-->Gute Chance für schnelle Rally
Exklusiv-Interview mit Ed Yardeni, Chef-Stratege beim US-Finanzhaus Prudential Securities
WELT am SONNTAG: Herr Yardeni, sind Sie ein Börsen-Bulle?
Ed Yardeni: Ich gebe mir Mühe, obwohl das im Moment wirklich nicht leicht ist. Aber man darf nicht alles nur noch schwarz malen: Die Irak-Krise wird in einigen Wochen oder Monaten gelöst sein, so oder so, und damit wird eine ganz wesentliche psychologische Belastung von den Märkten genommen sein.
WamS: Kommt es zum Krieg?
Yardeni: Nichts ist unvermeidbar, außer vielleicht der Tod und die Steuern. Wenn diese Sache schnell entschieden werden kann, stehen die Chancen für eine schnelle und heftige Rally gut. Aber was am Ende zählt, sind Profite, nicht Psychologie. In den letzten Jahren war der Grund für die fallenden Kurse auch nicht der Irak, sondern die schlechten Unternehmensergebnisse. Wir haben eher einen Markt vieler einzelner Aktien als einen Aktienmarkt, der als Block steigt oder fällt. Da muss man richtig liegen, in den richtigen Branchen und Firmen.
WamS: Die da wären?
Yardeni: Dazu muss man weit ausholen. Das Zentrum des Wachstums wird in Zukunft in China liegen. Die Chinesen wollen bis zu ihren Olympischen Spielen 2008 den Sprung zum Industrieland schaffen. Die Koreaner haben dafür 25 Jahre gebraucht. Es gibt schon jetzt gewaltige Investitionen in China: Autobahnen, Magnetbahnen, Flughäfen. Und darüber sollte man auch an Chinas Wachstum teilhaben, über die Rohstoffe, die gebraucht werden: Ã-l, Stahl, Kupfer. Direkte Aktienanlage in China bleibt sehr schwierig. Davon abgesehen ist mein Favorit der Gesundheitssektor, der von der demographischen Entwicklung der Industrieländer profitieren wird. Falls Bush die Irak-Krise für ihn positiv beilegt, wovon ich ausgehe, wird er den Sektor weiter angehen, was den Firmen zugute kommen dürfte.
WamS: Ist Deflation, wie wir sie jetzt in Japan oder Singapur sehen, eine reelle Gefahr?
Yardeni: Deflation ist ein großes Problem, das weitgehend unterschätzt wird. In Amerika sind die Zinsen bei unter zwei Prozent, in Japan bei null. Trotzdem zieht die Wirtschaft nicht an. Das beunruhigt mich. Ich würde mich freuen, wenn es wieder ein bisschen Inflation gäbe. Die amerikanische Notenbank Fed will uns erzählen, dass sie jede Deflation einfach mit dem Anwerfen der Notenpresse verhindern kann. In der Realität aber ist Deflation ein mikroökonomisches Problem, das auf die Geldpolitik weniger stark reagieren könnte, als sich das alle einbilden. Wenn billige Importe die Preise drücken, ist das bei offenen Märkten nicht zu ändern. Die Chinesen haben den größten und billigsten Arbeitsmarkt der Welt. Sie werden gewaltig wachsen, für alle anderen aber ist das ein Problem. China könnte die wirtschaftliche Supermacht des 21. Jahrhunderts werden und weltweit die Preise drücken. Über den schwachen Dollar exportieren wir das Problem dann nach Europa.
WamS: Gerade der Dollar macht den europäischen Exporten schon jetzt zu schaffen.
Yardeni: Die EZB hat bis jetzt nicht eingegriffen, ich könnte mir deshalb noch zehn Prozent Luft nach oben vorstellen. Allerdings wird wohl bald eine heftige Korrektur auf uns warten. George W. Bush hat beschlossen, die US-Wirtschaft mit allem zu stimulieren, was er hat, ein schwacher Dollar eingeschlossen. Das Irak-Problem begünstigt das, ist aber nicht der eigentliche Auslöser. Bush hat von seinem Vater eines gelernt: Du kannst den Krieg gewinnen und trotzdem die Wahl verlieren. Der amerikanischen Wirtschaft muss es gut gehen, wenn er Präsident bleiben wilill.
WamS: Was halten Sie von der „Sauberkeit" der amerikanischen Wirtschaft nach den Skandalen des vergangenen Jahres?
Yardeni: Ich glaube, dass wir das meiste hinter uns haben. Was allerdings noch vor uns liegt, ist eine mögliche Krise der betrieblichen Pensionsfonds in den USA. Viele Firmen gehen in der Anlage dieses Geldes immer noch von Renditen aus, die sehr unrealistisch sind. Ein Horrorszenario wäre, dass die Firmen dies bereinigen und dann riesige Beträge in ihre Pensionskassen nachschießen müssen.
WamS: Verunsichert die Verstimmung zwischen Deutschland und den USA die Investoren? Ist Deutschland bald für US-Anleger tabu?
Yardeni: Am Ende zählen nur die Erträge. Wenn die stimmen, tendiert man stark dazu, alle Störgeräusche zu ignorieren. Aber natürlich ist es nicht sehr positiv, wenn Deutschland und die USA sich gegenseitig solche Sachen an den Kopf werfen. Manchmal wäre es wohl angebrachter, beide Seiten würden einfach öfter den Mund halten. Davon abgesehen hat Deutschland wie auch ganz Europa strukturelle Probleme, deren Behebung zwar ständig angekündigt, aber nie vollzogen wird. Der hohe Ã-lpreis und der schwache Dollar, der die Exporte erschwert, machen die Sache auch nicht einfacher.
WamS: Gerade der Ã-lpreis ist ein wichtiges Thema. Wo sehen Sie Ã-l nach dem Irak-Konflikt?
Yardeni: Die größte Nachfrage nach Ã-l wird in Zukunft aus China kommen. Im Moment wird der Preis durch die Irak-Krise hochgehalten, aber auch danach wird er auf längere Sicht nicht wirklich fallen. Vor allem die Chinesen werden versuchen, sich niedrigere Preise durch lang laufende Kontrakte zu sichern, was den Preis wieder hochtreibt. Ich rede hier nicht von 50 bis 100 Dollar pro Barrel, aber ein niedriger Ã-lpreis dürfte auf längere Sicht der Vergangenheit angehören.
WamS: Wo sehen Sie den Dow Jones Ende 2003, und wie tief werden wir noch fallen?
Yardeni: Ich wäre nicht zu überrascht, wenn der Dow bis Ende des Jahres wieder bis auf 10.000 Punkte klettern könnte. Wobei dies allerdings weiter sehr volatil vonstatten gehen könnte: 2000 Punkte hoch, 2000 wieder runter. Nach unten habe ich die Hoffnung, dass langsam Schluss sein könnte. Aber es könnte auch passieren, dass wir die Tiefststände vom letzten Oktober noch einmal testen. Die Situation war wirklich noch nie so schwer vorherzusagen wie jetzt. Über eines muss man sich aber im Klaren sein: Es gibt viele negative Faktoren in der Welt. Aber um jetzt noch Pessimist zu sein, muss man gegen den Erfolg von Bushs Wirtschaftspolitik wetten, gegen Alan Greenspan und gegen die ganze amerikanische Wirtschaft. Das muss man erst einmal durchhalten.
Das Gespräch führte Ulrich Machold.
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