-->Nobelpreisträger Milton Friedman über Krieg, multinationale Institutionen, Steuersenkungen und den Euro
«Der Irak kann Wiederaufbau selbst finanzieren»
Der Amerikaner Milton Friedman ist einer der einflussreichsten Ã-konomen des 20.Jahrhunderts. Seine Bekanntheit verdankt er einflussreichen Anhängern in Notenbanken und der Politik, wie Ronald Reagan und Margaret Thatcher. Der radikale Verfechter wirtschaftlicher Freiheit begründet gegenüber «Finanz und Wirtschaft», wieso der Feldzug im Irak ein gerechter Krieg ist. Nach den US-Ã-konomen Fred Bergsten (vgl. Nr. 24 vom 26.März) und Steve Hanke (vgl. Nr. 25 vom 29.März) legt der Nobelpreisträger Friedman seine Einschätzungen zur globalen Wirtschaftsentwicklung dar.
Herr Friedman, Sie haben in Ihrem Leben zwei Weltkriege und unzählige Waffengänge der Amerikaner erlebt. Was geht Ihnen angesichts des Irakkriegs durch den Kopf?
Dieser Krieg ist historisch einmalig. Noch nie hat es eine Auseinandersetzung mit einer solch langen Vorankündigung gegeben. Auch sind die Ressourcen sehr unterschiedlich verteilt - und jetzt nimmt das Land mit dem grössten Potenzial seine Aufgabe als globale Ordnungsmacht wahr. Der Krieg ist eine Fortsetzung des Golfkriegs von 1991, den wir nun endlich beenden.
Ist es ein gerechter Krieg?
Auf jeden Fall, aber ich mag den Ausdruck nicht. Es geht nicht um Gerechtigkeit. Es war Saddam Husseins Fehler, seine Versprechungen von 1991 nicht einzuhalten. Das war seine freie Wahl. Ohne diese Entscheidung hätte es keinen Krieg gegeben.
Handeln die USA eigenmächtig?
Die Koalition der Willigen umfasst 45 Länder - das kann ich nicht eigenmächtig nennen. Sollte beispielsweise Deutschland vor jeder aussenpolitischen Entscheidung weltweit eine Umfrage abhalten, ob das in Ordnung geht? Warum sollten die USA das tun?
Kritiker der USA behaupten, dass es im Irak nur um Ã-l geht.
Das ist Unsinn. Wie kann es um Ã-l gehen, wenn das nach dem Krieg dem irakischen Volk gehören wird? Die USA gewinnen nichts. Die amerikanischen Truppen kämpfen nicht, um für US-Unternehmen Zugang zu den Ã-lquellen zu erlangen. Das ist eine kompliziertere Angelegenheit. Das durch den Irak erhöhte Angebot von Ã-l senkt dessen Preis und ist gut für die US-Wirtschaft - wirkt sich aber nachteilig auf die in Amerika fördernden Ã-lfirmen aus.
Die USA sind die einzige Supermacht in der Welt. Ist das nach Ihrer Ansicht nicht ein schädliches Monopol im Markt der internationalen Sicherheit? Wo bleibt der Wettbewerb?
Wettbewerb ist nicht immer gut. So sollte mit ihm zum Beispiel nicht die Frage geklärt werden, ob man auf der rechten oder der linken Seite der Strasse fährt. Man braucht Regeln, und das ist Aufgabe des Staates. Im Moment ist es die Aufgabe der USA, in der internationalen Politik Regeln aufzustellen. Das ist eine gute Sache und stabilisiert hoffentlich die Welt. Im Übrigen: Monopole sind vergänglich. Sowohl China wie Indien besitzen das langfristige Potenzial, zu ernsthaften Herausforderern heranzuwachsen. Das passiert nicht über Nacht und braucht noch mindestens zehn Jahre. China expandiert sehr rasch und ist der aussichtsreichste Kandidat.
Sind die Vereinten Nationen noch eine nützliche Organisation?
Die Frage unterstellt, dass die Uno jemals nützlich gewesen ist. Wann war sie das? Die Vereinten Nationen waren im besten Fall ein Ärgernis. Es war ein grosser Fehler, dass sie ihre Zentrale auf amerikanischem Boden eröffnen durften. Wir hätten sie wie andere Organisationen in Nigeria oder ganz in der Schweiz beheimaten sollen. Sie würden viel weniger Aufmerksamkeit erhalten und weniger attraktiv für Politiker und Bürokraten sein. Die USA würden mehr Spielraum erlangen.
Aber die Uno ist doch die Errungenschaft des 20.Jahrhunderts. Sie ist ein wichtiges Forum, um Konflikte ohne Krieg zu lösen. Was stört Sie an der Uno?
Die Uno sorgt für Uneinigkeit. Sie fördert Zwietracht, nicht Übereinstimmung. Schauen Sie sich die Geschichte an: Wann haben die Vereinten Nationen eine konstruktive Rolle gespielt? Etwa in den afrikanischen Konflikten? Oder in Bosnien? Nicht im geringsten. Wie kann man eine Organisation ernst nehmen, die Kamerun und den USA jeweils eine Stimme verleiht? Die Libyen den Vorsitz für die Menschenrechtskommission gibt? Das Uno-Prinzip, jeder Nation - ob gross oder klein, demokratisch oder autoritär - eine Stimme zu geben, führt in die Irre.
Das sind starke Worte, bei denen Nicht-Amerikanern der Atem stockt.
Die Uno funktioniert nicht. Es ist das Gleiche wie mit den anderen internationalen Organisationen: Der Internationale Währungsfonds sollte abgeschafft werden. Die Weltbank schadet mehr, als dass sie hilft. Das Gleiche gilt für die Uno. Aber ich sehe ein, das wir mit ihr leben müssen und eine Schliessung kaum möglich ist.
Warum sollen Währungsfonds oder die Weltbank weg?
Wir brauchen keine Organisationen - der Markt kann das allein regeln. Der IWF versucht sich als Global player auf dem Devisenmarkt, die Weltbank mischt sich mit internationalen Direktinvestitionen ein. Beides hat vor dem IWF und der Weltbank existiert. Im 19. und 20. Jahrhundert hat es auch ohne diese Institutionen Wechselkurse und Kapitalflüsse gegeben. Obendrein werden Währungsfonds und Weltbank von nicht gewählten Gremien geleitet. Amerikanische Bürger sollten kein Geld mehr an undemokratische Einrichtungen zahlen.
IWF-Kredite sind in Entwicklungsländern nicht wegzudenken.
IWF-Kredite transferieren Geld von armen Menschen in reichen Ländern zu reichen Menschen in armen Ländern. Ist Argentinien eine Erfolgsgeschichte? Die Unterstützung durch den Währungsfonds erlaubte es der argentinischen Regierung, eine falsche Wirtschaftspolitik viel länger zu verfolgen, als sie es sonst hätte tun können. Es ist sonnenklar, dass der Markt dort viel effizienter gewirkt hätte. Das gilt für andere Länder genauso.
Entwicklungshilfe müsste also auch verschwinden?
Das kann man nicht mit Ja oder Nein beantworten. Es gibt politische Hilfe, die ich begrüsse. Aber das meiste an Entwicklungshilfe lehne ich ab. Sie stärkt die Regierungen in Ländern, in denen der Staat ohnehon schon zu viel zu sagen hat, und ist verantwortlich für den Niedergang vieler Empfängernationen. Die meisten erfolgreichen Entwicklungsländer haben keine oder nur wenig Unterstützung erhalten.
Dann sind Sie auch gegen Aufbauhilfen an den Irak?
Der Irak sollte sich selbst helfen. Das Land besitzt reichlich Ressourcen, nicht zuletzt das Erdöl. Das Geld aus den irakischen Quellen reicht völlig aus.
Die Gründung von IWF und Weltbank 1944 basiert auf der Blaupause eines berühmten Kollegen von Ihnen. John Maynard Keynes vertrat die Ansicht, die Politik müsse den Markt korrigieren.
Er war ein grossartiger Ã-konom. Seine Theorien von Arbeitsmarkt und Geld waren ausgeklügelt und erfinderisch. Aber sie sind von der Geschichte widerlegt worden und haben in der heutigen Welt sehr wenig Relevanz.
Gleicht aber nicht das von Präsident Georg W. Bush vorgeschlagene US-Budget dem Versuch, der Wirtschaft à la Keynes unter die Arme zu greifen?
Keynes will die Einkaufskraft der Konsumenten stärken. Angebotstheoretiker wollen Anreize für Menschen schaffen, damit sie mehr arbeiten, produzieren und investieren. Von daher bin ich sehr zufrieden mit den vorgesehenen Steuerkürzungen. Ich muss aber zugeben, dass sich die USA wie die meisten anderen Länder viele Versäumnisse vorzuwerfen haben. Der freie Handel wird unterdrückt. Die Importquoten auf Zucker beispielsweise sind ebenso falsch wie die Zölle auf Produkten wie Stahl, die US-Präsident George W. Bush letztes Jahr einführte. Das war ein grosser Fehler.
Wie schätzen Sie die Aussichten für die US-Wirtschaft ein?
Die Volkswirtschaft wächst, aber langsam und schwankend auf Grund der Unsicherheit, die der Terrorangriff am 11.September und der Krieg auslösten. Sobald aber die Frage um den Irak gelöst ist, erwarte ich eine deutliche Verbesserung. Die Wirtschaft ist im Grunde genommen gesund. Es wird eine hohe Produktivität erzielt, es herrschen niedrige Inflation und wenig Arbeitslosigkeit.
Damit steht der Dollar vor einem Comeback?
Gegenüber dem Euro verlor der Dollar in jüngster Zeit deutlich an Wert. Ich erwarte, dass sich die Entwicklung sehr bald sehr schnell umkehrt. Der Euro ist überbewertet, und das ändert sich im nächsten Jahr. Europa befindet sich gegenüber den USA in einer viel schlechteren Verfassung. Besonders Deutschland kämpft mit Problemen wie hoher Arbeitslosigkeit und Inflation, die Wirtschaft zeigt kaum Lebenszeichen. Deutschland ist mit einem viel zu hohen Wechselkurs in den Euro gegangen und zahlt nun den Preis dafür.
Glauben Sie, dass England dem Euro beitritt?
Daran hege ich grosse Zweifel. Die jüngsten Differenzen zwischen Blair und Chirac vernichteten für geraume Zeit jegliche Perspektive. Das ist meiner Meinung nach das Beste, was England passieren konnte. Ohne den Euro würde es auch Deutschland besser gehen. Die Wechselkurse passen nicht zu den einzelnen wirtschaftlichen Umständen der Länder wie Deutschland oder Irland.
Halten Sie weiter fest an Ihrer Prognose von vor einem Jahr, dass der Euro in spätestens fünfzehn Jahren auseinanderbricht?
Dafür stehen die Chancen weiterhin gut. Ich bin sehr skeptisch gestimmt, was die langfristigen Aussichten des Euros betrifft.
Wie schätzen Sie den Dollar gegenüber dem Yen ein?
Das hängt von der Entwicklung Japans ab. Ich bin optimistisch. Das Land machte eine sehr schlechte Zeit durch, durchschreitet aber derzeit den Tiefpunkt und schafft den Turnaround. Die Japaner arbeiten einige der faulen Kredite ab, die die Banken und das ganze Land paralysieren. Sie sind kurz davor, eine wirksame Reform des Bankensystems durchzuführen. Das ist der Schlüssel zum Turnaround. Japan ist ein reiches Land mit viel Wachstumspotenzial - das mehr als zehn Jahre unterdrückt wurde. Sobald Japan aus der Depression ausbricht, wird es jeden überraschen, wie rasch es wächst. Interview: Thomas Jahn, New York
Zur Person
Mit seinen Gedanken zum Staatsversagen und der Überlegenheit des Markts veränderte der 90-jährige Milton Friedman das Denken von Regierungen und Notenbanken in aller Welt. Friedman beriet die US-Präsidenten Ronald Reagan und Richard Nixon in Wirtschaftsfragen. Von 1946 bis 1983 war Friedman Professor in Chicago. 1976 erhielt er den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaft. Seine wichtigsten Bücher sind «Capitalism and Freedom», «Free to Choose», «Monetary History of the United States 1867-1960». Der Ã-konom lebt heute in San Francisco und arbeitet an der Hoover Institution der Stanford University. Derzeit setzt er sich intensiv mit dem Thema Chancengleichheit in der Bildung auseinander.
Quelle: Finanz und Wirtschaft, 2. April 2003
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