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Wem gehört Deutschland?
- UND wer profitiert von Deutschlands
gigantischen Schulden???
Rubrik: Reality schulden, deutschland, staatsverschuldung,
brd, bundesrepublik
08.05.2003 Beim Baukonzern Holzmann war’s
im März so weit, das Luft- und
Raumfahrtunternehmen Dornier, der
Papierkonzern Herlitz und der Medienmogul
Kirch folgten im April. Alle mussten Insolvenz
anmelden. 2002 - das Jahr der Rekordpleiten.
Wer betroffen ist, ist verzweifelt, wer nicht
betroffen ist, ist froh, es nicht zu sein.
PANORAMA
Nr.
612
vom
18.4.2002:
Dabei
sind
wir
eigentlich
alle
verschuldet,
und
zwar
heillos, mit einer unvorstellbar hohen Summe von 1
Billion Euro - das sind ganz nebenbei bemerkt
schon mal Tausend Milliarden. Dann noch weitere
226 Milliarden obendrauf und noch ein paar
Millionen hinterher. Denn die Bundesrepublik
Deutschland selbst steht am tiefsten in der Kreide.
Aber bei wem eigentlich? Das ist ein wohlgehütetes
Geheimnis. Wer wissen will, wem diese Republik
eigentlich wirklich gehört, tut sich schwer. Meine
Kollegen sind der deutschen Schuldenspur gefolgt.
Kommentar:
Hans Eichel hat es eilig: In zwei Jahren will er
Schluss machen mit der Schuldenpolitik seiner
Vorgänger. Der Sparkommissar im Wettlauf gegen
die rasende Staatsverschuldung. 10.000, 11.000,
12.000, 13.000 Euro. In den wenigen Sekunden,
die Eichel morgens bis in sein Büro braucht, hat
Deutschland schon wieder 80.000 Euro Schulden
mehr. Deutschlands Schulden, eine unvorstellbare
Summe: 1.226 Milliarden und viele Millionen Euro.
Und sie tickt unbarmherzig weiter, die Schuldenuhr,
die der Steuerzahlerbund aufgestellt hat.
0-Ton Hans Eichel:
(Bundesfinanzminister)
“Da tickt eine Zeitbombe, und das heißt, wir haben
durch Schulden in der Vergangenheit einen Großteil
unserer Zukunft verfrühstückt. Und deswegen
können wir so nicht weitermachen.”
Kommentar:
Eine Nobeladresse im Frankfurter Norden. Hier
sitzen die Leute, die Deutschlands Schulden
managen. So effizient wie möglich Geld für den
Bund beschaffen, die Aufgabe der Elitetruppe in
der Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur
GmbH. Ganze sieben Händler jonglieren hier mit
den Staatsmilliarden. Hat der Bund etwa am
Morgen zu wenig Geld, um seine Rechnungen zu
bezahlen, wird das kurzerhand besorgt:
Schnellverschuldung.
0-Ton Thomas Weinberg:
(Chefhändler, Finanzagentur)
“Heute konkret war es zum Beispiel so, dass wir
eine Summe von etwa vier Milliarden Euro im
Markt aufnehmen mussten.
Interviewer:
“Also, die Bundesrepublik Deutschland braucht
heute vier Milliarden Euro.”
Thomas Weinberg:
“Wir rufen an, und wenn der Kontrahent eben
grade dieses Volumen zur Verfügung hat, dann
versuchen wir uns auf einen Zinssatz zu einigen.
Und dann ist das Geschäft gemacht, und das Geld
fließt in unsere Kassen.”
Kommentar:
Geräuschlos und diskret werden Milliarden für
Deutschland besorgt. Auch die
schwindelerregenden Schuldensummen, die die
Agentur auf dem Markt hin und her verschiebt, sind
hier Alltag.
0-Ton Gerhard Schleif:
(Geschäftsführer, Finanzagentur)
“An diese Zahlen gewöhnt man sich, ob da drei
Nullen mehr dranhängen oder drei Nullen weniger,
das geht in Fleisch und Blut über, das lässt einen
nicht mehr schlecht schlafen.”
Kommentar:
Auch nicht der Handel mit Schatzanweisungen, den
langfristigen Schuldscheinen der Republik. Der
Staat als Schuldner ist so begehrt, dass die Banken
sich überbieten, um ihm Geld zu leihen.
0-Ton Gerhard Schleif:
“Wir haben heute zum Beispiel sechsmonatige
Schatzanweisungen des Bundes verauktioniert. Das
heißt. Wir bieten die einer bestimmten
Bankengruppe an. Und wir wollten eigentlich fünf
Milliarden aufnehmen, und die Banken haben uns
Gebote für 17,3 Milliarden eingereicht.”
Kommentar:
Denn für sie kann der Staat nicht genug Schulden
machen: Die Banken - Profiteure der
Verschuldung. Für jeden Kredit kassieren sie
Zinsen und Provisionen, jedes Jahr zig Milliarden
Euro. Ein Bombengeschäft und ganz diskret
abgewickelt.
Kein Wunder, dass die Liste der Gläubigerbanken
nicht unbedingt an die Ã-ffentlichkeit soll. Denn
ihnen gehört Deutschland. Ganz oben die Deutsche
Bank, dann Morgan Stanley, Dresdner Bank,
Merrill Lynch - die Crème de la Crème der
internationalen Hochfinanz. Kreditsummen und
Zinsgewinne werden gehandelt wie
Staatsgeheimnisse, Interviewanfragen zwecklos.
Die Deutsche Bank: kein Kommentar. Die
Dresdner Bank: kein Kommentar. Die
Commerzbank: kein Kommentar. Die Banken
kassieren, Eichel zahlt, der Steuerzahler haftet.
0-Ton Hans Eichel:
(Bundesfinanzminister)
“Das machen wir jetzt seit über dreißig Jahren,
zahlen auch nichts zurück. Wenn ein Kredit fällig
wird, wird ein neuer aufgenommen, um den alten
abzulösen.”
Kommentar:
Die Chronik der Schuldenmacher:
1971. Der letzte Aufstand der Anständigen.
Bundesfinanzminister Möller tritt zurück. Der
Grund: In zwei Amtsjahren ganze drei Milliarden
Euro neue Schulden. Der Neue hält es nur ein Jahr
aus. Karl Schiller sagte damals, er könne keine
Politik machen unter dem Motto “Nach mir die
Sintflut”. Rücktritt wegen zwei Milliarden
Neuverschuldung.
1972. Der Nachfolger hatte weniger Skrupel:
Finanzminister Helmut Schmidt machte fünf
Milliarden Euro Schulden - und wurde Kanzler.
Die Gesamtschulden von Bund, Ländern und
Gemeinden damals: 91 Milliarden Euro.
1974. Mit ihm ging die Schuldenparty richtig los:
Hans Apel. Sorglos und unbekümmert der
Aufbruch in den Schuldenstaat. Finanzminister
Apels Bilanz nach vier Jahren: 33,5 Milliarden Euro
Neuverschuldung.
1978. Hans Matthöfer, der nächste Finanzminister,
sorgt für noch verrücktere Schuldenrekorde. 56
Milliarden Euro Miese. Sein Kanzler: Helmut
Schmidt. Und die CDU versprach, alles besser zu
machen
Wahlspot:
“Lassen Sie uns den SPD-Staat stoppen.”
0-Ton Gerhard Stoltenberg:
“Mit der hemmungslosen Schuldenmacherei der
Regierung Schmidt/Genscher kann es so nicht
weitergehen.”
Kommentar:
CDU-Wahlsieg: Stoltenberg war nun selbst
Kassenwart. Vorher große Worte und dann doch
wieder neue Schulden: 75 Milliarden.
1989. Theo Waigel und die deutsche Einheit -
natürlich kreditfinanziert. Die Schulden
explodierten: Waigels Horrorbilanz: 428 Milliarden
Euro neue Schulden.
1998 standen Bund, Länder und Gemeinden mit
über 1,1 Billionen Euro in der Kreide. Heute sind
es schon wieder 100 Milliarden mehr. Und auch in
diesem Jahr macht Hans Eichel wieder neue
Schulden: rund 21 Milliarden Euro nur für den
Bundeshaushalt.
Bad Homburg, eine Idylle. Hier wird über Eichels
Schulden Buch geführt, in der
Bundeswertpapierverwaltung. Schuldenverwaltung
hieß die Behörde bis vor kurzem, doch das klang
zu negativ. Überhaupt war früher vieles anders: Die
Schulden wurden noch mit Tinte in dicke Folianten
eingetragen. Das Schuldbuch aus einer Zeit, als die
Staatsverschuldung noch zwischen zwei
Buchdeckel passte. Heute ist der horrenden
Schuldensumme nur noch mit Großrechnern
beizukommen. Das Schuldbuch 2002 - eine
Computerdatei. Und die Post an die Gläubiger
muss schneller produziert werden, um mit der
Verschuldung Schritt zu halten.
Schuldscheinquittungen im Sekundentakt. Auch in
Bad Homburg sind Deutschlands Schulden grauer
Alltag.
0-Ton Knut Kage:
(Präsident, Bundeswertpapier-Verwaltung)
“Wir streben keine höhere Bundesschuld an, etwa
um Arbeitsplätze hier zu halten. Wir haben genug
andere Aufgaben. Wir wollen ordentlich und
flexibel weiterarbeiten.”
Kommentar:
Ordentlich und flexibel in die Pleite. Viel Zeit bleibt
Eichel nicht, um die Wende noch zu schaffen. Denn
so bankrott ist der Staat: 752 Milliarden Euro hat
sich allein der Bund seit 1980 geliehen. Das Geld
wurde komplett gefressen von den 903 Milliarden
Euro Zinsen, die er für diese Kredite zahlen musste.
0-Ton Wolfgang Kitterer:
(Schuldenexperte Universität Köln)
“Die Schulden werden immer höher sein, auf
Dauer, als das, was man sich durch Kredite erkauft
hat. Das heißt, es ist ja jetzt auch schon
festzustellen, dass die Defizite, die man macht, auf
Dauer nicht ausreichen können, um die Zinslast
abzudecken. Was bedeutet das wiederum? Dass
man zusätzliche Zinslasten wiederum über Steuern
finanzieren muss. Also resultiert aus der
Staatsverschuldung letztlich nur eine höhere
Steuerlast. Man hat niemandem etwas Gutes getan,
es sei denn den Wertpapierhaltern.”
Kommentar:
Eichel, der Schuldenkiller? Tatsächlich ist sein
Sparprogramm nur ein ganz bescheidener Anfang.
Denn das ist Deutschlands Schuldenberg: 1.200
Milliarden Euro. Was Eichel einsparen will, ist
lediglich die Neuverschuldung - derzeit ganze 42
Milliarden. Vom Abbau des gigantischen
Schuldenberges ist noch gar nicht die Rede.
Jetzt hat Eichel versprochen, spätestens 2006
keinen Cent neue Schulden mehr zu machen. Doch
ein Hintertürchen hält auch er sich noch offen.
0-Ton Interviewer:
“Sie legen Ihre Hand dafür ins Feuer, dass es 2006
eine Null gibt?”
Hans Eichel:
“Wir setzen alles daran. Alles, was wir tun können,
tun wir. Was Sie nie im Griff haben, ist die
Weltkonjunkturentwicklung. Wenn es eine große
Rezession gibt, sieht natürlich die Welt anders aus.”
Kommentar.
Der Schuldenuhr ist die Konjunktur egal, sie tickt
unerbittlich weiter.
0-Ton Friedrich Halstenberg:
(ehem. Finanzminister NRW)
“Es ist auch durchaus möglich, dass wir unsere
Staatsfinanzen ganz zu Grund richten. Noch ein,
zwei Jahrzehnte weiter in dieser Musik, dann gibt
es einen anderen Staat.”
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