--> Berlin, 03. Apr (Reuters) - Bundeskanzler Gerhard Schröder
(SPD) hat als Konsequenz aus dem Streit um den Irak-Krieg eine
politische und militärische Stärkung Europas als Gegengewicht zu
den USA gefordert.
"Wenn wir aber wollen, dass... unsere Interessen und
Vorschläge mehr Gehör finden, dann müssen wir in erster Linie
Europa dazu in die Lage versetzen: und zwar als ein Europa, das
mit einer Stimme spricht", sagte Schröder am Donnerstag in
seiner ersten Regierungserklärung seit Beginn des Irak-Kriegs
vor zwei Wochen. Er betonte, die Stärkung der europäischen
Verteidigungspolitik richte sich nicht gegen Nato und USA,
sondern sei in deren Interesse. Demonstrativ sprach er sich mit
Blick auf den Verteidigungsgipfel mehrerer EU-Staaten Ende April
dafür aus, Großbritannien als engsten Verbündeten der USA im
Irak-Krieg einzubeziehen. Das Verhältnis zwischen EU und USA
steht auch im Zentrum eines Besuchs von US-Außenminister Colin
Powell in Brü ssel.
"EUROPA MUSS ANGESICHTS VON UNGLEICHGEWICHT STÄRKER WERDEN"
Die gemeinsame Außenpolitik der Europäischen Union (EU) ist
durch den innereuropäischen Streit um die Haltung zum Irak-Krieg
in den vergangenen Monaten in eine tiefe Krise geraten. Mit
Frankreich und Deutschland auf der einen und Großbritannien und
Spanien auf der anderen Seite hatten die vier größten Staaten
gegensätzliche Positionen vertreten. Vor dem Hintergrund der
Spaltung wollen Frankreich, Deutschland, Belgien und Luxemburg
am 29. April über mehr verteidigungspolitische Zusammenarbeit
beraten. Zur Überwindung der Spaltung und für eine größere
militärische Rolle der EU gilt die britische Beteiligung als
entscheidend.
Schröder deutete an, dass er ein stärkeres Europa als
Gegengewicht zu den USA sieht:"Es wäre fatal, wenn dieses
integrierte Europa gerade angesichts neuer Ungleichgewichte in
der Welt seiner Verantwortung nicht gerecht würde." Dabei könne
es sich um den Versuch gehen, militärisch zu den USA
aufzuschließen oder sich für eine Rolle als Weltpolizist zu
rüsten."Europa muss seine Fähigkeiten so weiterentwickeln, dass
sie unserem Engagement und unserer Verantwortung für
Konfliktprävention und Friedenssicherung entsprechen."
Als Beispiel wies er auf den Friedenseinsatz in Mazedonien
hin, den die EU am Montag von der Nato übernommen hat. Als erste
Folge einer stärkeren verteidigungspolitischen Zusammenarbeit
der EU könnten künftig europäische statt nationale Truppen an
Blauhelm-Einsätzen der Vereinten Nationen (UNO) teilnehmen.
SCHRÃ-DER BETONT EINLADUNG ZU MITARBEIT GROSSBRITANNIENS
Schröder betonte, die stärkere verteidigungspolitische
Zusammenarbeit, die bei dem von Belgien vorgeschlagenen Gipfel
Ende April beraten werden soll, müsse allen EU-Staaten offen
stehen:"Bei der Initiative kann und darf niemand ausgeschlossen
werden." Sie richte sich nicht gegen Nato und USA:"Sie dient
(der Nato) und damit den transatlantischen Beziehungen."
Mehrfach unterstrich Schröder die Bedeutung Großbritanniens
für die politische und militärische Stärkung der EU:"Ohne
umfassende Zusammenarbeit mit Großbritannien und auch den
anderen Mitgliedern des gemeinsamen Europa werden wir die
internationale Verantwortung nicht tragen können." Die Teilnahme
anderer EU-Staaten außer Frankreich, Deutschland, Belgien und
Luxemburg an dem Treffen ist noch offen.
Die Stärkung der europäischen Verteidigungspolitik ist ein
konfliktreiches Dauerthema der EU: Sie hat die Aufstellung einer
60.000 Mann starken Armee zur Krisenprävention und
Friedenssicherung beschlossen. Ihr Aufbau kommt jedoch langsamer
voran als von den Initiatoren erhofft. Obwohl die EU betont, die
Truppe solle die Nato ergänzen, nicht ersetzen, gibt es in den
USA Skepsis. Für die militärische Stärkung der EU haben
Deutschland und Frankreich auch gemeinsame Militär- und
Rüstungspläne angeregt.
VERHÄLTNIS EU-USA IM ZENTRUM VON POWELL-BESUCH IN BRÜSSEL
Die Rolle Europas im Zusammenhang mit dem Irak und im
Verhältnis zu den USA dürfte das Treffen von US-Außenminister
Powell mit seinen Kollegen der EU- und der Nato-Staaten am
Nachmittag in Brüssel bestimmen. Dabei soll es um Perspektiven
für die Nachkriegszeit im Irak gehen. Mit besonderer Spannung
wird auch die Atmosphäre der Begegnungen angesichts der scharfen
Auseinandersetzungen unter anderem Frankreichs mit den USA und
Großbritannien beachtet.
Schröder betonte in seiner ersten Regierungserklärung seit
dem Kriegsbeginn vor zwei Wochen die entscheidende Rolle der UNO
für den Wiederaufbau und die Nachkriegsordnung Iraks. Auch diese
Frage ist zwischen den USA und EU-Staaten strittig. In Brüssel
tagt am Donnerstag und Freitag auch der Konvent zur Reform der
EU-Institutionen. Schröder bekräftigte den deutsch-französischen
Vorschlag für die Schaffung eines EU-Außenministers, der
ebenfalls die internationale Rolle Europas stärken solle.
|