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Die Banken im Gerede
Von Holger Steltzner
Ist meine Bank noch sicher? Diese Frage dürfen Kunden aus Sicht der Bank niemals stellen. Der untadelige Ruf, die Bonität und das Vertrauen sind das eigentliche Kapital eines Bankiers. Deshalb ist es schlimm für die Kreditwirtschaft, daß in diesen Tagen die gesamte Branche ins Gerede gekommen ist. Die Ertragskrise deutscher Banken, die steigenden Verluste aus dem Kreditgeschäft infolge der vielen Unternehmenspleiten und die mißglückten Fusionsversuche wurden schon länger diskutiert, ohne daß das Vertrauen in die Stabilität deutscher Banken nachhaltig gelitten hätte. Die Aufregung über das Gespräch der Spitze der deutschen Finanzwirtschaft mit dem Kanzler sowie dem Wirtschafts- und dem Finanzminister ist von einer anderen Qualität. Sie könnte das Vertrauen der Kunden in die deutschen Banken schädigen.
Von der Schaffung einer staatlich geförderten Auffanggesellschaft für faule Kredite mag ein Bankier unter der Last seiner Kreditbücher vielleicht träumen; doch darf er hierüber nicht öffentlich reden. Schon das ausgesprochene Wort von einer Auffanggesellschaft trägt den Keim einer möglichen Vertrauenskrise hinaus in die Welt. Deshalb ist es wichtig, daß die Europäische Zentralbank und auch die Bundesbank deutlich gemacht haben: Es gibt keine Bankenkrise in Deutschland. Natürlich müssen die Bankkunden nicht um ihre Ersparnisse bangen. Die Stabilität des Bankensystems insgesamt steht außer Frage. Dennoch werfen die unausgegorenen Überlegungen einer Staatshilfe für notleidende Kredite ein Schlaglicht auf die prekäre Lage deutscher Banken.
Der Kurssturz an den Aktienbörsen, die Pleitewelle deutscher Unternehmen, die mit Abstand die europäische Insolvenzstatistik anführen, die schrumpfenden Einnahmen aus dem Zinsgeschäft zusammen mit teuren Ausflügen in das Investmentbankgeschäft und den wahllosen Zukäufen im Ausland machen deutsche Banken besonders anfällig, weil sie hierfür ihre Reserven aufgebraucht haben. In den zurückliegenden guten Jahren wurde nicht vorgesorgt und während der goldenen Haussezeiten in den neunziger Jahren nicht gehandelt. Bester Gradmesser für den im internationalen Vergleich besonders schlechten Zustand deutscher Banken sind die Börsenwerte. Gemessen daran, haben längst spanische oder italienische Sparkassen deutsche Großbanken überflügelt. Lediglich die Deutsche Bank findet sich noch in der Spitzengruppe der wertvollsten europäischen Banken. Die Kunden müssen die hohen Kursverluste deutscher Banken und Versicherungen aber nicht schrecken, den Schaden haben die Aktionäre.
Die Finanzbranche hat den Anpassungsdruck der Märkte zwar kommen sehen, doch sie hat darauf zu spät und nur ungenügend reagiert. Es gibt in Deutschland noch immer mehr Bankfilialen als Tankstellen oder Bäckereigeschäfte. Die großen Privatbanken erreichen im Kundengeschäft zusammen nur einen Marktanteil von zwanzig Prozent. Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken besetzen dagegen zwei Drittel des Marktes. Die Folge ist: Privatbanken haben nicht die nötige Größe im Kundengeschäft, um rentabel wirtschaften zu können. Hinzu kommt, daß die privaten Banken den Preiswettbewerb mit den Sparkassen im Kreditgeschäft gesucht haben, den sie nicht gewinnen konnten, weil die Sparkassen durch staatliche Garantien über Refinanzierungsvorteile verfügen, die sie an ihre Kunden weitergegeben haben. Besonders der heimische Mittelstand hat hiervon profitiert in Form billiger Kredite. Deshalb und wegen der verfehlten Steuerpolitik verschiedener Bundesregierungen verfügt der Mittelstand über gefährlich wenig Eigenkapital und ist abhängig von Krediten.
Die Ertragskrise deutscher Banken zieht inzwischen sogar den Finanzplatz Deutschland in Mitleidenschaft. Es liegt nicht an der Deutschen Börse oder dem Gesetzgeber, daß der heimische Finanzplatz im internationalen Wettbewerb zurückfällt. Die Infrastruktur der Börse ist überaus effizient, und das Regelwerk für den Kapitalmarkt ist wettbewerbsfähig. Banken und Versicherungen müssen endlich eine überzeugende Perspektive für eine tragfähige Zukunft der deutschen Finanzbranche entwickeln. Das ist auch im Interesse der gesamten Volkswirtschaft dringend nötig. Eine prosperierende Finanzbranche ist in entwickelten Volkswirtschaften der Schlüssel für steigenden Wohlstand. Notwendig sind darüber hinaus die richtigen ordnungspolitischen Rahmenbedingungen im Arbeits-, Steuer- und Sozialrecht, nicht nur für die Banken und den Finanzplatz, sondern für alle Unternehmen und Arbeitnehmer im Land. Werden auf diesen Feldern die Voraussetzungen für mehr Wachstum geschaffen, dann können die Banken ihre Schwierigkeiten ohne staatliche Hilfe in den Griff bekommen.
Auf eine rasche und vor allem dauerhafte Kurserholung an den Aktienbörsen dürfen Banken und Versicherungen nicht hoffen. Auf der Kostenseite sind ihre Einsparpotentiale begrenzt, wenn sie sich nicht zu Tode sparen wollen. Auch eine schnelle und nennenswerte Verschiebung der Marktanteile zwischen privaten Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken wird es nicht geben. Dennoch besteht Hoffnung. Auf Druck der Europäischen Union verlieren die deutschen Sparkassen ihre Privilegien. Hinzu kommt die Neuregelung von Kreditvergaben aufgrund internationaler Richtlinien (Basel II). Künftig wird für Kredite ein risikogerechter Preis berechnet werden. Auf diese Herausforderungen muß die Bundesregierung antworten, indem sie den Mittelstand nicht länger als steuerliche Melkkuh behandelt. Die Chance für einen Ausweg aus der Ertragskrise deutscher Banken liegt im Kreditgeschäft und damit gerade in dem Geschäftsfeld, aus dem sich manche Banken heutzutage zurückziehen möchten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.02.2003, Nr. 49 / Seite 1
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