-->Gute Nachrichten gehen unter
von Jens Wiegmann und Holger ZschÀpitz
Der Dax im freien Fall
Berlin - Stell dir vor, der Deutsche Aktienindex fĂ€llt auf den tiefsten Stand seit sechseinhalb Jahren und kein Börsianer bekommt es mit. Fast so geschehen am Dienstag in Frankfurt. WĂ€hrend das Gros der Marktprofis auf der Investorenkonferenz der Deutschen Bank fĂŒhrenden Konzernlenkern der heimischen Industrie lauschte, rauschte der Dax bereits am Vormittag unter die wichtige UnterstĂŒtzungsmarke von 2519 Punkte. Um exakt 11.04 Uhr, als Adidas-Finanzvorstand Robin Stalker sein Unternehmen auf der âGerman Corporate Conferenceâ im Hotel Hilton prĂ€sentierte, rutschte der Index unter das alte Tief vom vergangenen Oktober.
Und damit nicht genug. Der Dax bekam erst bei 2448 Punkten Boden unter den FĂŒĂen - Notierungen, die Anleger das letzte Mal im Juli 1996 zu sehen bekamen. Da half es auch nicht, dass der Ifo-GeschĂ€ftsklimaindex weit besser als erwartet ausfiel. âDie Stimmung ist einfach komplett kaputtâ, sagt Joachim Paech, ChefhĂ€ndler bei Julius BĂ€r. âKein Anleger will mehr etwas kaufen. Es gibt nur VerkĂ€ufer.â
Verkaufsdruck kam nach dem Durchbrechen der wichtigen 2519-Punkte-Marke vor allem von den Versicherungen. HĂ€ndlern zufolge trennten sich in erster Linie die groĂen Spieler wie MĂŒnchener RĂŒck und Allianz von ihren StĂŒcken, beziehungsweise sicherten sich durch TermingeschĂ€fte gegen weiter fallende Kurse ab. Solche Hedging-AktivitĂ€ten wirken fĂŒr die MĂ€rkte wie echte AktienverkĂ€ufe.
Der Dax steuert damit unaufhörlich auf Rekordtiefen zu. Ein wichtiger Punkt verlĂ€uft dabei bei 2156 Punkten. Auf diesem Niveau hĂ€tte das Kursbarometer 73,5 Prozent vom Hochpunkt im MĂ€rz 2000 an Wert eingebĂŒĂt und damit genauso viel wie der deutsche Markt in der schlimmsten Börsenkrise 1929. Strategen streiten, ob ein solcher Einbruch angesichts der momentanen Fundamentaldaten gerechtfertigt ist. SchlieĂlich sei Deutschland noch von einer Depression wie in den 1930er Jahren weit entfernt. Die Experten von Dresdner Kleinwort Wasserstein geben sich pessimistisch. Zwar seien fundamental durchaus 3000 ZĂ€hler gerechtfertigt. Auf Grund schwacher Wirtschaftsdaten sei ein Einbruch beim Dax auf 2400 Punkte aber nicht auszuschlieĂen.
Gleich heute dĂŒrften schwache Daten die Börsianer einmal mehr enervieren, wenn das Statistische Bundesamt die endgĂŒltigen deutschen Wachstumszahlen fĂŒrs vierte Quartal 2002 vorlegt. Es droht ein Minus von 0,1 Prozent gegenĂŒber dem Vorquartal und damit könnte Deutschland zum zweiten Mal in diesem Konjunkturzyklus in eine Rezession abkippen, sollte auch das Wachstum fĂŒr das erste Quartal des laufenden Jahres negativ ausfallen. Dann wĂ€ren die Bedingungen fĂŒr eine Rezession per definitionem erfĂŒllt. Und ein Abgleiten ins Minus - verbunden mit negativen Effekten fĂŒr die Unternehmensgewinne - ist gar nicht so unwahrscheinlich. Bereits am Montag wartete Morgan Stanley mit einer Rezessionswarnung fĂŒr Europa auf.
Von Seiten der technischen Analysten ist vorerst auch keine Aufmunterung zu erwarten. Im Gegenteil: âEs steht fĂŒr mich völlig auĂer Frage, dass der Dax auch noch die 2000-Punkte-Marke nach unten durchbrechen wirdâ, sagt Wieland Staud, GeschĂ€ftsfĂŒhrer von Staud Research. In den vergangenen Wochen hatte der deutsche Blue-Chip-Index hĂ€ufig um die 2520 bis 2540 Punkte gependelt und immer wieder versucht, sich zu stabilisieren. Erfolglos, wie sich am Dienstag herausstellte. âNun gibt es gar keinen Grund fĂŒr Optimismus mehrâ, sagt Staud.
Die nĂ€chste UnterstĂŒtzungslinie dĂŒrfte der Dax zwar bei 2270 ZĂ€hlern finden, dem Stand von Ende 1993 und Mai 1994. Die Baisse am deutschen Aktienmarkt dauere jetzt schon drei Jahre und damit lĂ€nger als die des Dow Jones, die im Jahr 1929 begann. Staud kann diesem Szenario aber auch etwas Positives abgewinnen. âSkepsis wird inzwischen akzeptiert, es wird nicht mehr immer nur Optimismus verbreitetâ, so der Charttechniker. Anleger wĂŒrden vermehrt verkaufen statt zu versuchen durchzuhalten. Auch das sei positiv.
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