Überschüsse war die
japanische Wirtschaft immerhin dazu fähig, sich durch den 10jährigen
Sumpf durchzuwursteln.
Der Handelsbilanz-Überschuss und die Ersparnisse der privaten
Haushalte (Japan ist eine Gläubiger-Nation) unterstützten die
japanische Währung. Der Yen steht heute bei rund 120 Yen pro Dollar -
nur wenig unter dem 10-Jahres-Durchschnitt und leicht über dem Niveau,
das er zu Beginn der 1990er gesehen hatte. Es ist wichtig - besonders
für Rentner -, dass der japanische Sparer seine Kaufkraft behalten
hat.
Die japanische Kreditblase war ein ernstes hausgemachtes
Schuldenproblem, und die internationalen Investoren und Spekulanten
spielten eine relativ unwichtige Rolle. Das Schicksal der japanischen
Wirtschaft hing nicht zentral vom ausländischen Vertrauen in den Yen
ab. Nach dem Platzen der Kreditblase wurde das nur noch stagnierende
Kreditvolumen im privaten Sektor durch die steigende Neuverschuldung
der japanischen Regierung übertroffen, was das System zu dieser Zeit
stabilisierte.
Die finanziellen Exzesse hatten noch nicht den Punkt erreicht, an dem
ein Neuschulden-Stopp beim privaten Sektor zu einem Kollaps führen
musste. Glücklicherweise - so würde ich sagen - erleichterten die
japanische Regierung und die Zentralbank den Übergang in die Zeit nach
dem Platzen der Spekulationsblase - anstatt das Fortbestehen dieser
Spekulationsblase weiter zu fördern. Die japanische Bevölkerung hatte
nicht protestiert oder Krawalle gestartet, sondern sie berief sich
wieder auf ihre alten Traditionen der finanziellen Disziplin und die
Ethik des harten Arbeitens. Es gab viel Gerede (typisch für die Zeit
nach dem Platzen einer Spekulationsblase) über die Inkompetenz der
Politiker, und die eigentlich beeindruckende Entwicklung wurden vom
japanischen Volk nicht genug erkannt.
Beim anderen Extrem - Argentinien - ist durch das Platzen der
Spekulationsblase das Finanzsystem und die Wirtschaft in Scherben
geplatzt. Viele Sparer haben ihr gesamtes Vermögen verloren. Die
Argentinier haben das Vertrauen in ihre Regierung und die staatlichen
Institutionen verloren. Leider ist es normal geworden, dass die Leute
ihre gesamten Ersparnisse aus den Banken abziehen.
Der argentinische Peso hat 70 % seines Wertes verloren, da die
Inflation zügellos geworden ist. Die ausländischen Banker, Investoren
und Spekulanten haben das Land aufgegeben, und die internationalen
Institutionen (und die"Globalisierung") werden von den argentinischen
Bürgern, Politikern und Zentralbankern attackiert. Die argentinische
Wirtschaft ist in eine tiefe Rezession gefallen, die nur wenig von der
kollabierenden eigenen Währung profitiert. Im Gegenteil - der schwache
Peso hat sich sogar negativ ausgewirkt, in starkem Kontrast zu den
Erfahrungen in Südkorea, Thailand, Russland und Brasilien (wo durch
den Währungsverfall die Exporte stimuliert wurden). Denn die
argentinische Wirtschaft war in ihren Boom-Zeiten vom ausländischen
Kapital - zum größten Teil mit spekulativem Charakter - abhängig
geworden. Sobald die Wirtschaft abhängig geworden war, weigerte sie
sich, das zu erkennen. Das ausländische Kapital finanzierte zu viel
Konsum und zu wenig gesunde Investitionen, die zu dem
Wirtschaftswachstum geführt hätten, das das Ausbezahlen der Gläubiger
erlaubt hätte. Sobald dieser Weg eingeschlagen war, war es nur noch
eine Frage des Ausmaßes der unausweichlichen Krise.
Die Abhängigkeit von ausländischem Kapital und andere wirtschaftliche
Fehlentwicklungen führten zu einer akut zerbrechlichen
Schuldenstruktur. Es war das spekulative Kapital, welches zu diesem
nicht produktiven Kredit-Exzess führte, was schließlich fatal für das
argentinische Finanzsystem war. Das Vertrauen in die Dollar-Bindung
des argentinischen Peso wurde dann ein extrem wichtiger Faktor. Und
diese Bindung wurde aufgegeben. Damit wurden fast über Nacht die
argentinischen Finanzanlagen entwertet, da sie kein akzeptiertes
Medium des internationalen Austausches mehr waren. Das ist der
Unterschied zur Entwicklung in Japan, wo dies nie der Fall war.
Wenn man diese zwei Szenarien untersucht und überlegt, welche Richtung
die USA einschlagen werden, dann kommen zahlreiche sehr schwierige und
komplexe Fragen auf. Leider haben sich die Fed, die Wall Street und
die Politiker in Washington dazu entschlossen, die Spekulationsblase
verlängern zu wollen. Sie wollen die Kreditblase weiter anheizen. Das
sollte heute aber kein Thema sein, denn gerade wegen dieser
Kredit-Inflation bleibt der Dollar verletzlich. Es könnte der Tag
kommen, an dem das Vertrauen in den Dollar zusammenbricht und die
Nachfrage nach Dollar-Anlagen kollabiert (Beispiel Argentinien).
Aber die Entscheidungsträger ziehen aus dem Dilemma der US-Kreditblase
nur die Konsequenz, noch mehr Kredite und spekulative Exzesse zu
fördern. Das erhöht die finanzielle Zerbrechlichkeit, vergrößert die
ökonomischen Fehl-Allokationen und erhöht den Druck auf den Dollar
weiter. Es macht mich geradezu wütend, wenn ich sehe, dass diese
Politik auf einen Kollaps der Reservewährung der Welt - des Dollar -
hinausläuft. Der Fed-Gouverneur Ben Bernanke sieht das Heil der
US-Wirtschaft ja in einer Inflation. Aber keine Inflation wird die
Fakten des Wirtschaftslebens ändern.
Es gibt einige Gimmicks, die die Schuldenblase verlängern können, aber
dadurch wird der unausweichliche Tag des Bedauerns nur noch
schmerzvoller. Heutzutage wird der Ruf nach wirtschaftlicher
Stimulierung und 'Reflationierung' immer lauter, aber es gibt keine
Diskussion über die Konsequenzen einer solchen Politik. Dabei steht
soviel auf dem Spiel. Je länger die amerikanischen Entscheidungsträger
weiterhin diesem falschen Kurs folgen, desto mehr schwingt meiner
Ansicht nach das Pendel für Amerika vom japanischen Szenario in die
Richtung des argentinischen Szenarios.
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