>Lieber dottore,
>wie herrlich produktiv doch solche Diskussionen sind. Dies ist nämlich genau der Punkt, an dem ich mit Heinsohn und Steiger immer hänge. Dieser hier:
>"Geld kann jeder produzieren, der Schulden macht. Aber ob er sie macht, ist eben die Frage!"
>Hierüber geht auch der ganze Streit zwischen Berliner und Bremer Schule. Ich will versuchen, dies aus meiner Sicht auf den Punkt zu bringen. Anschließend muss ich leider los. Ich werde die Antwort lesen - und dann darauf am Wochenende/Wochenanfang neu eröffnen:
>1) Heinsohn und Steiger sagen: Die Eigentumsprämie ist der entscheidende Preis in einer Volkswirtschaft, sprich: die Neigung, sich zu verschulden und dafür Sicherheiten einzusetzen.
Die Eigentumsprämie schätze ich nicht sehr, weil sie das Ganze unnötig kompliziert. Ich beginne lieber mit der Schuld (daher das Urschuld-Konstrukt). Wer mit seiner Urschuld nicht klar kommt und nicht unter der Last dieser Schuld physisch abgehen will (buchstäblich), muss jemand finden, der ihm beim Abtragen dieser Schuld hilft. Tut der es nicht freiwillig (Familien-, Stammesmitglied) muss ich ihm etwas dafür anbieten, z.B. wenn er mir Getreide gibt nicht nur das Versprechen, dass ich das zurückgebe, sondern auch eine Sicherheit, in die der andere vollstrecken kann, falls ich das Getreide nicht zurückgebe. Und überdies eine Sicherheit, dass das Getreide beim Zurückgeben - relativ zu anderen Waren usw. - genau so iele wert ist wie zum Zeitpunkt des Verliehens.
Die erste Besicherung geschieht durch ein Zugriffsrecht auf Eigentum. Das kann mein Eigentum sein (sogar, bei Schuldknechtschaft, das Zugriffsrecht auf Familienmitglieder, die dann als Schuldknechte abrücken müssen).
Nun kommt der Punkt: Ich kann das Zugriffsrecht auf mein Eigentum (z.B. einen fungible Hypothek) ausstellen aber ein anderer kann es auch und zwar jemand, der keine Probleme hat. Beide Zugriffsrechte werden unschwer kursant gemacht und jeder wird sie akzeptieren, da er ja jederzeit in Eigentum vollstrecken kann.
Aber welches kursant gemachte Eigentum ("Geld" ist der entsprechende Vollziehungstitel) wird derjenige bevorzugen, der zum Schluss das Getreide rausrücken soll? Das des bereits in Schwierigkeiten steckenden Schuldners oder das des problemlosen Eigentümers? Mit Sicherheit das des zweiten. Damit der Zweite gegenüber dem potentiellen Schuldner auf sein Eigentum theoretisch verzichtet, indem er es belastet (ohne dazu gezwungen zu sein!), muss der Ausleiher des"Geldes", der Problemmann also, etwas bieten, die Eigentumsprämie eben. Er gibt dann das"Geld" dem, der Überschussgetreide hat, und fertig. Er muss nur dafür sorgen, dass er das"Geld" wieder zurückkriegt, damit er es an den Eigentümer, der sein Eigentum belastet hat, wieder zurückgeben kann.
Was der Getreidemann mit dem Geld macht, ist seine Sache. Er wird es unschwer wieder los, weil das Geld ja durch das Eigentum (siehe oben)"gedeckt" ist. Er könnte sich sogar von einem zweiten Getreidemann das Getreide wieder holen, das er eben dem in Not geratenen Schuldner gegen das Geld überlassen hat.
Er wird mit Sicherheit das geld nicht bei sich aufbewahren (wie vorher das Getreide), ergo läuft das Geld"um".
Nun aber zur zweiten Sicherheit, nämlich der Garantie für den Getreidemann, dass er Getreide auch im Preis relativ zu anderen Preisen konstant zurück erhält. In einer Notlage hat Getreide natürlich ein Aufgeld (z.B. bei Missernten). Zahlt der Schuldner zurück, kann eine Zeit des Überschusses an Getreide angebrochen sein und das Getreide, das er zurück bekommt, ist weniger"wert".
Der Ausgleich für diese Differenz ist m.M. nach der"Zins". Ich habe dies ausführlicher in der"Krisenschaukel" dargestellt. Der Zins verhindert, dass sich der Verleiher im Zeitablauf wirtschaftlich verschlechtert.
Wie sich der Zins zur Eigentumsprämie verhält, ist nicht ganz klar. Bei einen einzigen Kontrakt zwischen Nicht-Getreide-Habendem und Getreidemann kann der Zins nur das sein, was ich im Sinne habe. Denn dann brauche ich nicht den Dritten, der sein Eigentum ohne Not belastet, um die Eigentumsprämie zu kassieren.
Bei mehreren, die am Ganzen teilnehmen, dürfte die Differenz zwischen Ausgeliehendem und Zurückgegebenen ein Mix aus beidem sein. Die Eigentusmprämie allein würde nur ziehen, wenn es keinerlei Preisveränderungen (auch keine in der Zukunft erwarteten ) gibt, weil der potentielle Schuldner nicht Opfer einen (viele betreffenden) Missernte ist, sondern z.B. aufgrund eigenen ökonomischen Versagens (Unfall, Krankheit).
In der Richtung sollte das Ganze laufen. Also Einzefall: Zins = Eigentumsprämie. Allgemeines problem: Zins = Preisdifferenz zwischen schlechten und guten Zeiten plus (möglicherweise) Eigentumsprämie.
>2.) Die Berliner kontern: Eine (Theorie der) Geldwirtschaft zeichnet sich dadurch aus, dass in ihr die Geldsphäre die Realsphäre steuert/dominiert. Doch dies kann bei Heinsohn und Steiger nicht der Fall sein, weil hier stets die Ressourcensphäre (Sicherheiten: Gold, Immos...)entscheidend ist.
Natürlich steuert die Geldspähre die Realsphäre, nachdem der Prozess einmal in Gang gekommen ist. Letztlich ist bei der Ressourcensphäre auch nicht die Sicherheit als solche entscheidend, sondern a) die Zugriffsmöglichkeit auf das Eigentum (muss gerichtsverwendbar sein) und b) die Tatsache, dass die Ressource auch was"bringt". Bei Land muss das Bringen darin bestehen, dass es Erträge abwirft, denn ertragsloses Land ist wertlos (mal Aufenthaltszwecke ausgenommen). Und bei Edelmetall muss es eine allgemeine Nachfrage danach geben, sonst ist es wertlos, da es (siehe Aristoteles) keinen Ertrag bringt (ou tokos). Diese Nachfrage wiederum leite ich daraus ab, dass die Verfallskurve von Gold z.B. über die Zeit eine Parallele zur Zeitachse ist, während alle anderen Güter über kurz oder lang verschwiemeln. Es ist also sinnvoller Gold aufzubewahren als Getreide.
Gäbe es kein Edelmetall auf Erden, sondern nur verderbliche Güter, hätten wir einen reinen Kreditgeldstandard im oben beschrieben Sinne. Beide Ansätze haben also eine Menge für sich, aber sie stellen möglicherweise ihre Theorien zu kompliziert dar. Ich habe es da mit meinem bescheidenen Ansatz ("am Anfang stand die Schuld") also erheblich leichter und kann beide Theorien unschwer unter meine subsumieren. Es sind quasi Spezialfälle, die dann Probleme bereiten, wenn man sie verallgemeinert. Dann muss zu Hilfskonstruktionen gegriffen werden, die nicht weit genug zurück reichen in dem Sinne, dass sie das Urproblem nicht als gegeben voraussetzen, sondern immer erst"einführen" müssen (Eigentum, Krisensituation, Geld, Edelmetall usw.).
>Mein Kommentar dazu: Heinsohn und Steigers System ist in sich geschlossen, benötigt dafür aber ebenso wie die Neoklassik kein Geld.
Das seh ich anders. Sie brauchen für den"Start" kein Geld, weil sie das ja erst erklären wollen. Daher ja auch der Titel"Eigentum, Zins und Geld". Danach aber geht's nur mit Geld weiter.
Ich schlage vor, das Ganze Mal ohne Eigentum an Land, Sachen, Metall usw. durchzuspielen und zwar nur mit Hilfe von Eigentum an sich selbst. Bin ich in Not, verpfände ich mich oder"mir gehörende" Familienmitglieder (Schuldknechtschaft) und arbeite dann das Geliehene ab (und decke natürlich nebenbei auch noch meine stets vorhandene Urschuld).
Es gäbe auch die Möglichkeit, das eine Dritter, der nicht in Not ist,"Schuldscheine" auf sich selbst zieht, die dann ebenfalls als Geld kursieren können, jedenfalls so lange der Betreffende am Leben ist (auch eine Unsicherheit).
Die ökonomische Theorie erweist sich in diesem Punkt als unvollständig, da sie eine"humane" Theorie sein will und so etwas wie"Eigentum" an sich selbst und daraus abgeleitete potentielle Schldknechtschaft nicht mit ins Kalkül einbezieht.
Wenn wir uns aber darüber hinweg setzen, löst sich der Knoten sofort auf. Und wenn jetzt jemand sagt, ich würde hier für Sklaverei plädieren, dann muss ich das aus dem Grund, endlich eine durchgehend stringente Theorie auf den Tisch legen zu können, auf mir sitzen lassen.
>Rieses, sprich das Berliner System, ist ebenso geschlossen. Entscheidender Preis hier die Liquiditätsprämie, sprich die Entscheidung Geld zu halten oder es aufzugeben. Nachteil allerdings: Die Aktivseite (Entscheidung, welche Aktive die Zentralbank ankauft, kann hier nicht thematisiert werden - bzw. ist unwichtig, ja muss unwichtig bleiben.)
Dies ist nicht so gut. Denn dann könnte jeder, der unbelastetes Eigentum hat, sich vorwerfen lassen, er hielte Liquidität, da er ja unschwer sein Eigentum belasten kann und das so gewonnene"Geld" (den Titel auf das Eigentum) sinnlos bei sich rum liegen ließe. Das Problem, Geld zu halten oder nicht existiert nur, nachdem es Geld gibt. Und es gibt ja wohl keinen Menschen, der Geld hält, um es sich anzuschauen. Was also soll eine"Liquiditätsprämie" sein?
>Viele Grüße ins Wochenende
>BN
Viele Grüße zurück
d.
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