-->Leitartikel
Klappe halten, Helm festbinden
VONHERIBERTPRANTL
Es gibt eine überparteiliche Parole im Bundestag, ein Losungswort also, das in beiden großen Fraktionen gilt. Es heißt: Klappe halten; keine Kritik an der Führung! Für Parlamentarier, die sich nicht daran halten, haben Fraktionschefs und -geschäftsführer verschärfte Vernehmungsmethoden parat: Abgeordnete, laut Grundgesetz „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“, werden dann „zusammengebügelt“ und „zusammengefaltet“. Wenn das nicht hilft, gilt der Abgeordnete fürderhin als Außenseiter und, nächste Stufe, als Agent des politischen Gegners. So ist es bei der Union, wenn es um Krieg, Frieden und Kritik an der USAmania von Angela Merkel geht. Und so ist es bei Sozialdemokraten, wenn einer des Kanzlers „Reformen“ als Sozialabbau beschreibt; das Murren verstummt, wenn der Kanzler kommt. Dann muckt keiner mehr.
Die Sozialdemokraten im Bundestag haben also wenig Anlass, sich überheblich über die Christdemokraten zu äußern: Die Kritikfähigkeit der roten Fraktion ist so schwach ausgebildet wie die der schwarzen. Für beide Fraktionen gilt der bittere Satz, mit dem einst Heiner Geißler den Zustand der Unionsfraktion nach dem Ende der Ära Kohl beschrieben hat: konform, uniform, chloroform. Die Anpassungsbereitschaft ist überparteilich und fraktionsübergreifend. Man kann das noch verstehen, wenn es um große Abstimmungen im Bundestag geht - um harte Konfrontation zwischen Regierung und Opposition also. Der opulente Opportunismus hat aber längst die Fraktionssitzungssäle erreicht. Die jüngste Fraktionssitzung der Union, in der es um den Irak-Krieg ging, war ein besonders trauriges Beispiel: Die Fraktionen haben ihre eigenständige Rolle verloren. Gewissen hat Ruh. Die Kirchenreferenten schweigen. Die Protagonisten deutsch-französischer Freundschaft auch.
Die kriegskritische Position, die an der Basis und bei den Wählern der Union die klare Mehrheit hat, spiegelt sich bei den Unions-Vertretern „des ganzen Volkes“ nicht einmal in der Diskussion wieder. Stattdessen fügt sich die Unions-Fraktion dem Primitiv-Militarismus des Ex-Generals und brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm, der über den Krieg gar nicht mehr reden will, sondern die Deutschen nur noch vor der Entscheidung sieht, ob sie denn nun den Sieg von Saddam oder von Bush wollten. Also: Keine Diskussion mehr, Helm festbinden, nach vorne schauen - an der Seite von Bush und dann siegen.
Dass Merkel mit Bush siegt, ist indes ziemlich unwahrscheinlich. Es gilt deshalb als eines der großen Rätsel der deutschen Politik: Was reitet Angela Merkel, sich so unbedingt und so absolut zu Bush und zu dessen Krieg zu bekennen? Renegaten, so heißt es, seien halt so. Merkel aus dem kriegs- und amerikakritischen deutschen Osten müsse ihre US-Treue besonders beweisen. Es gibt auch den Verdacht, ihr Vorgänger Schäuble habe sie zu extremer Haltung angestiftet, um auf diese Weise seine Nachfolgerin politisch zu erledigen. Gäbe es eine solche diabolische Strategie - sie wäre immerhin partiell aufgegangen, auf den ersten Blick jedenfalls: An der Parteibasis, die ja für das Fortkommen Merkels in den vergangenen Jahren wichtig war, hat sie viel an Reputation eingebüßt; die zweihundert E-Mails, die sie täglich erreichen, sprechen eine deutliche Sprache.
Doch das bekümmert Merkel nicht besonders. Parteitaktisch hat sie sich erst einmal richtig verhalten, so nämlich, dass ihr keiner der Konkurrenten an den Karren fahren kann. Auch Roland Koch, obwohl er sich beim Aspen-Institut differenzierter geäußert hat, als dies Merkel tut, applaudiert ihr brav. Die Parteichefin hat den Kontrapunkt zu Schröder gesetzt und sich auf die sichere Seite im Parteiestablishment gestellt: Die Formel „in dubio pro USA“ gehört dort zum Glaubensbekenntnis, auch bei Schäuble.
Kleine Erinnerung: Merkel hat sich lange zum Krieg nicht eindeutig erklärt. Schröder sagte Nein zum Krieg, und Merkel sagte Nein zu Schröder. Mehr sagte sie erst nach ihrem USA-Besuch. Das heißt: Sie ist außenpolitisch leicht zu beeindrucken - vergisst aber dabei ihren Vorteil nicht. Mit ihrem Kurs rückt sie die CDU aus der Mitte nach diffus rechts, wo Merkel bisher nicht verortet wurde.
Das Bittere für sie ist aber, dass sie ihren US-Kurs so erbärmlich schlecht vertritt. Sie fördert so den Anti-Amerikanismus, dem sie doch entgegentreten will. Das kann auch den Groß-Atlantikern der Union nicht gefallen. Sie dekliniert unentwegt und stupide die Bündnistreue - zur Begründung fällt ihr aber nur ein, dass es erstens immer so war, und dass zweitens die Amerikaner die Stärkeren und Besseren seien. So dumm ist aber die Union nicht, dass sie sich damit zufrieden gäbe. Sie will gute Gründe für diesen Kurs hören, Gründe, die man in Diskussionen mit Anstand vertreten kann. Merkel hat sie nicht. Hätte sie, beispielsweise, frühzeitig gesagt, dass es gelte, die Diktatoren der Welt sukzessive zu beseitigen - vielleicht hätte man es ihr als Motivation für ihre Ami-Manie abgenommen. Heute glaubt ihr das keiner mehr.
Merkel wird zu einer Unionschefin, die absolut nicht zu sagen weiß, was man schon immer wissen wollte. Das bedeutet rapiden Glaubwürdigkeitsverfall. Davor retten sie weder Bush noch eine kuschende Unions-Fraktion.
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