-->US-Finanzwelt vor Megapleite
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[i]Von Ulrike Sosalla, New York
[/i]„Die Bilanzprobleme des Hypothekenfinanzierers Freddie Mac ängstigen ganz Amerika. Sie drohen sich zu einem Skandal auszuweiten, der für die Finanzmärkte und die US-Konjunktur schlimmer wäre als die Pleiten von Enron und Worldcom.
(...) Und Freddie Mac ist mehr als Enron oder Worldcom, das Finanzinstitut ist viel größer und deutlich wichtiger für Amerikas Konjunktur und Märkte.
Schaden für gesamte Immobilienbranche
Ein Zusammenbruch würde die Wirtschaft tief erschüttern. "Sollte Freddie Mac von einem Fehler oder einem Schock erschüttert werden, könnte das Ergebnis eine Krise der Finanzmärkte sein, die der Eigenheimbranche und der Wirtschaft beträchtlichen Schaden zufügen würde", warnt William Poole, Präsident der Federal Reserve von St. Louis.
Gemeinsam mit seiner Schwesterfirma Fannie Mae finanziert Freddie Mac fast die Hälfte aller Eigenheimhypotheken des Landes: Sie kaufen Banken die Hypotheken ab, schnüren sie zu Paketen und reichen sie an Investoren weiter.
So sichern die beiden dem boomenden Immobilienmarkt die niedrigen Zinsen, die ihn am Laufen halten. In Freddie Macs Büchern steht die enorme Summe von 1300 Mrd. $ an Hypotheken, Anleihen und anderen Wertpapieren.
Vor einer Woche erschreckte dann eine Nachricht die Ã-ffentlichkeit: Freddie Mac entlässt seinen Präsidenten und nimmt den Rücktritt des Vorstandschefs und des Finanzvorstands an. Damit rückt eine Bilanzkorrektur ins Rampenlicht, die bis dahin kaum jemand beachtet hat.
Investoren kommen ins Zweifeln
(...) Nach dem Rauswurf der Führungsspitze ist das Vertrauen der Investoren stark getrübt. "Das zeigt, dass Fannie Mae und Freddie Mac Schwierigkeiten haben, obwohl der Eigenheimmarkt noch boomt", urteilt John Talbott. Der Finanzfachmann sagt in seinem gerade erschienenen Buch"Der kommende Crash im Eigenheimmarkt" einen Zusammenbruch des Marktes vorher. "Dies ist das erste große Ereignis, und eine Menge anderer schlechter Nachrichten wird noch kommen."
Die breite Ã-ffentlichkeit ist in großer Sorge. Zu sehr fühlen sich die Anleger an die ersten Wochen des Enron-Skandals erinnert: So hat auch Freddie Mac Bilanzprobleme, deren Ausmaß das Unternehmen erst Monate später genau beziffern will; und die Unstimmigkeiten sind unter dem Wirtschaftsprüfer Arthur Andersen entstanden.
Manager verschwinden ohne Erklärung
Wie bei Enron treten auch Spitzenmanager ohne genaue Erklärung ab. Und monatelang ermittelt die US-Börsenaufsicht, ohne dass das Unternehmen die Ã-ffentlichkeit informiert. Schließlich belassen die Kreditbewertungsagenturen ihre ausgezeichneten Ratings bei Freddie Mac, so wie sie es zu Beginn des Falles Enron getan haben. (...)
Geheimniskrämerei schadet dem Image
Noch hat der Markt Hoffnung, dass sich alles fügt. Für Freddie hat das Desaster aber schon begonnen: Das Image ist schwer angeschlagen. Besonders die Geheimniskrämerei trägt dazu bei, die Investoren zu verunsichern und zu verschrecken. Das gibt Kritikern Auftrieb, die die Zwitterstellung von Freddie Mac und seiner Schwester Fannie Mae anprangern - allen voran die mächtigen Marktwirtschaftler der amerikanischen Zentralbank Fed.
Fannie und Freddie, wie die Konzerne in den USA genannt werden, sind halb private, halb staatliche Unternehmen. Sie genießen viele Privilegien und konnten sich immer auf eine gutmütige, staatliche Aufsicht verlassen. Im Aufsichtsrat etwa sitzen Regierungsvertreter.
Die beiden Konzerne sind von zahlreichen Offenlegungsvorschriften der Börsenaufsicht SEC ausgenommen, an die alle anderen börsennotierten Unternehmen sich halten müssen. Und sie haben beim Finanzministerium eine jederzeit abrufbare Kreditlinie über 2,25 Mrd. $. Außerdem zahlen weder Fannie noch Freddie Steuern an die Bundesstaaten oder Gemeinden. Das alles ist gesetzlich fixiert.
Ungeschriebene Privilegien
Nicht festgeschrieben ist hingegen ein Privileg, das für ihr Geschäft so wichtig ist wie kein anderes: Ihre Investoren gehen davon aus, dass beide eine staatliche Kreditgarantie genießen, also notfalls von der Regierung gerettet würden, um einen Bankrott zu verhindern.
Diese Annahme beschert den Anleihen von Fannie und Freddie ihre Triple-A-Bewertung, also die höchste Stufe, die die Kreditbewertungsagenturen vergeben. Und diese Annahme verhinderte auch, dass in der vergangenen Woche die Freddie Mac-Bonds wie die Aktien abstürzten. Der Aktienkurs sank um mehr als 20 Prozent.
Freddie Mac selbst bestreitet die Staatsgarantie. "Wir lassen keinen Zweifel daran, dass unsere Wertpapiere nicht von der Regierung garantiert werden", sagte Freddie Macs Ex-Chef Leland Brendsel kurz vor seinem erzwungenen Rücktritt. "Das ist das Gesetz, und das ist sehr klar kommuniziert."
Der Widerspruch zwischen der Wirklichkeit und der Wahrnehmung der Investoren treibt den Aufpassern der Fed den Angstschweiß auf die Stirn: Haben die Marktteilnehmer ihre Investitionsentscheidungen unter falschen Annahmen getroffen und wird nun ein Risiko offensichtlich, dann könnte eine Panik einsetzen, die Freddie, Fannie und schließlich der ganzen US-Wirtschaft einen kaum kalkulierbaren Schlag versetzt.
(...) Der Zwitterstatus ist ein Erbe der Depression in den 30er Jahren. Nach der Wirtschaftskrise entschloss sich die Regierung, den Eigenheimbesitz zu fördern, und gründete die Federal National Mortgage Association (FNMA), deren Abkürzung die Amerikaner schnell zu"Fannie Mae" verballhornten. 1970 gründete die Regierung dann Freddie Mac, um wenigstens ein wenig Konkurrenz in den Hypothekenmarkt zu bringen. 1989 ging Freddie an die Börse. (...)“
Gekürzt aus: Aus der FTD vom 17.6.2003
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