-->Ausgabe vom Sonntag, 8. Juni 2003
Die US-Bundesstaaten stehen vor dem Ruin. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg muss jetzt angesichts der Finanzmisere sogar die Steuern erhöhen
von Michael Remke
Als Michael Bloomberg nach seinem Wahlsieg in die City Hall einzog, kündigte er an, New York künftig wie ein Unternehmen zu führen. Der neue Bürgermeister und erfahrene Geschäftsmann wollte die Verwaltungskosten drücken, Schulden abbauen, den Haushalt ausgleichen, neue Arbeitsplätze schaffen und das Schul- sowie Gesundheitssystem reformieren.
Eines wollte der Milliardär und vermögendste Stadtvorsteher in Amerika aber unter allen Umständen verhindern: Steuererhöhungen.
Zwei Jahre nach seinem Amtsantritt ist von den Ankündigungen nichts mehr übrig. Bloomberg, im Nebenjob Chef des gleichnamigen Medien- und Finanzkonzerns, ist mit seinem Unternehmen New York City reif für den Weg zum Konkursverwalter.
Die Welt-Metropole steht vor dem finanziellen Kollaps. Im gerade debattierten 40-Milliarden-Dollar-Haushalt für das kommende Jahr klafft eine gigantische Lücke von 3,8 Milliarden Dollar. Die Gründe für die prekäre Lage der Stadt sind offenkundig: Die Kosten für Verwaltung, Terrorsicherung und die Gesundheitsversorgung"Medicaid" - zurzeit 3,5 Milliarden Dollar im Jahr - scheinen nicht unter Kontrolle zu bringen sein. Die öffentlichen Schulen stehen bereits vor dem Bankrott.
Auch auf dem New Yorker Arbeitsmarkt hat sich die Situation nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center noch immer nicht entspannt. Die Stadt hat bis heute als Folge der Anschläge eine Viertelmillion Jobs verloren, die meisten davon im Finanzbereich. Die Arbeitslosenquote liegt mit 8,8 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt von sechs Prozent.
Hilfe vom Bundesstaat New York oder gar von der Bush-Regierung in Washington kann Michael Bloomberg - geschätztes Privatvermögen 4,8 Milliarden Dollar - kaum erwarten.
Der Staat New York steckt mitten im Abwärtsstrudel der 50 Bundesstaaten, die im kommenden Jahr ein Haushaltsdefizit von 80 bis 85 Milliarden Dollar zu schließen haben. Spitzenreiter ist Kalifornien mit einem Haushaltsfehlbetrag von 38,2 Milliarden Dollar. Gefolgt von New York. Der republikanische Gouverneur George Pataki grübelt in seinem Amtssitz in Albany in Upstate New York gerade darüber nach, wie er in seinem 92-Milliarden-Dollar-Haushalt eine Lücke von 11,5 Milliarden Dollar schließen kann. Denn Kalifornien wie auch New York sind wie die anderen Bundesstaten - Ausnahme ist nur Vermont in New England - per Gesetz dazu verpflichtet, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.
Entlastung werden wohl auch die 20 Milliarden Dollar nicht bringen, die US-Präsident George W. Bush den Bundesstaaten versprochen hat. Denn was das Weiße Haus den Bürgern zurückgibt, sammeln die Landesfürsten gleich wieder ein. Sechs Bundesstaaten haben bereits die Tabaksteuer drastisch erhöht, zehn weitere denken darüber nach. Andere wollen die Mehrwertsteuer anheben, und wieder andere denken daran, die Steuerschraube beim Einkommen anzusetzen. Um ihren Haushalt auszugleichen, streichen die meisten ihre Verwaltung zusammen, kürzen ihre Dienstleistungen oder erhöhen die Gebühren unter anderem für Müllabfuhr, Autozulassungen und Studium. Besonders schlimm trifft es die Bürger, denen die Zuschüsse für die Krankenkasse gestrichen werden sollen. Insgesamt 1,7 Millionen Menschen wären davon betroffen. Die dringend notwendige Reform des Schulsystems wird in vielen Staaten ohnehin erst einmal verschoben. Denn das von Präsident Bush während des Wahlkampfes angekündigte Bildungsprogramm drückt wie auch der"Terror-Heimatschutz" in erster Linie die Bundesstaaten. Von den versprochenen Bundeszuschüssen von 3,5 Milliarden Dollar haben die Gouverneure bisher wenig gesehen. US-Präsident George W. Bush steht das Geld einfach nicht zur Verfügung. Seine Kassen sind leer. Das Land steuert nach dem Irak-Krieg und dem Steuerpaket auf ein rekordverdächtiges Haushaltsdefizit von 400 Milliarden Dollar in diesem Jahr zu. Und auch die vom Kongress genehmigte Schuldenhöhe von sechs Billionen Dollar wird die USA wohl 2004 überschreiten. Viel Hilfe von außen kann Michael Bloomberg angesichts der Gesamtsituation also nicht erwarten. Die Sanierung seines Budgets muss der Politiker selbst übernehmen. Zwei Vorschläge hat der 61-Jährige in den vergangenen Wochen dafür vorgestellt. Den"schmerzhaften Haushalt" und den"Weltuntergangs-Haushalt", wie er sie selbst sarkastisch bezeichnet. Das bessere Szenario sieht zum Beispiel die Entlassung von 4500 Verwaltungsbeamten und die Kürzung verschiedener Dienstleistungen vor. Beim"Doomsday-Budget" schlägt Bloomberg dagegen kräftig zu: 14 500 Beschäftigte will"Major Mike" auf die Straße setzen, 40 Feuerwehr- und zahlreiche Polizeistationen sollen geschlossen werden. Für 300 Streifenpolizisten gilt dabei schon heute, dass sie ihr Gehalt mitfinanzieren müssen: Mindestens 1,7 Millionen Dollar, so die Vorgabe, müssen sie über Park-Tickets zusätzlich einnehmen, sonst drohen Stellenstreichungen.
Doch selbst dramatische Einschnitte reichen nicht mehr aus. Was bleibt, sind Steuererhöhungen. Dabei scheinen der Phantasie der Bloomberg-Regierung kaum Grenzen gesetzt zu sein. Neben einer Anhebung der Gewerbe- und Eigentumsteuer soll selbst auf Autoreifen eine Zusatzsteuer erhoben werden. Was die New Yorker allerdings täglich spürbar treffen wird, ist die bereits beschlossene Erhöhung der Mehrwertsteuer. Nachdem Bloomberg das von seinem Vorgänger Rudolph Giuliani eingeführte steuerfreie Einkaufen von Kleidung im Wert bis zu 100 Dollar kurzerhand abgeschafft hat, soll jetzt zusätzlich auch noch die Mehrwertsteuer von 8,25 auf 8,625 Prozent angehoben werden.
Bei solchen unpopulären Maßnahmen bleibt die Kritik an Bloomberg nicht aus: Nach der jüngsten Umfrage sind nur noch 32 Prozent der New Yorker mit seiner Amtsführung zufrieden - das schlechteste Ergebnis für einen Bürgermeister in den vergangenen zehn Jahren. Michael Bloomberg scheinen diese Ergebnisse zurzeit noch wenig zu interessieren."Niemand liebt Steuererhöhungen", sagt der Unternehmer."Doch die Leute werden bald merken, dass sie notwendig sind und die Stadt voranbringen."
Artikel erschienen am 8. Jun 2003; Welt am Sonntag
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