-->Zinsänderungen - ein zweischneidiges Schwert
Viele Ã-konomen und Börsianer sehen Zinsentscheidungen als eine Art Wunderwaffe an. Börsenakteure sind überaus sensibel gegenüber Zinsentscheidungen der Zentralbanken. Man könnte diese übliche Einstellung gedankenlos übernehmen. Doch machen wir nicht schon wieder einen Fehler!
Denn zum einen unterstreicht diese Sensibilität zwar, wie wichtig das Geld für die Wirtschaft ist. Nicht umsonst wird es als „Blut im ökonomischen Kreislauf“ bezeichnet.
Zum anderen wissen wir aber, dass hier lediglich diejenigen Zinsen definitiv festgelegt werden, zu denen Geschäftsbanken Kredite von der Zentralbank erhalten (sich „refinanzieren“). Darüber hinaus sind die Geschäftsbanken in ihren eigenen Zinsentscheidungen frei. Daher bestimmt auch der Markt durch Angebot und Nachfrage den Zins mit.
Weiter: Die Leitwirkung der Zentralbankzinsen lässt immer mehr nach, je mehr Geld beim Publikum vorhanden ist. Möglicherweise aus diesem Grunde verwendet die Europäische Zentralbank den Ausdruck Leitzinsen nicht mehr, sondern hat den Begriff Refinanzierungssatz geprägt. Die EZB legt diesen Satz übrigens auch nicht einfach so fest. Hierfür gibt es nämlich eine Art Versteigerungsverfahren. Die EZB kann hierbei als wichtigster Stellschraube lediglich am Mindestbietungssatz drehen.
Werden die Zinsen gesenkt, wird außerdem erst mit ca. einem halben Jahr Verzögerung eine Erholung der Wirtschaft erwartet. Diese wird sich zudem in Grenzen halten, da die überwiegenden Verbindlichkeiten schon früher festgeschrieben wurden. Werden die Leitzinsen um 1 Prozentpunkte gesenkt, dann sinken die Kapitalkosten nur um etwa 0,3 Prozentpunkte.
Nicht gesehen wird auch oft, dass jede Zinssenkung auch eine Kehrseite hat: Mehr Geld zieht sich nämlich dann aus dem Festverzinslichen und damit aus der Wirtschaft zurück und geht lieber in die Spekulation. Erhöhte Liquidität am Aktienmarkt bedeutet zwar steigende Kurse, davon haben aber die Aktiengesellschaften, wie erläutert, im Prinzip nichts und andere Unternehmen mit Sicherheit gar nichts.
So ist zu erklären, dass Japans Wirtschaft immer noch darniederliegt und die amerikanische Wirtschaft auch 2003 nach zwölfmaliger Zinssenkung nicht wieder in Fahrt kommen will.
Doch wir sind noch nicht fertig mit der fragwürdigen Rolle der Zinsen.
Der Zins, Wolf im Schafspelz
Zinsen werden als Preis für geliehenes Geld und Inflationsausgleich betrachtet. Im historischen Mittel liegen Zinseinkünfte rund 4 Prozentpunkte über der Inflationsrate. Niemand verleiht gern Geld, ohne davon zu profitieren. Zinsen sind die Entschädigung dafür, dass man für eine gewisse Zeit auf sein Geld verzichtet und das Risiko eingeht, bei einer Bankenpleite eine Einbuße zu erleiden. Für fast alle Menschen sind Zinsen daher die normalste Sache der (finanziellen) Welt.
Leider unterliegen sie hier einem fatalen Irrtum. Warum? Fünf Gründe:
1. Geld ist keine Ware oder Dienstleistung und dürfte daher auch keinen Preis haben.
Es ist leicht einzusehen, dass es eigentlich das Vernünftige und Natürliche wäre, wenn keine Möglichkeit bestünde, lediglich durch Geld zu noch mehr Geld zu kommen. Dann würde man für seinen Lohn oder sein Gehalt stets eine äquivalente Leistung erhalten, was in Ordnung ginge. Der Zins führt hingegen zu der von Kreditinstituten suggerierten falschen Vorstellung, Geld könne arbeiten oder wachsen. In Wirklichkeit müssen Kreditzinsen durch eine entsprechende Mehrleistung erwirtschaftet werden.
2. Der Zins drängt dem Geld zwei unvereinbare Eigenschaften auf: öffentliches Zahlungsmittel und gleichzeitig persönlicher bzw. privater Besitz zu sein.
Einmal ist es für das Wohlergehen der Wirtschaft und damit des Staates und der Ã-ffentlichkeit erforderlich, die Geldströme und Umlaufhäufigkeiten im Wirtschaftkreislauf zu steuern. Zum anderen kann jeder Geldbesitzer mit seinem Geld machen, was er will. Der Leitsatz „Eigentum verpflichtet“ wird zwar von Eigentümern nicht immer gern anerkannt, ist aber eine wichtige Grundlage von Recht und Ordnung. Aber gerade für Geld gilt dieser Grundsatz nicht!
3. Der über der Inflationsrate liegende Zinsanteil ist ein praktisch leistungs- und risikoloses Einkommen und daher unmoralisch.
Dass Zinsen teilweise leistungsloses Einkommen darstellen, ist offensichtlich. Durch die heutigen Absicherungsmechanismen der Banken - Stichwort Einlagensicherungsfonds - bzw. die noch bessere Absicherung der Sparkassen ist auch das Risiko vernachlässigbar. Das wirft die Frage auf, ob der oft unbedarft strapazierte Begriff „Leistungsgesellschaft“ überhaupt seine Berechtigung hat.
4. Durch den Zinseszinseffekt wachsen die Geldbestände gegenüber dem BIP immer schneller, was wirkungsvolle Geldpolitik der Zentralbanken zunehmend erschwert.
Der Zinseszinseffekt wird oft unterschätzt. Die Allgemeinheit nimmt an, dass von ein paar Prozenten keine ernstzunehmende Wirkung ausgehen kann. Weit gefehlt: Die Geldvermögen wachsen weit schneller als das BIP. Von 1950 bis 2000 schwangen sie sich in der BRD von 57 % auf 260 % des BIPs auf! Dem liegt der Zinseszinseffekt zugrunde: Eine mit X Prozent verzinste Anlage verdoppelt sich in der Zeit 70 Jahre/X. Bei 7 % Zins werden aus 10.000 Euro in zehn Jahren 20.000, in 20 Jahren 40.000 und in 30 Jahren 80.00 Euro.
5. Zinseinkünfte bedingen Schulden in gleicher Höhe.
Da diese sich gewissermaßen spiegelbildlich verhaltenden Größen, angetrieben durch den Zinseszinseffekt, immer schneller zunehmen müssen, entsteht ein wachsender Verschuldungsdruck. Ist die Wirtschaft nicht mehr zur Kreditaufnahme bereit, muss der Staat einspringen. So stieg die Gesamtverschuldung in Deutschland zwischen 1991 und 2000 von 195 % auf 302 %.
Warum, so muss man angesichts dieser Probleme fragen, ist Geld dann überhaupt mit Zins behaftet? Weil der Zins das Geld aus dem privaten Bereich in den Wirtschaftskreislauf locken kann. (Entwürfe für ein weit besseres Geldsystem sind seit längerer Zeit bekannt. Hier tritt eine sogenannte Umlaufsicherung an Stelle des Zinses. Leider stehen der Einführung eines solchen Systems eine Reihe von Hindernissen im Weg.)
Quelle: Die neuen Chancen und Gefahren für Ihr Geld
kostenlos per E-Mail erhältlich, wenn Elli die Adresse an mich weiter vermittelt
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