-->"Versicherer müssen Milliardenbeträge abschreiben"
Ratingagentur Fitch: 50 Milliarden Euro stille Lasten / Kapitalerhöhungen erforderlich
mtr. FRANKFURT, 7. März. Vielen deutschen Lebensversicherern stehen in diesem Jahr voraussichtlich massive Abschreibungen auf ihre Wertapieranlagen und demzufolge kräftige Kapitalerhöhungen ins Haus. Die Ratingagentur Fitch ermittelt für die Branche in ihrer jüngsten Studie allein für das vergangene Geschäftsjahr stille Lasten in der dramatischen Höhe von 45 bis 50 Milliarden Euro. Im Jahr zuvor waren es Fitch zufolge erst rund 2,5 Milliarden Euro. Stille Reserven auf Immobilien und festverzinsliche Wertpapiere können die Lebensversicherer hierzulande hingegen nur noch in Höhe von 10 bis 15 Milliarden Euro aufweisen. Die Untersuchung basiert auf den Geschäftsberichten aller 105 deutschen Lebensversicherungsgesellschaften.
Die Transparenz hinsichtlich der Finanzstärke deutscher Lebensversicherer nehme mit der Anhäufung stiller Lasten in dieser Höhe weiter ab."Das Risiko einer plötzlichen Ankündigung einer Unternehmenskrise beziehungsweise einer Insolvenz ist bereits hoch und wird weiter steigen", heißt es in der Studie. Die Bildung stiller Lasten ist den Versicherern seit Ende 2001 gemäß Paragraph 341 des Handelsgesetzbuches erlaubt. Danach können Versicherer bei der Bewertung ihrer Kapitalanlagen vom strengen Niederstwertprinzip zunächst abweichen, wenn die Wertminderungen als vorübergehend erachtet werden.
Eine in der Branche mit Erleichterung aufgenommene Stellungnahme des Versicherungsfachausschusses des Instituts der Wirtschaftsprüfer im Oktober 2002 hatte in diese Richtung argumentiert und damit den Weg zur Bildung stiller Lasten für 2002 in diesem Umfang ermöglicht. Von nur vorübergehenden Wertminderungen kann angesichts der andauernden Baisse am Aktienmarkt aber mittlerweile wohl keine Rede mehr sein."Die zum 31.12.2002 als vorübergehende Wertminderung beurteilten Kapitalanlagebestände sind zunehmend als dauerhaft wertgemindert einzustufen", urteilt die Ratingagentur. Massiver Abschreibungsbedarf im Geschäftsjahr 2003 dürfte die Folge sein.
Viele deutsche Lebensversicherer können Fitch zufolge mit ihrer aktuellen Kapitalausstattung keine weiteren externen Schocks an den Kapitalmärkten mehr verkraften."Unternehmen, die bereits 2001 eine schwache oder leicht schwache Kapitaladäquanz aufwiesen, werden - sofern extern kein Kapital zugeführt wurde, Schwierigkeiten haben, den vom Aufsichtsamt geforderten Streßtest zu bestehen", heißt es. Um die Solvabilität und Stabilität deutscher Lebensversicherer zu garantieren, sei daher eine"massive Zuführung" von frischem Eigenkapital erforderlich. Der Streßtest der Aufsichtsbehörde (Bafin) muß erstmals für 2002 ermittelt werden. In dieser Untersuchung werden ausreichende Höhe und Sicherheit der Kapitalanlagen bestimmt, indem überprüft wird, ob sie unter festgelegten Szenarien an den Kapitalmärkten noch zur Deckung der Verpflichtungen reichen. Die Ergebnisse für 2002 müssen bis Ende März an das Bafin gemeldet werden. Bei Nichtbestehen muß das Management des Versicherers die Risikotragfähigkeit der eigenen Bilanz wiederherstellen, zum Beispiel durch eine Kapitalerhöhung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.03.2003, Nr. 57 / Seite 19
|