-->Irakkrieg: Illusionen wie 1967
âOb in der Redaktion der jordanischen Tageszeitung Ad-Dostour, den vielen, kleinen CafĂ©s in der Innenstadt oder bei McDonaldâs an der UniversitĂ€t Amman: Ăberall sehe ich nur den in Katar ansĂ€ssigen Sender."Al-Dschasira ist viel besser als CNN", sagt mir eine Kunststudentin."Sie machen einen tollen Job. Solche Bilder sieht man bei den amerikanischen Fernsehen nicht." Gerade ist eine Menschenmenge auf der Mattscheibe zu sehen, die Opfer des amerikanischen Luftkrieges in Bagdad in SĂ€rgen durch die StraĂe tragen.
Al-Dschazira strahlt aber nicht nur das Leiden der irakischen Zivilbevölkerung in die Wohnzimmer der arabischen Welt. Der Sender vermittelt gleichzeitig den starken Eindruck, dass die Iraker erfolgreich Widerstand leisten und die Amerikaner schwere Niederlagen erlitten haben. Ich werde inzwischen nicht mehr gefragt, was ich vom Krieg halte, sondern wer ihn meiner Meinung nach gewinnen wird."Das wird Gott entscheiden", habe ich mir angewöhnt zu sagen, um keinen Unwillen auf mich zu ziehen. Denn sechs Tage nach Kriegsbeginn schwelgen die Menschen schon fast in Siegeseuphorie.
Ich frage einen irakischen Journalisten im jordanischen Exil, was er davon hĂ€lt."Es ist wie 1967", sagt Mohammed Razi."Die arabischen Sender gaukelten der Bevölkerung vor, die arabischen Truppen seien ĂŒbermĂ€chtig und unbesiegbar." Doch die Israelis fĂŒgten im Sechs-Tages-Krieg den Arabern eine vernichtende, bis heute nicht verwundene Niederlage zu."Al-Dschasira vermittelt heute dieselben Illusionen, und deswegen ist hier auch die Stimmung so unrealistisch."
Silke Mertens, Amman. Aus: Financial Times Deutschland, 27.03.2003
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