-->Im Prinzip bin ich ja überhaupt kein Anhänger von Rudolf"Vermögensteuer" Hickel.
Das nachfolgende Szenario dürfte aber leider realistisch sein.
Grüße
Tierfreund
Deutschland durch Kriegsfolgen in der Abwärtsspirale
Die massiven ökonomischen Schäden, die der Krieg gegen den Irak auslösen würde, blieben jedoch nicht nur auf die Kriegsregion und kriegsauslösende USA beschränkt. Die Weltwirtschaft würde allein schon wegen der Leitfunktion der USA in Mitleidenschaft gezogen. Diese globalen Folgen werden durch die Ã-l-preisentwicklung belegt. Kommt es zur Ã-lverknappung bzw. Erhöhung des Ã-l-preises, dann leiden darunter alle Länder im Ausmaß ihrer Abhängigkeit von die-ser Energiequelle - auch wenn sie sich gegen diesen Krieg ausgesprochen haben. Nicht nur wegen seiner ökonomisch engen Verzahnung mit den USA würde Deutschland relativ stark durch die gesamten Kriegskosten belastet.
Mit Blick auf die Schwerpunkte im Nordhaus-Tableau sind für Deutschland die unterschiedlichen Ebenen der ökonomischen Belastung wie folgt zu bewerten:
Belastungen der öffentlichen Haushalte
1. Direkte Kosten für die Militäraktion entstehen im Ausmaß der Beteiligung an dem Krieg. Nach dem derzeitigen Stand sollen Soldaten nicht direkt in den Krieg einbezogen werden. Die Hilfe soll sich auf logistische Arbeiten und Überwa-chungsleistungen reduzieren. Derzeit sind die Kosten für logistische Leistungen durch die Bundeswehr mangels Angaben über das Ausmaß des (indirekten) Ein-satzes nicht möglich. Sollten Kosten anfallen, ist wohl mit einer Umschichtung im Verteidigungshaushalt zu rechnen.
2. Derzeit ist unklar, inwieweit die USA erfolgreich Druck auf Deutschland aus-üben wird, sich an den Kosten des Militärschlags zu beteiligen. Im letzten Golf-krieg nach der Besetzung Kuweits durch den Irak 1991 ist nach Angaben des Bundesfinanzministeriums eine Beteiligung im Umfang von 17,2 Mrd. DM er-folgt. Die meisten Ausgaben dienten der Sicherstellung des Nachschubs von Mu-nition, Transportmittel sowie der Zahlung von Finanzhilfen an die USA. Es sollte der Grundsatz gelten: ein Land, das den Krieg nicht unterstützt, darf auch nicht an dessen Finanzierung be-teiligt werden.
3. An humanitären Hilfeleistungen sowie am Wiederaufbau des Iraks wird sich Deutschland sicherlich beteiligen (Gesamtvolumen im ungünstigsten Fall
605 Mrd. $).
4. Da vor allem bei anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen von einem wachsenden internationalen Terrorismus auszugehen ist, werden die öffentlichen Ausgaben für Sicherheitssysteme deutlich zunehmen.
Der absehbare Anstieg kriegsbedingter Ausgaben wird zur Belastung der öffentli-chen Haushalte - insbesondere im Bundeshaushalt führen. Die erste Welle derar-tiger Ausgaben nach dem 11. September ist durch die Anhebung der Versiche-rungs- und Tabaksteuer finanziert worden. Für die künftige Finanzierung stehen Ausgabenkürzungen an anderer Stelle, Steuererhöhungen oder der Anstieg der Staatsverschuldung zur Verfügung. Neue Verteilungskonflikte sind etwa nach dem Motto - Sicherheit statt Bildung - vorprogrammiert.
Gesamtwirtschaftliche Folgekosten
5. Der jüngste Anstieg des Ã-lpreises auf über 30 $ je Barrel ist bereits auf die Planung eines Militärschlags gegen den Irak zurückzuführen. Kenner des Ã-l-markts gehen davon aus, dass heute schon 5-7 $ pro Barrel durch die erwarteten Kriegsfolgen"eingepreist sind". Damit ist die zuletzt im Januar präsen-tierte Prog-nose zum Wirtschaftswachstum mit ohnehin nur 0,6% für dieses Jahr bereits Ma-kula-tur. Sie basiert auf der Annahme, der Ã-lpreis werde sich im Frühjahr bei 25 $ be-wegen. Gegenüber dieser Prognosenannahme liegt bei 30 $ die Ã-lrech-nung um
4 Mrd. € höher. Steigt der Ã-lpreis auf 35 $ so kommen nochmals 8 Mrd. € hinzu. Die Folgen der Ã-lpreiserhöhung sind: Rückgang des privaten Konsums, Kosten-steigerungen in der Wirtschaft und damit sinkende Ausrüstungsinvestitionen und steigende Ausgaben des Staates. Soweit versucht wird, die Kostensteigerung über die Preise zu überwälzen, steigt die Inflationsrate. Die Gefahr ist dann groß, dass die Europäische Zentral-bank die Inflation zum Anlass nimmt, den durch die stei-gende Ã-lrechnung gesenkten inländischen Verteilungsspielraum durch eine re-striktive Geldpolitik durchzusetzen. Die privatwirtschaftliche Investitionsbereit-schaft würde zusätzlich belastet. Zusammen mit der ohnehin sich ver-tiefenden Vertrauenskrise führt der Ã-lpreisanstieg letztlich zum Abschwung der Konjunk-tur. Die Arbeitslosigkeit steigt. Die staatlichen Einnahmen sinken, während die Krisenkosten durch die ansteigende Arbeitslosigkeit in den öffentlichen Hausha-ten zunehmen. Der Druck auf eine Einsparpolitik zur Vermeidung einer Auswei-tung der öf-fentlichen Schuldenaufnahme im Sinne der Maastricht-Kriterien nimmt zu. Die Konjunktur würde zusätzlich durch den Rückgang von öffentlichen Ausgaben für die Wirtschaft belastet.
Bei einer über ein Jahr andauernden Erhöhung des Ã-lpreises um 10 $ je Barrel sinkt das Wirtschaftswachstum in Deutschland um 0,3 Prozentpunkte; die abso-lute Einbuße beträgt 6 Mrd. €. Der private Konsum sinkt um 0,2 Prozentpunkt, die Ausrüstungsinvestitionen um 0,4 Prozentpunkte. Die Inflationsrate steigt um 0,5 Prozentpunkte.
6. In der Gesamtwirkung droht durch einen Krieg gegen den Irak die derzeit oh-nehin nur stagnative Konjunkturentwicklung in eine Rezession umzu-kippen. Über den Ã-lpreisschock hinaus treiben weitere Rückwirkungen die Konjunktur Deutschlands in die Abwärtsspirale: Neuere Unter-suchungen belegen die gewach-sene Abhängigkeit der kon-junkturellen Entwicklung Deutschlands von der der USA. Insoweit schlägt die von Nordhaus beim"worst case" erwartete tiefe Rezes-sion der US-Wirtschaft auch auf Deutschland durch. Wegen der hohen Export-quoten kommt es bei einer krisenhaften Entwicklung der Weltwirtschaft zu zu-sätzlichen Belastungen der deutschen Wirtschaft. Unternehmen sehen sich darüber hinaus gezwungen, stei-gende Ã-lpreise und Kosten für zusätzliche Sicherheit ge-genüber Terroranschlägen über die Preise zu überwälzen. Bei den gesamtwirt-schaftlichen Folgen eines Kriegs gegen den Irak ist auch die Veränderung der Wechselkurse zu berücksichtigen. Oft wurde der US$ in Krisenzeiten als sicherer Hafen angesteuert und wertete deshalb auf. Als Kriegspartei an sich sowie wegen der wachsenden Risiken durch Terroran-schläge wird die USA jedoch mit einer Abwertung ihrer Währung rechnen müssen. Die Kriegsfolgen sind in der jüngsten Abwertung des $ bereits"eingepreist". Eine Abwertung des $ gegenüber dem € - Aufwertung des € - verteuert die Rechnung für die deutschen Exporte in dieser Währung. Weichen die ausländischen Kunden wegen der verteuerten Waren aus Deutschland auf die internationalen Konkurrenten aus, sinken die Ex-porte. Re-agieren die deutschen Unternehmen mit Preissenkungen, dann gehen die Erlöse und mit diesen die sinken die Gewinne zurück. Der Gesamteffekt ist jedoch recht gering, weil gut zwei Fünftel der Ausfuhren in die Länder der Eurozone fließen.
Eine Abwertung des Dollar gegenüber dem Euro um 10 % verringert den Zuwachs des deutschen Bruttoinlandsprodukts um 0,3%.
Durch die Abwertung des $ werden allerdings die Importe, die in dieser Währung bezahlt werden, billiger. Der durch die Ã-lpreisexplosion und wachsende Kosten der Sicherheit zu erwartende Anstieg der Inflationsrate wird gedämpft und der Druck auf die Europäische Zentralbank in Richtung restriktiver Geldpolitik abge-schwächt. Wegen der hohen deutschen Importquote aus dem Euroland fällt jedoch dieser Entlastungseffekt recht gering aus.
Die einzelnen, hier genannten Faktoren, wie die Vertrauenskrise überhaupt, füh-ren zu pessimistischen Gewinnerwartungen bei den Unternehmen. Da sich in der Kursentwicklung der Börsen künftige Gewinne widerspiegeln, sind weitere Kurs-verluste an der Börse vorprogrammiert. Dar-über können auch die kurzfristi-gen Kursgewinne bei Unternehmen der Rüstungs- und Sicher-heitswirtschaft nicht hinweg täuschen ("buy cannons, sell trumpets"). Kursverluste und damit sinken-des Geldvermögen reduzieren den privaten Konsum in Deutschland - allerdings erheblich schwächer als in den USA. Die anhaltend hohen Kursverluste werden jedoch auch als Indiz für niedrige Einkommenszuwächse und steigende Arbeitslo-sigkeit wahrgenommen. Die Folge sind Einschränkungen beim Konsum - auch durch Angstsparen. Allerdings fällt gegenüber den USA dieser Konsumverzicht erheblich gerin-ger aus, da die Vermögensbildung in Form von Aktien in Deutschland eine be-deutend geringere Rolle spielt. Verluste bei den Aktienkursen sowie überhaupt wachsenden Probleme bei der Besorgung von Kapital an den Börsen belasten auch die Unternehmensinvestitionen. Sinkende Aktienkurse ver-stärken die Bewegung auf der gesamtwirtschaftlichen Abwärtsspirale.
Eine Modellrechnung zeigt, die Halbierung der Aktienkurse führt zu Einschrän-kung des privaten Konsums um 0,2-0,8% und löst die Abnahme der Unterneh-mensinvestitionen um 0,6% aus.
Die hier beschriebenen endogenen Belastungen werden durch wirtschaftspoliti-sche Reaktionen verstärkt. Die Geldpolitik, die sich zur Stabilisierung des Preis-niveaus vor allem gegen die ölpreisbedingte Inflation richtet, wird restriktiv aus-gerichtet werden. Ergänzend wird die Finanzpolitik unter dem Druck der Maastricht- bzw. Amsterdam - Kriterien versuchen, die durch sinkendes Wirt-schaftswachs-tum und steigende Arbeitslosigkeit zu erwartenden Einnahmeausfälle und wach-sende Krisenkosten durch weitere Einsparungen bei den Ausgaben und/oder Steuererhöhungen aufzufangen. Unter dem Regime des Irak-Kriegs ist der Absturz in die Rezession in Deutsch-land sehr wahrscheinlich. Die Folge wäre ein bedeuten-der Anstieg der Arbeitslo-sigkeit.
Fazit: Der Irakkrieg führt zu hohen gesamtwirtschaftlichen Kosten und damit zur Belastung der Weltwirtschaft nicht in den Metropolen. Wirtschaftliche Re-zession und Arbeitslosigkeit sind die Folge. Deshalb reicht es nicht aus, zu erklären, man beteilige sich nicht an dem Krieg. Vielmehr müssen durch die deutsche Politik alle Möglichkeiten genutzt werden, diesen Krieg zu vermeiden. Friedens-politik ist zugleich ein Beitrag zur Stärkung der Wirtschaft und der öf-fentlichen Haushalte. Friedenspolitisch wie ökonomisch sind die Aktivi-täten der Bundesregierung zusammen mit den anderen Ländern zur Vermeidung dieses Krieges schlichtweg verantwortungsvoll, weil vernünftig.
Prof. Dr. Rudolf Hickel
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